Empörung über Festnahme von Menschenrechtlern in der Türkei

18.07.2017, 22:50 Uhr
· Online seit 18.07.2017, 11:29 Uhr
Die Türkei hat mit der Inhaftierung von sechs Menschenrechtsaktivisten international grosse Empörung ausgelöst. Neben Amnesty International reagierte auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel scharf und forderte deren Freilassung.
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«Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Verhaftung absolut ungerechtfertigt ist», sagte Merkel am Dienstag. «Wir werden seitens der Bundesregierung alles tun, auf allen Ebenen, um seine Freilassung zu erwirken. Es ist leider ein weiterer Fall, wo aus unserer Sicht unbescholtene Menschen in die Mühlen der Justiz und damit auch in Haft kommen. Deshalb ist das ein Grund zu allergrösster Sorge.»

Nach Ansicht der SPD ist Merkels Strategie im Umgang mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan gescheitert. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte dem Magazin «Spiegel»: "Was wir derzeit in der Türkei erleben, überschreitet alle Grenzen.

«Was in der Türkei ablaufe, sei unerträglich und überschreite alle Grenzen, sagte Schulz später in Stuttgart. »Herr Erdogan ist dabei, den Rechtsstaat abzubauen." Merkel dürfe nicht länger schweigen, wenn Erdogan immer mehr Journalisten und Menschenrechtsaktivisten ins Gefängnis werfen lasse.

«Das ist keine legitime Untersuchung, das ist eine politisch motivierte Hexenjagd», kritisierte der Generalsekretär von Amnesty International, Salil Shetty.

Neben der Amnesty-Landesdirektorin Idil Eser sitzen der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner und der Schwede Ali Gharavi in Untersuchungshaft.

Am Dienstagabend reagierten schliesslich auch die USA auf die Festnahmen und verurteilten sie scharf. «Die Vereinigten Staaten verurteilen die Festnahme von sechs respektierten Menschenrechtlern und verlangen ihre sofortige Freilassung», sagte die Sprecherin des US-Aussenministeriums, Heather Nauert, in Washington.

Der Präsident der türkischen Amnesty-Sektion sitzt bereits wegen Terrorvorwürfen hinter Gittern. Taner Kilic wird Mitgliedschaft in der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen vorgeworfen, die von der Regierung in Ankara für den Putschversuch vor einem Jahr verantwortlich gemacht wird.

Zehn Menschenrechtler waren am vorvergangenen Mittwoch bei einem Workshop zum Thema «Digitale Sicherheit und Informationsmanagement» in Istanbul festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft den acht türkischen und zwei ausländischen Menschenrechtlern vor, eine nicht näher genannte «bewaffnete Terrororganisation» zu unterstützen.

Vier Menschenrechtler habe der Haftrichter in Istanbul am Dienstagmorgen bis zu einem Prozess unter Auflagen auf freien Fuss gesetzt, hiess es von Amnesty International - sie dürfen fortan das Land nicht verlassen und müssen sich dreimal die Woche bei der Polizei melden. Sechs kamen in Untersuchungshaft.

Erdogan hatte die Menschenrechtler zuvor in die Nähe von Putschisten gerückt. Als Grund der Untersuchungshaft wurde im Protokoll der Gerichtsverhandlung hohe Fluchtgefahr genannt.

Ein Regierungssprecher in Berlin sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Bundesregierung habe keine Indizien dafür, dass die Vorwürfe gegen die Workshop-Teilnehmer zutreffend seien.

Unterdessen reagierten auch Schweizer Parlamentarier: Im Namen der Parlamentarischen Gruppe für Menschenrechte riefen die Co-Präsidenten Anne Seydoux (CVP), Carlo Sommaruga (SP) und Balthasar Glättli (Grüne) die türkische Regierung am Dienstag auf, «zu rechtsstaatlichen Prinzipien zurückzukehren und die Verfahren gegen die angeklagten Menschenrechtsaktivisten umgehend einzustellen und die Verhafteten freizulassen».

Den Bundesrat und die Parlamentarier riefen sie dazu auf, sich bei türkischen Regierungsvertretern entschieden dafür einzusetzen.

Seit dem gescheiterten Militärputsch im Juli 2016 sind in der Türkei mehr als 50'000 Menschen festgenommen und mehr als 100'000 Staatsbedienstete entlassen oder suspendiert worden. Betroffen sind nicht nur Soldaten, Polizisten, Staatsanwälte oder Richter, sondern auch kurdische und andere Oppositionelle, kritische Journalisten und unabhängige Wissenschaftler.

veröffentlicht: 18. Juli 2017 11:29
aktualisiert: 18. Juli 2017 22:50
Quelle: SDA

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