Andy Schmid über das Achtelfinal-Duell gegen den THW Kiel

22.03.2017, 08:58 Uhr
· Online seit 22.03.2017, 08:18 Uhr
Das Los führt in der Champions League zwei deutsche Giganten zusammen: Der dreifache Sieger Kiel trifft auf den Bundesliga-Titelträger Rhein-Neckar Löwen. Andy Schmid äussert sich zum brisanten Duell. Dass sich die Rivalen lieber aus dem Weg gegangen wären, verneint niemand.
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Der Respekt Kiels ist gross, im letzten Jahr entrissen ihnen die Mannheimer die Meisterschale nach einer vierjährigen Regentschaft. Im Cup waren die Löwen vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls über die THW-Zebras hergefallen.

Die Lage beim norddeutschen Handball-Rekordhalter ist derzeit unübersichtlich, das hoch dotierte Kader ist völlig unberechenbar. Auf europäischem Parkett enttäuschte das multinationale Ensemble teilweise schwer. Am Ende der Gruppenphase wurde die ehemals weltbeste Klubmannschaft im Pariser Vorort Boulogne-Billancourt gedemütigt wie noch nie in der 113-jährigen Vereinsgeschichte - das 24:42 gegen den PSG, ein epochaler Absturz.

Andy Schmid relativiert das Debakel: «Klar fehlt dem THW die Stabilität von früher, aber es ging in dieser Partie um nichts mehr.» Der Schweizer lässt sich von der Schwarzmalerei der gegnerischen Klubführung nicht ablenken: «Sie reden immer von einem Umbruch - dabei geht es genau um eine Position, die neu besetzt worden ist. Kiel beschäftigt nach wie vor diverse Weltklasse-Handballer und kann in einem guten Moment jede Mannschaft der Welt schlagen.»

Dem «Derby» kommt eine ungewöhnlich hohe Bedeutung zu. Auf Druck der Vereine musste der Europameister Deutschland am Wochenende in den Testländerspielen gegen Schweden ohne die Akteure der beiden Achtelfinalisten auskommen. «Von ungefähr kam das Theater um die Abstellung der Nationalspieler ja nicht», sagt Schmid zur sportpolitischen Note des Gipfeltreffens.

Persönlich würde er einen Triumph im wichtigsten europäischen Wettbewerb als «Nonplusultra» einordnen. Für den Löwen-Captain ist aber auch eine Abwägung der Interessen nachvollziehbar. Im Vergleich zu Vertretern aus den Ländern Spanien, Frankreich, Ungarn, Polen oder Mazedonien priorisieren die Bundesligisten in der Regel ihren Heimmarkt.

Die aufgeblähte Champions-League-Vorrunde mit 14 Partien kommt den bereits im Alltag enorm geforderten Teams aus Deutschland nicht entgegen. «Wir sind zum Beispiel noch auf drei Bühnen beschäftigt. Da beginnt man zu kalkulieren, wo die Chancen am grössten sind.» Und man dürfe nie ausser Acht lassen: «Die Tickets verkaufen wir in der Liga, die Sponsoren generiert der Klub hauptsächlich im Meisterschaftsalltag.»

Es sei heikel, zu Gunsten einer Europacup-Top-4-Klassierung alles zu opfern, so Schmid. «Die Wahrscheinlichkeit ist klein, nach Köln fahren zu können. Die Konkurrenz ist gewaltig, zehn bis zwölf Teams kommen für das Final Four in Frage.» Das Tableau ist ungünstig, in der nächsten Runde droht Barcelona, der eine von zwei Gruppensiegern. Auch deshalb fixiere er sich auf keine internationalen Vorhaben.

Man müsse die Realität im Auge behalten, fordert der Luzerner Patron: «Eigentlich können wir mit Teams wie Kiel oder Flensburg-Handewitt gar nicht mithalten. Unser Titelgewinn von letzter Saison verzerrt die Realität etwas. Man muss immer beachten, woher wir kommen - vor fünf Jahren nahm uns keiner ernst.»

Schmid spricht Klartext. Er hat gelernt, sich mit der Binde um den Oberarm in der Garderobe bemerkbar zu machen. Die erhöhte Verantwortung innerhalb des Löwen-Projekts spürt Schmid und denkt: «Der Umgang mit den verschiedenen Charakteren ist für mich ein Lernprozess, der mich weiterbringt. Es ist denn noch nicht nötig, jeden zweiten Tag einen Monolog zu halten.»

Weiter, immer weiter, an allen Fronten. Dreimal MVP der Liga, Meister, Captain und irgendwann Welthandballer? Ein drittes Europacup-Out im Achtelfinal würde Schmids Wahlchancen beeinträchtigen. Und unbeschränkt viele Köln-Optionen besitzt der bald 34-Jährige altersbedingt nicht mehr. 2020 endet der Vertrag nach zehn Saisons in der SAP-Arena.

Was passiert dann? Womöglich steigt der Ballvirtuose ins Trainergeschäft ein. Im Besitz der Diplome ist er bereits: «Ich könnte mit meinen Papieren ein NLA-Team führen. Der Job als Coach ist denkbar.» Noch führt er seine ausgeklügelten Schachzüge selber aus - am Mittwoch vorzugsweise vor 10'000 schwarzweiss gekleideten Anhängern.

Champions League. Achtelfinal. Mittwoch, 22. März, 18.30 Uhr: Kiel - Rhein-Neckar Löwen. - Rückspiel am Donnerstag, 30. März, 19 Uhr in Mannheim.

veröffentlicht: 22. März 2017 08:18
aktualisiert: 22. März 2017 08:58
Quelle: SDA

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