Mattwil: Verdächtiger hat psychische Probleme

18.01.2018, 14:57 Uhr
· Online seit 18.01.2018, 11:42 Uhr
Der junge Mann, der eine 75-jährige Frau schwer verletzt hat, soll erst vor kurzem aus der Psychiatrie entlassen worden sein. Das Opfer liegt noch immer im Spital.
Stephanie Martina
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Drama in Mattwil: Mit einem Hammer soll ein 24-jähriger Schweizer auf sein Opfer losgegangen sein. Er hat die 75-jährige Frau schwer verletzt. Dass die Tatwaffe ein Hammer gewesen sei, macht im Dorf die Runde. Die Staatsanwaltschaft gibt dazu keine Auskunft. Gegen den mutmasslichen Täter führt sie ein Strafverfahren wegen Verdachts auf versuchte vorsätzliche ­Tötung. Das sagt Stefan Haffter, Mediensprecher der Thurgauer Staatsanwaltschaft. Der Mann befinde sich in Untersuchungshaft. Verschiedene Quellen geben an, der Mann sei erst kurz vor der Tat aus der Psychiatrie entlassen worden. Die Rede ist von wenigen Tagen. Auch dazu nimmt die Staatsanwaltschaft keine Stellung, ebenso wenig zum Motiv. «Wir sind noch am Anfang der Ermittlungen», sagt Haffter. ­Opfer und Täter haben jedenfalls im selben Mehrfamilienhaus ­gewohnt. Er habe gehört, es soll sich um einen Nachbarschaftsstreit gehandelt haben, sagt ein Mattwiler.

Der Vorfall hat das Dorf erschüttert. «Die Betroffenheit ist gross», sagt Peter Stern, der Gemeindepräsident von Birwinken, zu dem Mattwil gehört. Stern hat das Opfer nicht persönlich gekannt.

Opfer immer noch im Spital

Ein so grosses Polizeiaufgebot wie am Montag sei ungewöhnlich für den Ort. Wie viele Polizisten im Einsatz standen, gibt die Kantonspolizei nicht bekannt. «Es waren mehrere Patrouillen dort», sagt ihr Sprecher Matthias Graf. Nachdem sich um 13.45 Uhr eine Nachbarin des Opfers bei der Kantonalen Notrufzentrale gemeldet hatte, sei die Polizei ­sofort ausgerückt. Die Polizisten hätten sich um die schwerverletzte Frau gekümmert.

Der mutmassliche Täter sei kurz darauf festgenommen worden. Ob er bereits wieder in der eigenen Wohnung war, will Graf nicht bestätigen. Dazu sagt er nur: «Er war vor Ort.» Die Verletzte musste mit der Rettungsflugwacht ins Spital geflogen werden. Dort befindet sie sich noch immer.

«Ereignisse Voraussagen kann man nicht»

Wie weit können Psychiater die Gefährlichkeit eines Menschen einschätzen? Das haben wir Thomas Knecht gefragt. Er ist Leitender Arzt Forensik am Psychiatrischen Zentrum AR in Herisau. Hier seine Antwort: «Die Einschätzung der Gefährlichkeit bei psychisch kranken oder auffälligen Menschen ist eine Spezialität der forensischen Psychiater und wird gewöhnlich im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung vorgenommen. Bei freiwilligen Klinik-Patienten ist dies nicht üblich. Beurteilt wird die Wiederholungsgefahr oder – wenn Drohungen im Raum stehen – die Ausführungsgefahr. In beiden Fällen wird aber nicht ein präzises Ereignis vorausgesagt, das können wir nicht. Es wird aufgrund von Risikofaktoren, welche in der Person und in der Lebenssituation des Betreffenden begründet sind, kalkuliert, wie gross die Gefahr ist, welche von ihm ausgeht. Dabei spielen Alter, kriminelle Vorgeschichte, Art der Störung, Alkohol- und Drogenprobleme, Beziehungen zu Waffen, sexuelle Abnormitäten, Zukunftsperspektiven und mehr eine Rolle.

In einem weiteren Arbeitsgang können standardisierte Prognoseinstrumente wie etwa die Psychopathy-Checklist herangezogen werden. Dabei handelt es sich um Merkmalslisten mit der Möglichkeit einer Punktwertbildung, teils sogar mit statistisch fundierten Rückfallquoten. Bei Drohungen muss neben dem Profil des Täters auch die Konfliktkonstellation mit dem potenziellen Opfer ins Auge gefasst werden. In welchem Kontext tritt die Drohung auf? Was sind die Motive des Täters? Was ist der Stand der Konfliktdynamik?

Auch die Form oder Formulierung der Drohung spielt eine Rolle? Verrät sie einen festgefügten und realisierbaren Handlungsplan oder dient sie nur als Ventil für diffuse innere Spannungen («Euch sollte man alle einmal…!»)? So kommt man letztlich zu einer einigermassen realistischen Einschätzung der Bedrohungslage.»

Dieser Artikel erschien am 18. Januar zuerst in der Thurgauer Zeitung.

veröffentlicht: 18. Januar 2018 11:42
aktualisiert: 18. Januar 2018 14:57
Quelle: red.

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