«Verhalten ist für die Schweiz bislang einmalig»
Der Wolf «M75» geht immer nach dem selben Muster vor: Er überspringt einen Weidezaun oder sucht gezielt nach einer Lücke. In der Weide reisst er mehrere Schafe mitten aus der Herde. «Er ist sogar in Ställe und Ausläufe eingedrungen, dieses Verhalten ist bislang einmalig für einen Wolf in der Schweiz», sagt Dominik Thiel, Leiter Amt für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons St.Gallen. Seit Anfang Jahr haben sich diese Vorfälle in den Kantonen Graubünden, Tessin, Thurgau und Zürich gehäuft. Aufgrund der DNA-Analyse wurden «M75» bereits über 50 Risse zugeordnet.
Mitte April kam es im Kanton St.Gallen ebenfalls zu Angriffen der selben Art. In einem Schreiben geht der Kanton St.Gallen «mit grösster Wahrscheinlichkeit» davon aus, dass es auch bei diesem Angriff um die Tat von «M75» handelt.«Wir haben die Risse aus den anderen Kantonen mit denen in St.Gallen verglichen und gehen davon aus, dass es sich um den Wolf M75 handelt», so Thiel. St.Gallen liege nachweislich im Streifgebiet dieses Wolfs. Auf den Gen-Nachweis könne man in diesem Fall nicht warten. «Wir müssen handeln, wenn es notwendig ist.»
Abschussverfügung nun in drei Kantonen
Am 22. März verfügten die Kantone Graubünden und Tessin einen Abschuss des notorisch Schafe reissenden Wolfs. Das Amt für Natur, Jagd und Fischerei schliesst sich deren Erwägung an und erlässt ebenfalls eine Verfügung zum Abschuss des schadenstiftenden Wolfes M75. Diese wird heute im Amtsblatt veröffentlicht.
Wolf ist höchstwahrscheinlich bereits über alle Berge
Über den ins Visier genommenen Wolf ist wenig bekannt. Es scheint sich um einen unruhigen Wandergesellen zu handeln. Das Tier wurde im vergangenen Januar im Bergell erstmals genetisch identifiziert, wie der Bündner Jagdinspektor Georg Brosi im März der Nachrichtenagentur sda sagte. Die Vorgeschichte des Tieres sei unbekannt.
Der Wolf wurdeseit einer Woche nicht mehr gesehen. «Wir haben keine Ahnung, wo er sich gerade herumtreibt», sagt Dominik Thiel. Es sei gut möglich, dass der Wolf bereits über alle Berge ist und sich wieder in Italien aufhält. Der Wolf M75 habe bereits in der Vergangenheit grosse Distanzen zurückgelegt.
WWF verzichtete bislang auf eine Beschwerde
Der WWF prüfte eine Beschwerde gegen die Abschussverfügung, verzichtete dann aber darauf. Es gebe keine andere Wahl, schrieb der WWF vor einer Woche. Allein die Zahl der Nutztierrisse in Graubünden reiche für einen Abschuss aus. Laut WWF könnten allerdings die Herdenschutzmassnahmen im Kanton Tessin noch verbessert werden.
Auch gegen die Abschussverfügung im Kanton St.Gallen wird der WWF eine mögliche Beschwerde prüfen. «Der WWF nimmt die Abschussfreigabe für den Wolf M75 des Kantons St.Gallen zur Kenntnis uns bedauert, dass das Tier getötet werden muss», sagt Gabor von Bethlenfalvy, Grossraubtierverantwortlicher vom WWF Schweiz. Er fordert, dass beim Abschuss des Tieres Vorsicht geboten wird.Limite erreicht, schadensstiftend. Stellen uns nicht prinzipiell einem Abschuss als letzte Massnahme entgegen.
(SDA/saz/enf/pd)