Batzen für Batzen zum Badesee

· Online seit 07.05.2017, 07:35 Uhr
Crowdfunding ist eine beliebte Art der Finanzierung. Viele Geldgeber beteiligen sich mit kleinen Beträgen an der Umsetzung eines Projektes. In der Ostschweiz werden auf diese Weise Badeseen, neue Konzertflügel und löcherfreie Ballnetze Realität.
Stephanie Martina
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Vor wenigen Wochen beschloss der FC Wil, seine finanzielle Situation durch ein Crowdfunding-Projekt zu verbessern. Innert 80 Tagen will der Club mit Hilfe seiner Fans 50'000 Franken zusammenbringen, damit der Spielbetrieb aufrechterhalten werden kann. Was im Grossen funktioniert, funktioniert auch im Kleinen. So ist es etwa dem SC Berg durch Crowdfunding gelungen, genügend Geld zu beschaffen, damit der Ballfang-Zaun hinter dem Tor nahe des Waldes erneuert werden konnten. «Dieser befand sich in einem so desolaten Zustand, dass die Bälle teils durch das Netz direkt in den Wald geflogen sind», erinnert sich Patrick Küng, Präsident des SC Berg. Manche Bälle hätte man gar nicht wieder gefunden. Ein anderes Problem waren die Zecken im Wald.

Auf die Idee, das Ballnetz teilweise durch Crowdfundig zu finanzieren, kam der Thurgauer Fussballclub durch seinen Co-Sponsoren, die Raiffeisenbank. Die Raiffeisen Bank betreibt seit vergangenem Herbst die Plattform «lokalhelden.ch». Darauf wurden bis heute 130 Projekte erstellt, für die Geld gesammelt wird. Dass viele der Einträge Ostschweizer Projekte sind, verwundert nicht: Die Idee dieser gratis Crowdfunding-Webseite stammt aus der Ostschweiz und bevor die Seite schweizweit aufgeschaltet wurde, wurden erste Tests in der Ostschweiz durchgeführt.

So auch beim SC Berg. «Die Bank sagte uns, dass sie eine solche Plattform aufschalten werden und fragten uns, ob wir nicht ein Crowdfundingprojekt erstellen wollen. Und da unser Ballfang dringend erneuert werden musste, packten wird diese Gelegenheit beim Schopf», sagt Küng. Der Fussballplatz des SC Berg wurde 1981 gebaut. Ebenso alt war auch der durchlöcherte, ehemalige Ballfang. Seit dem vergangenen Herbst müssen die Junioren und Aktiven des Vereins nicht mehr in Gebüschen nach Bällen suchen und dabei einen Zeckenbiss riskieren. Das neue Netz fängt jeden Ball ab, der am Tor vorbeifliegt.

Mit diesem Video sammelte der SC Berg 3'200 Franken innert sieben Wochen:

Endlich wieder ein Badesee für Ftan

Was dem SC Berg gelungen ist, haben auch zahlreiche Ostschweizer Vereine, Initianten, Träumer und Idealisten geschafft. Sie alle schilderten ihr Vorhaben zunächst auf «lokalhelden.ch» und hofften, genügend Gönner zu finden, die ihr Projekt für unterstützenswert halten. Einige davon erhielten sogar viel mehr Unterstützung als erwartet. Bereits 24 Tage vor Ablauf der Crowdfundig-Frist hat etwa der Verein Pro Ftan sein Finanzierungsziel von 120'000 Franken übertroffen. Mit diesem Geld und dem weiterer Gönner soll in Ftan der ehemalige Badesee wieder Instand gesetzt und mit Wasser gefüllt werden. «Ftan ist ein wunderschöner Ort an sonniger Lage. Im Sommer wird es dadurch sehr heiss, aber es besteht keine Möglichkeit, sich abzukühlen. Deshalb setzen wir uns seit Jahren dafür ein, dass in Ftan wieder gebadet werden kann», sagt Projektkoordinatorin Laila Tobler, die in Ftan ein Ferienhaus besitzt.

Dass der Badesee saniert werden muss, liegt daran, dass der See früher Privaten gehörte und solange vernachlässigt wurde, bis irgendwann das Wasser versickert war. Nun naht Rettung: In den vergangen drei Monaten kamen rund 123'000 Franken zusammen. Der Grossteil des gesammelten Geldes stamme von Zweitwohnungsbesitzern, sagt Tobler. Daneben habe sich der Verein Pro Ftan dazu bereit erklärt, sich mit 120'000 Franken zu beteiligen, ebenso die Gemeinde Scoul. Nun sei der benötigte Betrag von 360'000 Franken vorhanden und somit könne im Herbst der Spatenstich erfolgen. «Im kommenden Sommer sollen die Ftaner und die Touristen bereits im neuen-alten See baden können», sagt Tobler.

Im Video erklärt Laila Tobler, warum die Bündner Gemeinde Ftan wieder einen Badesee braucht:

Ein neuer Flügel für die Kirche Rotmonten

Auch anderen Ostschweizern ist es gelungen, ihre Projekte dank Crowdfundern zu realisieren. Der SC Brühl konnte dadurch seine Webseite neu gestalten und der Eishockeynachwuchs beim SC Rheintal hat neue Stulpen erhalten. In Bronschhofen entsteht demnächst ein drittes Beachvolleyballfeld, jetzt da Volley Rossrüti dank der Unterstützung von Gönnern genügend Geld beisammen hat. Und die evangelische Kirche Rotmonten in der Stadt St.Gallen hat ihren alten Flügel durch einen neuen ersetzen können. «Nun können wir endlich unsere Flügelkonzertreihe namens ‹Flügel Festival Rotmonten› durchführen», freut sich Gerold Schneider, Quartiervereinspräsident von Rotmonten und Mitglied der Interessensgemeinschaft «Flügel und Konzerte für Rotmonten».

Diese Interessensgemeinschaft war es, welche die Crowdfunding-Aktion gestartet hat - mit grossem Erfolg. Das Finanzierungsziel von 39'000 Franken wurde um mehrere tausend Franken übertroffen. «Wichtig beim Crowdfundig ist, dass es einem gelingt, schnell sein Netzwerk zu aktivieren. Wir waren eine Gruppe von sechs Personen und jeder hat seine Freunde auf unser Projekt aufmerksam gemacht. Dadurch entstand schnell eine Eigendynamik. Wichtig ist auch, dass man einen guten Start erwischt. Uns ist es gelungen in den ersten 15 der insgesamt 90 Tagen bereits 20 bis 30 Prozent zu finanzieren», sagt Schneider. Seit der neue Flügel in der Kirche Rotmonten steht, wurden bereits drei Konzerte veranstaltet. Mit dem alten Flügel wäre dies nicht möglich gewesen, sagt Schneider, denn das Instrument hätte sich kaum noch stimmen lassen.

Mit diesem Video warben die Initianten für ihr Flügel-Projekt:

Neue Projekte in den Startlöchern

Während viele Ostschweizer Projekte Anklang zu finden scheinen, gibt es auch solche, welche nicht umgesetzt werden können. So ist es etwa dem Zuzwiler Fasnachtsverein SSK Prinzä nicht gelungen, genügend Geld für einen eigenen Fasnachtswagen zu beschaffen. Den lang gehegten Traum müssen die Fasnächtler vorerst weiter träumen.

Andere Vorhaben stehen noch in den Startlöchern und sind derzeit auf der Suche nach genügend Fans, die sich vorstellen können, die Projekte zu unterstützen. Erst in der Startphase befindet sich etwa ein Projekt, dass den in die Jahre gekommenen Schlössli-Skilift in St.Gallen erneuern möchte. Oder ein Projekt aus dem Toggenburg, das plant, eine Squash-Halle in eine Boulder-Box umzubauen. Ob diese Vorhaben einst Realität werden, steht noch in den Sternen.

(stm)

 

veröffentlicht: 7. Mai 2017 07:35
aktualisiert: 7. Mai 2017 07:35

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