Bauern kämpfen um ihre Existenz

· Online seit 27.04.2017, 05:43 Uhr
Der Frost letzte Woche hat den Ostschweizer Bauern den Grossteil ihrer Ernte zerstört. Einige sind davon so stark betroffen, dass ihre Existenz bedroht sein könnte. Bauer Thomas Burren aus Hefenhofen schaut aber positiv in die Zukunft.
Fabienne Engbers
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«Vielleicht wächst ja noch das eine oder andere», hofft Thomas Burren, Obstbauer aus Hefenhofen. 7,5 Hektaren Obstbäume und Beerensträucher nennt er sein Eigen. Fast alle Blüten, die darauf wachsen, sind erforen. Nur einzelne Obstsorten und Beeren haben die Kälte überlebt.

Die Knospen sind praktisch alle schwarz

Fährt man dieser Tage auf eine Obstplantage, sieht man immer noch die blühenden Bäume und grünen Blätter. Wenn man sich das so ansieht, könnte man meinen, alles sei in bester Ordnung. Schaut man aber genauer hin, merkt man, dass die Blüten abfallen und sich darunter eine schwarze, tote Knospe befindet.

«Ich habe in den meisten Feldern noch keine einzige Blüte gefunden, die den Frost überlebt hat, das tut weh», sagt Thomas Burren. Einigen wenigen, die letzte Woche noch geschlossen waren, gibt er noch eine Chance, sie könnten in den nächsten Tag wachsen. «Dazu müssten aber die Bienen fliegen und die Blüten bestäuben, es müsste in den nächsten Tagen nochmals warm werden.» Die geschlossenen Blüten behandelt Burren mit grösster Vorsicht, jede Frucht, die diesen Sommer wächst, ist für ihn ein kleines Geschenk. «Die nächsten drei bis vier Wochen wird sich zeigen, wie viele Knospen den Frost überlebt haben, aber es sieht wirklich nicht gut aus.»

«Hätte ich sechs Mäuler zu stopfen, hätte ich ein Problem»

Keine Früchte bedeuten für Thomas Burren keine Ernte, keine Ernte bringt auch kein Einkommen. «Klar können wir zum Beispiel beim Personal Kosten sparen, weil wir nicht ernten müssen, aber die Pflege der Bäume und des Landes fallen trotzdem an.» Der gravierende Ernteausfall bedeutet für alle Bauern, die Obst und Beeren anpflanzen, ein massives Loch im Geldbeutel.

Thomas Burren hat vier Töchter, die alle bereits erwachsen sind. Die zwei ältesten Töchter wohnen nicht mehr auf dem Hof, die jüngeren zwei sind im letzten Lehrjahr. «Zum Glück sind wir so finanziell ein bisschen weniger belastet. Hätte ich kleine Kinder, bekäme ich wahrscheinlich Probleme.»

Trotzdem wird Familie Burren in der einen oder anderen Hinsicht durch die Ernteausfälle sparen müssen. «Geplante Investitionen werden hinfällig, wir Bauern können diese mit der kommenden Ernte nicht finanzieren. Würde sich jemand einen Traktor anschaffen wollen, müsste er dies verschieben.» Dies hat Auswirkungen auf die Maschinenhändler, auch diese werden nächstes Jahr wohl Einkommenseinbussen haben.

Mai- und Brombeeren geben Anlass zur Hoffnung

Quitten, Zwetschgen, Kirschen und Äpfel wird es dieses Jahr im Hoflädeli von Thomas Burren nur vereinzelt geben, andere Pflanzen haben den Frost besser überstanden. «Bei den Brombeeren sind die äussersten Zipfel zwar erfroren, darunter kommen aber neue nach, die ziemlich sicher Beeren tragen werden», sagt Thomas Burren. Brombeersträucher seien wie Unkraut, die liessen sich nicht so schnell zerstören.

Vom Frost gänzlich unbeeindruckt blieben die hierzulande noch fast unbekannten Maibeeren. Die Beeren kommen ursprünglich aus Sibirien und haben die Minusgrade locker weggesteckt. «Es ist der erste Sommer, in dem wir Maibeeren ernten, sie sind eine Art Experiment.» Bislang hat sich der Anbau offenbar bewährt, die kleinen vitaminreichen Beeren sind kerngesund und werden im Mai pünktlich reif. «Vielleicht sind sie ein Standbein für die Zukunft.»

Diesen Sommer will Thomas Burren auf seinem Hof die Beeren erstmals zum Probieren anbieten. «Wir wollen sehen, welche Sorte Maibeeren am besten ankommt.» Die kleinen Beeren sind eine Art Superfood, aus denen man auch Confi, Müsli oder gar einen Gin machen könnte.

«Meine Kunden müssen sich an leere Regale gewöhnen»

Im Hoflädeli von Thomas Burren, im Chressibuech bei Amriswil, werden dieses Jahr einige Gestelle leer bleiben. Da er seine Destillate nur mit selbst angebauten Früchten produziert, wird es im Herbst einige Sorten gar nicht geben. «Bei den Quitten haben wir einen Totalausfall, nächstes Jahr wird es wohl keinen Quittenschnaps geben.» Auch der Zwetschgen- und der Kirschschnaps könnte knapp werden.

Was im Hoflädeli fatale Auswirkungen hat, merkt der Konsument an der Migros-Kasse kaum. «Die Grosshändler werden einfach mehr Obst aus dem Ausland importieren, weil die Bauern aus der Region die Ware nicht liefern können», sagt Thomas Burren. So wird es in der Migros Jonagold-Äpfel geben, obwohl im Thurgau viele Obstbäume keine Früchte tragen werden.

Thomas Burren hofft deshalb ein wenig auf das Bewusstsein der Konsumenten. «Ich hoffe, dass die Konsumenten bereit sind, etwas mehr für Schweizer Produkte zu bezahlen und sie vielleicht mehr auf einheimische Produkte wie auf die importierte Ware zurückgreifen.»

Viele Bauern haben durch den Frost letzte Woche Ernteeinbussen gehabt, auch die kantonalen Ämter gehen von massiven Ernteeinbussen aus. Eine Übersicht darüber, welche Früchte und Beeren den Frost nicht überlebten, gibt es hier.
veröffentlicht: 27. April 2017 05:43
aktualisiert: 27. April 2017 05:43
Quelle: enf

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