Mit Kind und Kegel auf Betteltour

24.10.2016, 09:19 Uhr
· Online seit 22.10.2016, 13:03 Uhr
Bettler aus Rumänien, darunter besonders Roma-Gruppen, halten im benachbarten Vorarlberg die Polizei auf Trab. Immer wieder kommen verschiedene Bettlergruppen auch in die Schweiz. Ihre Einreise können die Behörden kaum verhindern.
Claudia Amann
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Seit ungefähr zwei Jahren beeinträchtigen viele Rumänen das öffentliche Leben in Vorarlberg. Die Situation hat sich dermassen zugespitzt, dass viele Bewohner aus Feldkirch die Verantwortlichen bei der letzten Stadtvertretungssitzung zum effektiven Handeln aufgerufen haben.

Die Roma-Gruppen - meist ohne Gepäck, dafür mit vielen Plastiksäcken und Babys auf den Armen - pilgern von einem Platz zum nächsten. Auch in öffentlichen Verkehrsmitteln sind sie oft anzutreffen und betteln Passagiere an. Regelmässig beschwert sich die Bevölkerung über deren forderndes und oftmals aggressives Vorgehen und versteht nicht, wieso die Roma sich weder anpassen noch Ordnung halten können. Die «Ostschweiz am Sonntag» berichtete im November vergangenen Jahres von der Situation über der Rheingrenze.

Bettler kommen in Häuser

Auch wenn an einzelnen Orten der Ostschweiz und auch in der Stadt St.Gallen das Betteln verboten ist, hat die Stadtpolizei St.Gallen dieses Jahr mindestens 70 mal Bettler verwarnen müssen. Falls es bis Ende des Jahres nicht noch wesentlich mehr werden, dürfte die Anzahl dem Jahresdurchschnitt von etwa 100 entsprechen.

«Jene Leute, die wir oft wegweisen müssen, kommen meistens aus Rumänien und haben keinen festen Wohnsitz in der Schweiz», sagt Roman Kohler, Mediensprecher der Stadtpolizei St.Gallen. Bei Missachtung folge eine Busse von 40 Franken oder gar eine Wegweisung für 30 Tage. «Nach einer Wegweisung versuchen nicht viele Bettler nochmals ihr Glück am selben Ort», sagt Dionys Widmer, ebenfalls Mediensprecher der Stadtpolizei.

Besonders in den Ortschaften an der Grenze zu Österreich kennt man die Almosenjäger gut. Teilweise seien sie auch schon in Häuser gekommen. Ob sie so dreist vorgehen wie in Vorarlberg, wo sie von Bewohnern ausdrücklich Geschenke verlangen, ist nicht bekannt. Die Gemeinde Au hat ihre Bürger im Gemeindeblatt jedenfalls ausdrücklich vor den Betteltouristen gewarnt. Noch mehr von ihnen dürften zum Advent hin kommen. Eine beliebte Masche zu jener Zeit: Spenden sammeln für eine gemeinnützige Organisation.

Organisierte Banden

«In der Schweiz handelt es sich bei den erwischten Bettlern meist um Mitglieder organisierter Banden», sagt Mediensprecher Florian Schneider von der Kantonspolizei St.Gallen. «Diejenigen, die als ‹Bettler› auf der Strasse sind, geben nach ‹Feierabend› das gesammelte Geld ab.» In der Schweiz sei niemand dazu gezwungen, in der Öffentlichkeit zu betteln, betont Schneider. «Wichtig ist, dass die Bettler von Passanten kein Geld erhalten. Wenn es sich nicht lohnt, wird nicht gebettelt.»

Personen aus Rumänien dürfen visumsfrei in die Schweiz einreisen. «Systematische Grenzkontrollen finden nicht mehr statt, wenn Personenkontrollen erfolgen, dann auf Basis von Stichproben», lässt David Marquis von der Eidgenössischen Zollverwaltung wissen und betont: «Relevant ist die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit.» Und noch sei in der Schweiz von keinem wirklichen Problem zu sprechen.

Diebesgut vorgefunden

«Wenn wir bei der Einreise in die Schweiz Personen feststellen, die keine Straftat begangen haben, dann haben wir keine Handhabe», erklärt Martin Tschirren, Mediensprecher des Grenzwachtkorps III. «Allerdings ist es so, dass wir bei der Ausreise von Personen gezielte Kontrollen machen können.» Bei rund 20 bis 25 Prozent der Anhaltungen handle es sich um rumänische Staatsbürger. Dass diese ihr Bargeld erbettelt haben, könne man ihnen aber nur schwer nachweisen.

Und bei einer dieser Kontrollen vom vergangenen Sommer, so erzählt Martin Tschirren, habe das Grenzwachtkorp eine interessante Entdeckung gemacht: «Wir haben bei einem Rumänen einen Schliessfachschlüssel gefunden. Diesen Schlüssel konnte man einem Schliessfach am Bahnhof Bregenz zuordnen, in welchem sich einige gestohlene iPhones befanden.»

Exekutive sind Hände gebunden

In Vorarlberg bilden sich regelmässig ganze Lager von Bettlern und «die Polizei kann mangels gesetzlicher Grundlage in den meisten Fällen nichts tun, wenn sich Personen auf öffentlichen Plätzen befinden», sagt Susanne Dipl von der Landespolizei Vorarlberg. Werden sie weggewiesen, ziehen sie einfach an den nächsten Ort weiter. Der «ORF» hat im vergangenen Juli recherchiert, dass von den ungefähr 200 bettelnden Notreisenden alle aus Rumänien stammen, zwei Drittel davon Analphabeten und neun Prozent Kinder sind.

In Vorarlbergs grösster Stadt Dornbirn hat eine Gruppe von Roma im Herbst 2015 ein wildes Zeltlager aufgeschlagen. Das Naherholungsgebiet Achauen war rund um die insgesamt 60 Zelte stark verschmutzt und vermüllt; ein Gleisbett der Bahnlinie hatte die Gruppe abgegraben, berichteten der «ORF» und «VOL.at». Die Auflassung der Lager erfolgte schliesslich auf Basis des Natur- und Landschaftsschutzgesetzes.  Rund zehn Tonnen Abfall mussten von Mitarbeitern des Werkhofs und Sozialarbeitern entsorgt werden.

Zum TVO-Bericht

veröffentlicht: 22. Oktober 2016 13:03
aktualisiert: 24. Oktober 2016 09:19

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