Das Fürstentum Liechtenstein in der Asylidylle

02.12.2015, 17:59 Uhr
· Online seit 02.12.2015, 17:29 Uhr
4500 Flüchtlinge kamen seit September über die St.Galler Grenze in die Schweiz. Auf der anderen Seite des Rheins geht es beschaulicher zu und her: Im Fürstentum Liechtenstein spricht man zwar von «erhöhten Zahlen», bislang kamen aber lediglich 140 Asylsuchende an.
Marco Latzer
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Die Grenzübertritte in St.Margrethen und Buchs dominieren in den letzten Wochen und Monaten die Schlagzeilen zur Flüchtlingskrise in der Ostschweiz. Die Asylsuchenden kommen derzeit «tröpfchenweise» an der Grenze an - einmal ist es nur eine Handvoll, dann passieren wieder bis zu 100 Flüchtlinge gleichzeitig die St.Galler Aussengrenze.

Die Situation sei unberechenbar und von Tag zu Tag unterschiedlich, heisst es auf Anfrage von FM1Today bei der zuständigen Grenzwachtregion III. Im Fürstentum Liechtenstein findet ein solcher Ansturm derzeit nicht statt. Dies obwohl der «Wiener Walzer», der Zug, mit dem viele Flüchtlinge in der Schweiz ankommen, vor seinem Grenzhalt in Buchs einmal quer durch den 38'000 Einwohner zählenden Zwergstaat rollt.

Verdoppelung auch im Fürstentum

Klar ist: Hunderte oder Tausende Flüchtlinge könnte das Fürstentum ohnehin nicht aufnehmen, denn dazu reichen die Kapazitäten nicht aus. Das Aufnahmezentrum in Vaduz - es ist das einzige des Landes - stosse auch so bereits an seine Grenzen, sagt Christian Blank, Leiter der Abteilung Asyl des Ausländer- und Passamts (APA), gegenüber FM1Today. «Im Normalfall stellen jährlich zwischen 70 und 100 Personen ein Asylgesuch, in diesem Jahr waren es bis Ende November bereits 140. Die meisten davon kommen momentan aus Afghanistan.»

Wegen dieser Verdoppelung müsse man natürlich auch im «Ländle» von erhöhten Zahlen sprechen. Eine Ausnahmesituation sei damit zwar noch nicht eingetreten, trotzdem könne Liechtenstein schon aufgrund seiner Landesgrösse nicht unbeschränkt Flüchtlinge bei sich aufnehmen.

Spannender Fakt am Rande: Im Fürstentum dürfen Asylbewerber im Gegensatz zur Schweiz vom ersten Tag einer Beschäftigung nachgehen. In der Praxis passiert dies allerdings kaum, da Asylsuchende auf dem Stellenmarkt einen schweren Stand haben.

Viele Nichteintretensentscheide

Ein grosser Teil der Gesuchssteller - zwischen 60 und 70 Prozent - erhält relativ schnell einen Nichteintretensentscheid mit auf den Weg. Da Liechtenstein im Dezember 2011 ebenfalls dem Schengen-Dublin-Abkommen beigetreten ist, können Betroffene schneller in ihre Erstaufnahmeländer zurückgeschafft werden. Laut einem Artikel der NZZ praktizierte die konstitutionelle Erbmonarchie in der Vergangenheit eine restriktive Flüchtlingspolitik: Zwischen 1998 und 2011 seien lediglich 28 Asylgesuche bewilligt worden.

«Es ist uns aber wichtig, solidarisch mit den anderen europäischen Ländern unseren Teil der Verantwortung zu übernehmen. Deshalb beteiligt sich Liechtenstein entsprechend seiner Grösse an den Relocation-Programmen der EU», sagte der liechtensteinische Regierungschef-Stellvertreter Thomas Zwiefelhofer heute anlässlich eines Treffens mit dem Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner. Dort sind derzeit 3000 Asylbewerber in Betreuung, bis Jahresende dürften es 3500 sein.

Im Vergleich besser als die Schweiz

Angesichts dieser Zahlen ist der liechtensteinische Beitrag lediglich ein Tropfen auf den heissen Stein. Denn derzeit halten sich laut Christian Blank lediglich rund 100 Flüchtlinge im Fürstentum Liechtenstein auf - und doch komme Liechtenstein damit seinen humanitären Pflichten in genügender Form nach. «Das sind rund 3,8 Bewerber pro 1000 Einwohner. Damit befinden wir uns im europäischen Vergleich sogar im oberen Durchschnitt», betont Blank. Damit liegt der Nachbarstaat noch vor der Schweiz. Hierzulande lebten per April 2015 insgesamt 8'256'000 Menschen, demgegenüber waren Ende Oktober 26'020 Asylverfahren hängig. Pro Tausend Einwohner in der Eidgenossenschaft sind es folglich «nur» 3,1 Flüchtlinge.

Doch trotz diesem  Sieg im «Kopfvergleich» sind die Zustände im Fürstentum Liechtenstein verhältnismässig entspannt. Nur schon weil der «Wiener Walzer» zwischen Feldkirch und Buchs weiterhin keinen Halt im «Ländle» einlegt.

veröffentlicht: 2. Dezember 2015 17:29
aktualisiert: 2. Dezember 2015 17:59
Quelle: mla

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