Das sagt dein Rucksack über dich aus

· Online seit 02.02.2017, 06:00 Uhr
Der Rucksack hat sich vom Schulausflugs-Begleiter und Wander-Accessoire zur alltäglichen Universaltasche gemausert. Es gibt ihn in Tausenden von Formen, Farben und Materialien. Lese auch hier über die wichtigsten Typen.
René Rödiger
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Stilpalast

Der Bürobünzli

Dieser Typus trägt stets denselben schwarzen Nylon-Rucksack mit praktischen Reissverschluss-Fächern und gepolstertem Laptop-Innenfach. Das ästhetisch anspruchslose und meist recht formlose Ding wird bedenkenlos auch zum Anzug getragen, obwohl er dort im Schulterbereich viel Schaden anrichtet. Diese Typen tragen meist etwas eckige Schuhe mit Gummisohlen und Sportjacken über dem Büro-Outfit. In den Spiegel schauen sie seit der Hochzeit kaum noch.

Der Hipsterbeutel

Der «Kanken» von Fjäll Räven hat sich inzwischen epidemisch in der ganzen Welt verbreitet und ist inzwischen das zuverlässigste Erkennungsmerkmal für den kommunen Mainstream-Hipster mit Normcore-Tendenz. Günstig und dauerhaft, aber nicht schick. Wird meistens über dem Parka getragen, dazu gehört zwingend ein Paar ordentlich eingelaufener Converse-Sneakers.

Der Outdoor-Maniac

Dieser Mensch kleidet sich täglich so, als könne er sogleich zu einer mehrtägigen Himalaya-Expedition oder zum Nordpol aufbrechen. Seine Synthetik-Funktionsjacke raschelt laut, die Trekking-Hosen haben abtrennbare Beine und am Handgelenk tickt eine Multifunktions-Fitnessuhr. Im Rucksack befindet sich ein verschwitztes Shirt (von Odlo oder Mammut) und eine nachfüllbare Flasche mit isotonischem Sportgetränk.

Das Tussitäschchen

Dieser Rucksack tut nur so, als sei er funktional – tatsächlich ist er für seine zwergenhafte Grösse viel zu schwer und zu steif. Doch darum geht es gar nicht. Was hier zählt, ist der Glanz einer grossen Marke, und da mischt das Münchner Label MCM neuerdings wieder ganz vorne mit, trotz astronomischer Preise. Man kann diesen Rucksack natürlich brav mittig auf dem Rücken tragen, doch eigentlich wird er nur lässig über eine Schulter gehängt.

Der Rustikal-Romantiker

Dieser Mensch mag Dinge, die so aussehen, als hätte Opa schon dasselbe Modell gehabt – ewig gültig, unvergänglich und robust. Dass das nur Show ist, belegt der beliebte «Little America» von Herschel: Der Rucksack erinnert zwar an den klassischen Bergsteiger-Stil, doch er hat ein belüftetes Rückenpolster, ein Laptop-Fach und anatomisch geformte Trageriemen.

Der Technikfuzzi

Er hat immer das neueste Gadgets, iPads und Laptops in allen Grössen und Leistungklassen, schleppt ein Arsenal von Akkus und Ladekabeln mit sich herum und unterhält Parallel-Existenzen auf Xing, Linkedin, GooglePlus sowie natürlich auf Facebook und Tinder. Das Leben ist vernetzt, er fährt Tesla oder Uber, bestellt sein Abendbrot online und kann seine Waschmaschine von unterwegs steuern. Die Zentrale hierzu sitzt kompakt und futuristisch gestylt auf dem Rücken.

Der Freak

Er kauft seine Kleidung grundsätzlich bei Caritas, trägt diese, bis sie auseinanderfällt, schneidet das Haar nur unter Androhung von Haft und kombiniert im Winter handgestrickte Wollsocken zu seinen geschätzten Heilandsandalen. Sein Rucksack ist ein formloser, einfacher Beutel aus fair produziertem Ethno-Textil, in dem sich Utensilien zum Selberdrehen von Zigis, ein peruanischer Poncho, eine Thermosflasche mit Tee, ein Traumfänger und eine zermatschte Max-Havelaar-Banane befinden.

Der Luxuslümmel

Sein Stil ist nachlässig, aber sorgfältigst komponiert. Es sieht zufällig aus, doch das ist es nicht: Die Codes sind für Eingeweihte sehr wohl lesbar. Zur Bomberjacke von Vetements trägt er Skinny-Jeans von Acne, ein Paar Camouflage-Sneakers von Valentino und auf dem Rücken ein Canvas-Rucksack, der aussieht, als hätte er ihn einem Schüler gestohlen, der aber tatsächlich ein gesuchtes und teures Stück von Gucci ist.

Der Essenzialist

Er kauft wenig, dafür richtig und dauerhaft. Seine Wohnung ist spärlich eingerichtet, sogar ein bisschen studentisch, doch er lebt auch kaum dort, er ist ein «urbaner Nomade». Sein Büro ist ein trendiger Coworking-Space, seine Klamotten sind funktionale Basics und eher casual, das Haar ist seitlich scharf ausrasiert und das Instagram-Profil virtuos mit allen möglichen tollen Ideen befüllt. Der Rucksack dazu: schlicht, auf den Punkt!

Der Nihilist

Er ist grundsätzlich und immer der Meinung, als einfacher «Büezer» von den grossen, bösen Konzernen reingelegt zu werden und für alles zu viel zu bezahlen. Er nimmt darum lange Wege in Kauf, um jenseits der Grenze nach möglichst günstigen «Schnäppchen» zu suchen. Sein gesamtes Outfit ist keine 200 Franken wert, davon entfallen 25 Franken auf einen armseligen Fake-Authentik-Rucksack aus lappigem Kunststoff, der so tut, als sei er irgendwie noch ein bisschen hip. Dabei ist er nach zwei Monaten schon defekt.

Der Party-Säufer

Dieser Rucksack ist eigentlich ein tragbarer Kühlschrank und fasst mehrere Liter Bier in Dosen, die von Kühlelementen auf Temperatur gehalten werden. Er gehört einem schon in jungen Jahren etwas zu dick gewordenen Spiegeltrinker, der von Donnerstagabend bis Montagmorgen immer leicht einen sitzen hat und darum kaum noch dazu kommt, seine Shirts zu waschen, geschweige denn zu bügeln. Auch das Rasieren kommt zu kurz – dafür ist mehr Geld für Bier da. Die Dosen lässt man, als Zeichen seiner Präsenz, am Ort des fröhlichen Komatrinkens zurück, auch im Stadtpark oder in der freien Natur.

Jeroen Van Rooijen

veröffentlicht: 2. Februar 2017 06:00
aktualisiert: 2. Februar 2017 06:00

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