Das traurige Leben des Milliardärs Erb

10.04.2017, 14:03 Uhr
· Online seit 10.04.2017, 13:17 Uhr
Der Zusammenbruch des Erb-Imperiums war nach dem Swissair-Grounding der zweitgrösste Firmenkonkurs der Schweizer Geschichte. Den einstigen Milliardär Rolf Erb ist nun überraschend am Samstagabend tot in seinem Schloss aufgefunden worden. Ein Interview mit Thomas Buomberger, der Erb seit der Primarschule kannte.
Lara Abderhalden
Anzeige

Rolf Erb hatte alles verloren, was ihm in seinem Leben wichtig war. Und das war vor allem eins: Geld. Er stand kurz bevor, eine siebenjährige Haftstrafe anzutreten, ausserdem hätte er am 1. Mai 2017 aus dem Schloss Eugensberg im thurgauischen Salenstein ausziehen müssen. Dazu kam es aber nicht. Rolf Erb wurde am Samstag tot in seinem Schloss gefunden. Noch weiss man nicht, was die Todesursache war, alles spricht aber für einen Suizid.

Der Winterthur Journalist und Historiker Thomas Buomberger hat den Aufstieg und Fall des Erb-Unternehmens in seinem Buch «Die Erb-Pleite» geschildert. Darin erzählt er über das Erb-Imperium und wie es zum Untergang kommen konnte. Thomas Buomberger kannte Rolf Erb aus der Primarschule, hatte aber seither keinen Kontakt mehr, da Erb bis zuletzt jeglichen Kontakt mit dem Journalisten ablehnte. Wir haben mit Thomas Buomberger über Erbs Tod gesprochen.

Thomas Buomberger, Sie haben sich intensiv mit dem Leben von Rolf Erb auseinander gesetzt, wie war ihre erste Reaktion, als sie vom Tod Erbs erfahren haben?

Ich war ehrlich gesagt nicht wahnsinnig erstaunt. Er sagte immer, er wolle nicht aus diesem Schloss heraus. Bereits nach dem ersten Prozess vor dem Bezirksgericht Winterthur sagte er, er wolle in diesem Schloss sterben. Es war fast folgerichtig, dass es so kommen musste, auch wenn man im Moment noch nichts Genaues zur Todesursache sagen kann. Ich sagte in seinem Bekanntenkreis schon länger, dass es mich nicht erstaunen würde, sollte es zu einem Suizid kommen.

 

«Ich war nicht wahnsinnig erstaunt über seinen Tod»

 

Glauben Sie an einen Selbstmord?

Die Hypothese, dass er Suizid begangen hat, scheint mir plausibel zu sein.

Warum glauben Sie an einen Suizid?

Rolf Erb hat sich die ganze Zeit immer der Verantwortung entzogen. Das hat auch der Prozess gezeigt. Er hat die Schuld für das Versagen, die Fehler, die gemacht wurden, letztlich auch den Grund für den Untergang des Firmenimperiums immer bei anderen gesucht. Er hat die Verantwortung nie auf sich genommen. Für ihn war der Suizid, sollte es denn Suizid gewesen sein, der letzte Schritt, sich der Verantwortung zu entziehen.

 

«Der Suizid war der letzte Schritt, sich der Verantwortung zu entziehen»

 

Wollte er sich zurecht der Verantwortung entziehen? War es tatsächlich der Vater, der, wie Rolf Erb immer wieder behauptete, ihn und die Firma in den Ruin stürzte?

Der Vater hat höchstens bei der Erziehung Fehler gemacht. Letztlich liegt die Verantwortung für den Niedergang des Unternehmens aber bei Rolf Erb. Der Vater war schon verstorben, als das Unternehmen bankrott ging. Ich denke, es waren vor allem die spekulativen Finanzgeschäfte, die Immobilienanlagen im Osten Deutschlands, die dem Unternehmen das Genick gebrochen haben und für diese Transaktionen war in erster Linie Rolf Erb verantwortlich. Er war auch Verwaltungsratspräsident der meisten Gesellschaften, die zum Imperium gehörten. Zudem hat das Gericht klar festgestellt, dass er Betrug und mehrfache Urkundenfälschung begangen hat. Es gibt keinen Zweifel, dass die Verantwortung für den Untergang bei ihm lag.

Sie kannten Rolf Erb aus der Primarschule, wie würden Sie sein Leben beschreiben? Hatte er ein trauriges Leben?

Man kann sagen, dass er nicht wirklich eine wahnsinnig glückliche Kindheit und Jugend gehabt hat. Er hat in seiner Kindheit sehr wenig Zuneigung der Eltern bekommen. Dafür hatte er viele materielle Güter. Er konnte schon als Kind und Jugendlicher mit Geld um sich werfen und das war vielleicht nicht gerade förderlich für seinen Charakter.

Wie würden Sie Rolf Erbs Charakter beschreiben?

Das entzieht sich ein Stück weit meinem Urteilsvermögen, weil sich Erb ja immer geweigert hat, mit mir persönlich zu sprechen. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass Erb ein Familienmensch war. Vor allem aber war er ein Workaholic. Meines Wissens nach verliess er immer morgens um 6 Uhr das Schloss in Salenstein und ging in seine Firma. Er hat sehr viel gearbeitet. Allerdings ist es schwierig, einen Menschen aus der Distanz zu charakterisieren.

 

«Rolf Erb war ein Workaholic»

 

Rolf Erb hat versucht, die Gefängnisstrafe abzuwenden, indem er Selbstmordgedanken äusserte. Das Gericht entschied sich aber vor zwei Wochen dafür, dass Rolf Erb die siebenjährige Haftstrafe dennoch antreten müsse, ein Suizid sei im Gefängnis weniger wahrscheinlich als in Freiheit. Könnte ihn das Gerichtsurteil zum Suizid getrieben haben?

Das sind nur Spekulationen. Dazu möchte ich nichts sagen.

Warum hängte er so fest am Schloss Eugensberg und hat sich vehement gegen den Auszug gewehrt?

Zum einen ist es natürlich viel angenehmer in diesem Schloss mit 45 Zimmern und wunderschöner Lage oberhalb des Bodensees, als in einer engen Gefängniszelle. Zum anderen war er subjektiv immer davon überzogen, dass er sich nichts hatte zu Schulden kommen lassen.

Rolf Erb 1951 bis 2017

1920 gründete der Grossvater Rolf Erbs die Firma mit einer Autoreperaturwerkstätte in Winterthur Töss. Rolf wuchs mit seinen Brüdern Heinz und Christian auf. Eigentlich wäre Heinz als Firmennachfolger vorgesehen gewesen, er starb aber im Alter von 23 Jahren bei einem Autounfall in Deutschland. Rolf Erb erbte die Erb Gruppe zusammen mit seinem querschnittgelähmten Bruder Christian. Bis zum Jahre 2003 gehörten den beiden weltweit über 80 Firmen, die mit 5000 Angestellten einen Umsatz von 4,5 Milliarden Franken erwirtschafteten.

Konkurs nach dem Tod des Vaters

Im Jahr 2003 starb der Vater von Rolf Erb, Hugo Erb, an Krebs. Teile der Erb Gruppe mussten Konkurs anmelden. Mit einer Forderungshöhe von 2,4 Milliarden Franken ist der Erb-Zusammenbruch der zweitgrösste Konkurs in der Schweiz nach der Pleite der Swissair im Jahre 2002. Bei der Sanierung kam heraus, dass bei Rolf Erb nicht immer alles mit rechten Dingen zu und her ging. So wurde ihm vorgeworfen, insgesamt 400 Millionen Franken unterschlagen zu haben.

Haftantritt wäre Anfang April gewesen

Im Jahr 2012 wurde Erb vom Bezirksgericht Winterthur wegen Betrugs und mehrfacher Urkundenfälschung und Gläubigerschändigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Diese Strafe wurde später um ein Jahr gesenkt. Das Schloss Eugensberg sollte auf Anordnung des Gerichts zwangsversteigert werden. Bis zuletzt konnte Erb seinen Haftantritt immer wieder mit Gesundheitsattesten und Rechtsmitteln verzögern. Das Verwaltungsgericht legte schliesslich den Strafantritt auf den 5. April 2017 fest. Am 1. Mai 2017 hätte die Familie Erb das Schloss definitiv verlassen müssen.

 

veröffentlicht: 10. April 2017 13:17
aktualisiert: 10. April 2017 14:03
Quelle: abl

Anzeige
Anzeige