«Das war nicht mein letztes Engagement»

14.02.2017, 09:20 Uhr
· Online seit 12.02.2017, 09:02 Uhr
Das abgeschlossene Studium im Sack, die befristete Stelle fertig und vier Wochen Zeit, bevor man sich wieder in die Arbeit stürzt. Einige würden in diesen vier Wochen die Zeit zuhause geniessen, andere zieht es in die Ferne, auf eine Reise. Die St.Gallerin Fabienne wollte mit ihrer Zeit etwas Sinnvolles machen - und ging nach Griechenland in ein Flüchtlingscamp.
Fabienne Engbers
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Ich reise sehr gerne und lerne dabei gerne neue Kulturen kennen, sagt die 29-jährige Fabienne. Gleichzeitig wollte sie schon seit Langem anderen Menschen helfen. Deshalb entschied sie sich, ihre vier Wochen Ferien zwischen der einen und der anderen Arbeitsstelle in einem Flüchtlingscamp zu verbringen.

Über Medienberichte ist die 29-Jährige auf die Organisation Swisscross aufmerksam geworden. Per Mail hat sie der Organisation geschrieben, dass sie gerne helfen würde. «Zurück kam die Antwort: ‹Sag uns, wann du ankommst, dann geben wir dir weitere Informationen.›», erzählt Fabienne. Da sass sie bereits mit einem Bein im Flugzeug.

«Sie gaben uns viel, auch wenn sie nichts hatten»

In Griechenland kam sie in ein Flüchtlings-Camp. Die Kinder dort können nicht in die öffentliche Schule. Deshalb hat die Organisation Swisscross ein Camp für Kinder eingerichtet, in welchem sie auch zur Schule gehen. In dieser Schule war Fabienne hauptsächlich im Einsatz. «Man konnte den Kindern ein Lachen aufs Gesicht zaubern, wenn man morgens ins Camp kam». Viele der Flüchtlinge waren jahrelang nicht in der Schule. «Das ist schon erschreckend, denn für mich liegt der Schlüssel für die Zukunft in der Bildung».

«Die Leute im Camp waren extrem gastfreundlich. Sie luden uns in ihre Zelte ein, zum Kaffee, zum Tee oder auch zum Essen. Sie waren extrem gastfreundlich, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Leute fast nichts besitzen», sagt die 29-Jährige. Am Nötigsten fehlt es den Flüchtlingen in diesem Camp nicht. Sie haben ein Zelt, Nahrung und Kleidung. «Seit einem Jahr hausen die Menschen in den Zelten und jetzt geht es vor allem darum, den Menschen zu zeigen, dass man sie nicht vergisst. Ihr gesamter Alltag ist leer und sie wissen einfach nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen».

«Man kann ihnen die Verzweiflung nicht abnehmen»

Das grösste Problem in den Flüchtlingscamps ist für Fabienne die Perspektivlosigkeit der Flüchtlinge. «Einige sind Geschäftsmänner, andere sind Handwerker oder Hausfrauen. Sie wissen nicht, wo sie hin können oder was sie tun können, das treibt sie zur Verzweiflung». Viele der Flüchtlinge im Camp kamen aus Syrien. «Wenn sie könnten, würden sie wieder zurück, aber sie können nicht, ihre Häuser sind zerbombt, sie haben alles verloren.» Weil die Flüchtlinge oft nur schlecht englisch sprechen, musste sich Fabienne mit Händen und Füssen verständigen oder den Übersetzer auf dem Handy zur Hilfe nehmen. «Das war ein bisschen schade, ich hätte gerne mehr über die Menschen erfahren».

«Die meisten haben oft gelacht»

Trotz ihrem Schicksal und ihrer schwierigen Situation hätten die Flüchtlinge oft gelacht. Die 29-Jährige fand das eindrücklich. «Wenn man ihnen in die Augen schaut und weiss, was sie schon hinter sich haben und was auf sie noch zukommen wird, ist das sehr traurig», sagt Fabienne. «Es macht einen sprachlos, wenn man die Kinder sieht und weiss, dass ihnen quasi die Zukunft genommen wurde».

Der Abschied aus Griechenland ist der 29-jährigen Juristin nicht ganz einfach gefallen. «Man weiss, man steigt in ein Flugzeug und kann einfach wieder zurück, während es die Flüchtlinge so schwer haben, irgendwo anders hin zu kommen und eine Perspektive zu haben. Das gab mir ein schlechtes Gewissen und ich fragte mich, warum ausgerechnet ich so privilegiert bin und das Camp einfach so verlassen darf.»

«Man muss den Luxus schätzen lernen»

Nun, da die St.Gallerin wieder in ihrer Heimat ist, merkt sie, wie viele Privilegien wir geniessen dürfen. «Jetzt muss ich lernen, das zu schätzen. Mein Bewusstsein für diesen Luxus ist grösser geworden». Mitgenommen hat sie auch das Bewusstsein, dass sie sich weiter engagieren will. «Ich habe gemerkt, dass sich mein Engagement mit diesen vier Wochen in Griechenland noch nicht erledigt hat.»

Das Gespräch mit Fabienne aus St.Gallen wurde im Rahmen der FM1-Sendung Gott und d'Wält aufgezeichnet. Das Interview mit ihr führten FM1-Moderator Beni Hofstetter und FM1-Pfarrerin Charlotte Küng. Die Radio-Beiträge kann man hier nachhören:
16. Juli 2019 - 17:45

Gott und d'Wält: Eine St.Galler Flüchtlingshelferin war in Griechenland 1


16. Juli 2019 - 17:45

Gott und d'Wält: Eine St.Galler Flüchtlingshelferin war in Griechenland 3

16. Juli 2019 - 17:45

Gott und d'Wält: Eine St.Galler Flüchtlingshelferin war in Griechenland 2

veröffentlicht: 12. Februar 2017 09:02
aktualisiert: 14. Februar 2017 09:20
Quelle: enf

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