Der Kampf mit den fernöstlichen Hierarchien

21.02.2018, 16:28 Uhr
· Online seit 21.02.2018, 16:17 Uhr
Als aktive Alpin-Snowboarder gewannen Simon und Philipp Schoch jeden erdenklichen Titel. Ihr Wissen teilen sie nicht erst seit dem Ende ihrer Karrieren mit einem Privatteam in Japan.
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Mitte der 2000er-Jahre hamsterten die Brüder aus dem Tösstal Titel zuhauf: Der 38-jährige Philipp Schoch wurde zweimal in Folge Olympiasieger (2002 und 2006), gewann zweimal WM-Silber, einmal den Alpin-Weltcup und 15 Weltcup-Rennen. Sein ein Jahr älterer Bruder Simon wurde 2006 in Turin hinter Philipp Olympia-Zweiter, holte Gold an der Heim-WM 2007 in Arosa (vor Philipp) und dazu drei weitere WM-Medaillen sowie 29 Weltcup-Podestplätze.

Seit dem Rücktritt 2014 arbeitet das Duo hauptsächlich als Geschäfts- respektive Bauführer im Strassenbau-Geschäft des Vaters in Fischenthal. Ohne Snowboard geht es für die beiden Familienväter aber nicht. Sie sind im Winter an den Weltcup-Rennen und aktuell an den Olympischen Spielen in Südkorea als Teil des Privatteams der Japanerin Tomoka Takeuchi dabei. «Wir sind die Mädchen für alles, übernehmen Funkposten an den Strecken, geben ihr Feedback», beschreibt Simon Schoch die Rolle.

Takeuchi spielte vor allem im zweiten Teil der Laufbahnen der beiden Schweizer einen nicht gerade unbedeutenden Part. 2007 hatte es die Alpin-Fahrerin gewagt, sich gegen die streng geregelten Strukturen und Hierarchien des nationalen Verbandes aufzulehnen und diese zu durchbrechen. «Sie war eine kleine Revoluzzerin», erzählt Simon Schoch. «Tomoka brach aus, hatte Erfolg und öffnete damit anderen Athleten die Türe.» Mittlerweile sind in Japan auch ausländische Profitrainer engagiert, ebenso wie zum Beispiel die Eisschnellläufer in Europa trainieren, um den nächsten Schritt zu schaffen.

Takeuchi hatte sich im Alter von gut 23 Jahren wegen sportlichem Stillstand einem europäischen Team anschliessen wollen. Im zweiten Anlauf und nach der Absage anderer Verbände erhielt sie das Okay von Swiss-Snowboard. Sie zog zu einer Familie in die Schweiz, lernte innert drei Monaten deutsch und sog die neuen Gepflogenheiten ausserhalb Asiens geradezu auf. «Sobald sie die Sprache einigermassen verstand und sprach, begann sie, uns Löcher in den Bauch zu fragen», erzählt Philipp Schoch.

So rasch sich die Verständigung verbesserte, so sehr stellte sich die hierarchische Denkweise als Knacknuss heraus. Simon Schoch: «Gewisse Entscheide waren und sind für Europäer nicht nachvollziehbar. Es geht meistens um Prinzipientreue.»

Die Schoch-Brüder merkten nach der offiziellen Integration in Takeuchis 2011 gegründetes Privatteam mit dem österreichischen Trainer Felix Stadler, wieso Takeuchis ganz grossen Erfolge bis dahin ausgeblieben waren: «Sie wollte den Leuten in Rennen nie ein schlechtes Gefühl geben. Sie sagte uns: ‹Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich meine beste Kollegin (die Österreicherin Claudia Riegler) bezwinge›. Wir mussten ihr einbläuen, dass man mit dieser Einstellung keinen Rennen gewinnt.»

Ihren bislang einzigen Weltcup gewann Takeuchi am 21. Dezember 2012, an ihrem 29. Geburtstag, auf einem Brett der Schoch-Marke Black Pearl. Nur ein Ergebnis toppte dies noch. Vor vier Jahren in Sotschi holte die längst zur guten Freundin der Schochs gewordene Japanerin Olympia-Silber hinter der Schweizerin Patrizia Kummer. Falls sie dieses Resultat in Südkorea wiederholen kann, wäre das angesichts des bisherigen Saisonverlaufs eine mittelgrosse Überraschung: Takeuchi überstand die erste Runde in diesem Winter nie.

veröffentlicht: 21. Februar 2018 16:17
aktualisiert: 21. Februar 2018 16:28
Quelle: SDA

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