Der Zweitklässler auf Mäusejagd

· Online seit 29.04.2017, 09:51 Uhr
«Rufen Sie O.K. und Ihre Mäuse sind K.O.» Mit diesem Werbeslogan überzeugte Oliver Kauderer während seiner Primarschulzeit die Bauern in seiner Nachbarschaft und wurde als Mäusefänger engagiert. Ab der zweiten Klasse führte er ein lukratives Geschäft. Für die Bauern in der Umgebung war er ein Geschenk.
Fabienne Engbers
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Mittlerweile ist Oliver Kauderer 18 Jahre alt und in der Lehre zum Zimmermann. Vor fünf Jahren hängte er sein erstes eigenes Geschäft, den «O.K. Mauser Service», an den Nagel. «Es war neben der Sek einfach zu zeitaufwendig.» Einen Nachfolger fand er nie. Seine Tipps gibt er aber gerne an die Mauser von heute weiter.

«Ich war einfach gerne draussen»

In der Primarschule war Oliver Kauderer aus Steinebrunn jeden Tag rund drei Stunden auf den Feldern, um seine Mäusefallen aufzustellen oder einzusammeln. Das doch eher makabere Hobby faszinierte den damals Neunjährigen. «Ich war viel in der Natur und es diente einem guten Zweck. Die Mäuse haben den Bauern die Felder zerstört. Die Bauern waren froh, habe ich ihnen geholfen», sagt Oliver.

Oliver Kauderer stellte den Mäusen Fallen in ihren Gängen. Diese hat er selbst dort installiert, einen Tag später ist er die Fallen wieder abgelaufen, um die toten Mäuse einzusammeln. Gearbeitet hat er immer mit Handschuhen, «damit die Mäuse den Menschengeschmack nicht riechen.» Dass die Mäuse in Olivers Fallen starben, hat ihn als Bub nicht gestört. Niedliche oder nützliche Tiere hätte er nicht getötet. «Ich hätte zum Beispiel niemals eine Spitzmaus fangen können.»

Das Geschäft florierte

Ein sehr angenehmer Nebeneffekt seines Hobbys war, dass Oliver Kauderer sich damit sein Sackgeld verdiente. In Spitzenjahren waren es über tausend Franken, die am Ende der Saison auf dem Sparkonto landeten. 600 Mäuse hat Oliver in diesen Zeiten gefangen. Dafür hat er aber auch viel geschuftet, die Mausersaison dauert von März bis August. Auch am Wochenende und bei Eiseskälte oder strömendem Regen war Oliver Kauderer auf Mäusefang.

Ausserdem hat der Steinebrunner sein Geschäft schon fast professionell betrieben. «Ich führte ein Journal, in dem ich genau festhielt, auf welchem Feld ich wie viele Mäuse fing.» Anhand dieses Journals wurde er am Ende des Monats von den Bauern bezahlt. Medien berichteten in den vergangenen Wochen von Mäusejägern, die von den Bauern nach Mäuseschwänzen bezahlt werden. Oliver Kauderer hat das Geschäft auf Vertrauensbasis geregelt. «Ich bin bei den Bauern vorbei gegangen, einen Beweis dafür, wie viele Mäuse ich gefangen habe, brauchte ich nie mitzubringen.»

Mit dem Velo unterwegs

Der 18-Jährige hatte für sein Geschäft auch ein eigenes Fahrzeug - sein präpariertes Mauservelo. «Das Velo hatte ein Körbchen hintendrauf, in dem alle meine Werkzeuge Platz hatten. Ausserdem war mein Logo und mein Spruch auf dem Velo, damit man es erkannte», sagt Oliver Kauderer.

Mit dem Velo fuhr er mehrere Kilometer zu den Bauern. Der weite Weg machte ihm nichts aus. «Am Ende meiner Karriere ging ich manchmal mit dem Töffli, aber das hat mir nicht so gepasst, irgendwie hat mich der Lärm gestört.»

«Pro zehn Mäuse eine Maus gratis»

Während seinen Geschäftsjahren hat Oliver Kauderer immer wieder neue Ideen gehabt. «In einem Jahr habe ich eingeführt, dass jede zehnte Maus, die ich fange, für die Bauern gratis ist.» Ausserdem ist sein Preis fürs Mäuse Fangen von den Anfängen bis zum Ende gestiegen. «Die Füchse haben mir oft Fallen mitsamt der Maus drin geklaut, deshalb musste ich den Preis erhöhen, damit ich nicht rote Zahlen schreibe.» Beim Geschäften geholfen hat Oliver sein Vater.

Eine weitere glorreiche Idee von Oliver Kauderer war der Weiterverkauf der Mäuse nach dem Fang. «Nach ein paar Jahren kam ein Wildhüter zu mir und bot mir an, die toten Mäuse zu kaufen.» Also installierte Oliver Kauderer einen Tiefkühler und fror die toten Mäuse ein, bis der Wildhüter die Tiere abholte. Dieser verfütterte die Mäuse dann seinen Greifvögeln. 50 Rappen pro Maus bekam Oliver Kauderer so nochmals obendrauf.

Potentielle Nachfolger blieben aus

Oliver Kauderer ist sich nicht sicher, ob er heute wieder dasselbe Hobby wählen würde. «Wenn ich jetzt darüber nachdenke, war es schon grausam, ich habe meine Freizeit damit verbracht, Tiere zu töten.»

So viel Elan wie Oliver Kauderer hat nach ihm niemand mehr ins Mausen gesteckt. «Es gab einmal einen Jungen aus der Nachbarschaft, der manchmal mitkam, aber der hatte nicht so den Biss.» Das zeitaufwendige Hobby wollte niemand in der Intensität weiterführen, in der es Oliver Kauderer in seiner Kindheit tat. «Es war halt meine Leidenschaft.»

veröffentlicht: 29. April 2017 09:51
aktualisiert: 29. April 2017 09:51
Quelle: enf

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