Die Ostschweiz sucht den nächsten Bundesrat

20.10.2015, 12:01 Uhr
· Online seit 20.10.2015, 11:51 Uhr
In der Schweizer Politik gibt es einige Wahrheiten, an denen nicht gerüttelt werden darf. So zum Beispiel, dass vor Bundesratswahlen alle möglichen und unmöglichen Kandidaten gehandelt werden - und am Ende jemand völlig Unerwartetes gewählt wird.
René Rödiger
Anzeige

Die SVP war die grosse Gewinnerin der letzten Wahlen. Und will einen zweiten Bundesratssitz. Nun ist das nicht ganz so einfach. Die anderen Parteien meinen, dass die SVP ja selbst schuld ist, dass sie diesen nicht mehr hat. Schliesslich wurde Evelin Widmer-Schlumpf als SVP-Politikerin in den Bundesrat gewählt. Wenn die Partei sie deshalb ausschliesst, ist das eine parteiintere Angelegenheit.

Andererseits ist es schon ein bisschen komisch, dass deshalb eine Kleinstpartei wie die BDP eine Bundesrätin hat. In der Vergangenheit hat sich bewährt, wenn die drei im Parlament stärksten Parteien je zwei Bundesräte stellen und die viertstärkste Partei den siebten («Zauberformel»).

Das Wahlverfahren

Der Bundesrat wird von der vereinigten Bundesversammlung gewählt, also von National- und Ständerat. Man muss deshalb die Parteistärke der Parteien über beide Kammern betrachten. Auch wenn noch nicht alle Ständeräte gewählt sind und die absoluten Parteistärken erst nach den zweiten Wahlgängen bestimmt werden können, ist klar, dass die SVP zu den drei stärksten Parteien im Parlament gehört. Zusammen mit der SP und der FDP, die ebenfalls zwei Bundesräte stellen dürften. Der siebte Bundesrat würde von der CVP kommen.

Aber: Tritt Eveline Widmer-Schlumpf überhaupt zurück? Und macht damit den Weg für die SVP frei? Würde sie andernfalls abgewählt werden und kann sich die Bundesversammlung auf eine SVP-Kandidatin oder einen SVP-Kandidaten einigen? Wagen wir mal den Blick in die Glaskugel und hoffen, dass die neue SVP-Bundesrätin oder der neue SVP-Bundesrat wieder aus der Ostschweiz kommt.

Der «ewige Spuhler»

Vor Bundesratswahlen immer gehandelt wird der ehemalige Nationalrat und Thurgauer Unternehmer Peter Spuhler. Der Stadtler-Rail-Chef winkt auch genauso regelmässig ab. Er müsse sich um sein Unternehmen kümmern, das er im Falle einer Wahl wohl verkaufen müsste. Für ihn spricht, dass er auch ausserhalb der SVP ein geschätzter Politiker ist. Er wäre einer, der nicht immer nur die SVP-Linie verteidigt. Das macht ihn auch für die anderen Parteien wählbar.

Ebenfalls aus dem Thurgau sind Ständerat Roland Eberle oder Nationalrätin Verena Herzog. Beide sind über den Kanton hinaus bekannt. Für Eberle spricht, dass er als Agronom und ehemaliger Geschäftsführer des Thurgauer Bauernverbandes eine wichtige Lobby hinter sich weiss. Zudem ist er im Verwaltungsrat der Axpo - nicht zu unterschätzen. Als ehemaliger Regierungsrat kann er auch mit Exekutiverfahrung punkten. Schwieriger wird es für Herzog. Sie rückte 2012 für Spuhler in den Nationalrat nach. Ihre Politik ist auch für SVP-Verhältnisse sehr konservativ geprägt. Das dürfte Stimmen kosten.

Götte oder Huser?

Wagen wir also den Blick nach St.Gallen. Welche SVP-Politiker haben hier Bundesratspotenzial? Michael Götte, der Gemeindepräsident von Tübach? Vielleicht ist er noch zu jung für einen Bundesratsjob. Andererseits ist er in der Ostschweiz bestens bekannt und ambitioniert genug wäre er. Oder sitzt die Niederlage im St.Galler Regierungswahlkampf von 2012 noch zu tief in den Knochen?

Dann wäre da noch Herbert Huser, Präsident der St.Galler SVP und Architekt aus Altstätten. Seine umgängliche Art hat ihn auch ausserhalb der SVP zu einem geschätzten Politiker gemacht. Allerdings hat er den Ruf, öfters überhastet zu agieren. So zum Beispiel bei einem möglichen neuen Spitalstandort in St.Gallen.

Sicher genug Ambitionen auf einen weiteren politischen Schritt hat Barbara Keller-Inhelder aus Rapperswil-Jona. Ein Nachteil wäre hier vielleicht ihre CVP-Vergangenheit, viele ehemalige Parteikollegen haben ihr den Wechsel 2008 - nur zwei Monate nach der Wahl in den Kantonsrat - zur SVP noch immer nicht verziehen.

Brand-Heiss oder Familienerbe?

Oder wird der Ausserrhoder Regierungsrat Köbi Frei nach Bern berufen? Er könnte als Chef des Finanzdepartements sicher rasch die Dossiers von Widmer-Schlumpf übernehmen, sollte er denn ihr Departement bekommen. Zudem wurde er in der Vergangenheit schon als möglicher Bundesrat gehandelt. Vielleicht kommt ihm aber die «Spesen-Affäre» des Spitalverbunds in die Quere.

Auch aus Graubünden, dem Heimatkanton von Eveline Widmer-Schlumpf, könnte ihre Ablösung kommen. Am heissesten gehandelt wird da natürlich Heinz Brand, Präsident der SVP Graubünden. Er ist bei den aktuellen Wahlen nicht als Ständeratskandidat angetreten - ein mögliches Zeichen? Oder scheut er die Personenwahl?

Kaum Scheu vor der breiten Öffentlichkeit hat eine andere Politikerin aus Graubünden. Und den berühmten Alt-Bundesrat-Vater (wie Widmer-Schlumpf) ebenfalls: Magdalena Martullo-Blocher. Sozusagen mit den «seven sinking steps» zu den «seven sinking stars» im Bundeshaus.

(rr)

Hier kannst Du wählen.

veröffentlicht: 20. Oktober 2015 11:51
aktualisiert: 20. Oktober 2015 12:01

Anzeige
Anzeige