Drei Punkte fehlten für die Konfirmation

22.01.2017, 08:32 Uhr
· Online seit 22.01.2017, 07:22 Uhr
In Widnau hat die Kirche einem 15-jährigen die Konfirmation verweigert, weil er zu wenig Punkte gesammelt hatte. Aus Protest ist seine Familie per Ende Jahr aus der Kirche ausgetreten. Das ist zwar ein Einzelfall, doch Probleme mit dem Punktesystem gibt es immer wieder. Entsprechend heftig sind die Diskussionen in den Sozialen Medien.
Angela Mueller
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Der Brief landete während der Adventszeit bei der Familie E. aus Widnau im Briefkasten: Weil ihr jüngster Sohn nicht die nötigen 30 Punkte erreicht hatte, wird er von der Vorsteherschaft der reformierten Kirchgemeinde Widnau-Diepoldsau-Kriessern nicht zur Konfirmation im Frühling zugelassen. «Dabei war er doch am Sonntag zuvor noch in der Kirche», sagt Mutter C. E. «Er hat wirklich seinen guten Willen gezeigt.» Der Stichtag war allerdings am 30. November abgelaufen und der 15-Jährige hatte bis dahin nur 27 Punkte gesammelt, dies, nachdem die Frist bereits um fünf Monate verlängert wurde.

Heftige Reaktionen auf Facebook

Der Entscheid hat die Familie schockiert und enttäuscht. «Es kann doch nicht sein, dass ein junger Mensch nach einem Punkte-Schema beurteilt wird», sagt die Mutter. Per Ende Dezember ist das Ehepaar, das vier Söhne christlich aufgezogen hat und nach wie vor hinter dem Glauben steht, aus der Kirche ausgetreten. «Wir können nicht in einer Kirche verbleiben, in der unser Sohn nicht als vollwertiges Mitglied aufgenommen wird.»

Der Fall hat heftige Reaktionen ausgelöst, nachdem «Der Rheintaler» den Fall publik machte. «Ich habe den Bericht bei mir auf Facebook gepostet und unzählige Kommentare dazu erhalten», sagt C. E. Sie bedauert vor allem, dass ihr Sohn nicht nach seinem sozialen Engagement beurteilt wird. «Er ist ein sehr engagierter Hilfsleiter bei der Jungwacht und im Fussballclub aktiv. Doch das zählt für die Kirche nicht.»

Im Ermessen der Kirchgemeinden

Welche Voraussetzungen junge Leute erfüllen müssen, um konfirmiert zu werden, liegt im Ermessen der einzelnen Kirchgemeinden. Von Seiten der Landeskirche gibt es keine Vorschriften und wird in jedem Kanton anders gehandhabt. Von der kantonaler Ebene der evangelisch-reformierten Kirche St.Gallen wird vorgeschrieben, dass Jugendliche 30 bis 50 Stunden im Gottesdienst oder in einem kirchlichen Erlebnisprogramm absolvieren, bevor sie den Konfirmationsunterricht besuchen dürfen.

Alle Kirchgemeinden im Kanton St.Gallen kennen ein Punktesystem, das vor fünf Jahren eingerichtet wurde. Die Jugendlichen haben zwei Jahre Zeit, um die nötigen 30 Punkte zu sammeln. «Grundsätzlich sind wir sehr zufrieden mit diesem Punktesystem», sagt Andreas Ackermann, Sprecher der evangelisch-reformierten Kirche St.Gallen. Doch er räumt ein: «Es gibt immer wieder Diskussionen, allerdings in letzter Zeit nicht mehr so oft.» Letztlich würde aber niemandem die Konfirmation verwehrt, der sie wirklich wolle.

«Bedauerlicher Fall»

Dass in Widnau nun eine Familie aus der Kirche ausgetreten ist findet er «sehr bedauerlich». Bei der kantonalen evangelisch-reformierten Kirche ist kein zweiter Fall bekannt, bei dem es zu Kirchenaustritten wegen verweigerter Konfirmation kam.

Auf Kirchgemeinde-Ebene hält man am Entscheid fest: Wer sich für die Konfirmation entscheidet, müsse sich an die Spielregeln halten, sagt Käthi Witschi, Präsidentin der Vorsteherschaft der reformierten Kirchgemeinde Widnau-Diepoldsau-Kriessern zum «Rheintaler».

Der 15-Jährige bekommt die Gelegenheit, den Unterricht ab nächstem Sommer zu besuchen und im Frühling 2018 konfirmiert zu werden. «Dann wird er aber mit der Lehre beginnen und gleichzeitig auch Leiter bei der Jungwacht. Ich denke, er hat dann genug Herausforderung und Verantwortung zu tragen», sagt seine Mutter.

Hätte der Junge konfirmiert werden sollen?

veröffentlicht: 22. Januar 2017 07:22
aktualisiert: 22. Januar 2017 08:32

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