«E guets Neus» zum Zweiten

13.01.2016, 06:07 Uhr
· Online seit 12.01.2016, 05:56 Uhr
Heute ist Alter Silvester: Wem der Start ins neue Jahr nicht ganz wunschgemäss gelungen ist, der darf noch einmal voller Elan beginnen. Den widerspenstigen Ausserrhodern ist es zu verdanken, dass Silvester gleich zweimal stattfindet.
Christine König
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Die Silvesterchläuse kommen aus dem Chlausenfieber nicht mehr heraus. Der 31. Dezember ist zwar vorbei, die Chläuse dürfen ihr Groscht, ihre Hauben und Hüte aber noch einmal anziehen und noch einmal auf den «Strech» (Route) gehen, ihre  Zäuerli nehmen, schellen und rollen. Denn morgen ist Alter Silvester. Das freut auch die Schaulustigen: Sie dürfen dem schönsten Ostschweizer Winterbrauch ein zweites Mal zuschauen.

Rebellische Ausserrhoder

Dass Silvester in Ausserrhoden gleich zweimal stattfindet, ist der Rebellion der Ausserrhoder zu verdanken. Ende des 16.Jahrhunderts wurde der Kalender einer Reform unterzogen, der julianische ersetzte den gregorianischen. Die protestantischen Ausserrhoder, allen voran die Urnäscher, weigerten sich aber, die neue Zeitrechnung anzuerkennen. Sie wollten sich vom Papst in Rom nicht vorschreiben lassen, wann sie ihre Feste zu feiern hätten. So beschlossen sie kurzerhand, den Silvester zweimal zu begehen: am 31. Dezember, dem Neuen Silvester, sowie am 13. Januar, dem Alten Silvester. Dennoch: Ganz egal ist die Kirche den Chläusen nicht. Fällt der Silvester auf einen Sonntag, wird offiziell am Samstag gechlaust.

Urnäsch Hochburg des Alten Silvesters

Der Alte Silvester wird aber nicht überall in Ausserrhoden begangen. Wer zum zweiten Mal dabei sein will, muss ins Appenzeller Hinterland reisen, genauer: nach Urnäsch. Es ist die Hochburg des Alten Silvesters, einige Schuppel sind aber seit den 1960er-Jahren auch in Waldstatt unterwegs.

Für Urnäsch ist der Alte Silvester der touristische Höhepunkt des Jahres. Er gleicht einem Volksfest. Für die Autos gibt es kaum ein Durchkommen, auf dem Trottoir stehen Stände und dazwischen lechzen Schaulustige mit ihren Kameras nach Fotos von den Schuppeln. Für die Silvesterchläuse ist es der Fünfer und das Weggli, den schönsten Tag im Jahr gleich zweimal feiern zu können, doch sie spüren auch: Der Neue Silvester ist intimer, der Alte bedeutend touristischer.

Chläuse im Tal anzutreffen

Traditionell beginnen die Urnäscher Schuppel ihren «Strech» am Alten Silvester im Tal. Erst seit Anfang der 1970er-Jahren ist es erlaubt, am Alten Silvester im Dorf zu chlausen. Das heisst: Wer etwas abseits des grossen Rummels dabei sein möchte, sollte solides Schuhwerk anziehen, um das langgezogene Tal nach dem Dorfkern Urnäsch nach Silvesterchläusen abzusuchen. Ab etwa 6 Uhr sind die Schuppel in den Aussenbezirken unterwegs. Im Gegensatz zum Neuen findet am Alten Silvester kein organisiertes Frühchlausen statt.

Nach der Mittagszeit sind viele Schuppel im Bezirk Tal anzutreffen, also rund um die Hauptstrasse, die von Urnäsch Richtung Schwägalp führt. Am Abend chlausen sie im Tal und im Dorf. Genauere Angaben, wo und wann die Schuppel anzutreffen sind, sind nicht möglich. Der «Strech» ist Sache jedes Schuppels. Allerdings: Wer am Alten Silvester nach Urnäsch reist, trifft garantiert einige Schuppel an. Und darf das neue Jahr ein zweites Mal beginnen.

veröffentlicht: 12. Januar 2016 05:56
aktualisiert: 13. Januar 2016 06:07
Quelle: red

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