Ein bisschen schwanger

· Online seit 19.05.2017, 17:13 Uhr
Der Englische Fussballverband wird ab nächster Saison Schwalben nachträglich bestrafen. So gut die Idee ist, so dilettantisch ist die Umsetzung findet Redaktor René Rödiger. Ein Kommentar.
René Rödiger
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Die Football Association (FA) will die Simulanten bestrafen. Schinden Spieler ab nächster Saison einen Penalty oder sorgen mit ihrer Aktion dafür, dass ein Spieler eine Rote oder Gelb-Rote Karte bekommt, können die Übeltäter nachträglich mit bis zu drei Spielsperren belegt werden.

Die neue Regelung läuft unter der Bezeichnung «erfolgreiche Täuschung eines Match-Offiziellen». Im Grunde genommen ist sie eine Erweiterung der bereits bestehenden «not seen»-Regelung, die es erlaubt, Spieler nachträglich für Tätlichkeiten zu bestrafen, die ausserhalb des Sichtfeldes des Schiedsrichters begangen worden sind.

Dass Schwalben eine Unsitte sind, steht ausser Frage. Dass dagegen endlich etwas gemacht werden muss, ebenfalls. Aber die FA hat hier zu kurz gedacht. Crystal-Palace-Trainer Sam Allardyce brachte das Problem auf den Punkt: «Was geschieht mit dem Spieler, der eine Karte bekommen hat, obwohl er keine Schwalbe gemacht hat? Die FA wird sagen ‹Oh, naja, das ist unglücklich. Nächstes Mal werden wir das korrigieren›.» Allardyce: «Wir brauchen die komplette Technologie und eine Strafbox. Dort sollen fehlbare Spieler für 10 Minuten rein.»

Die Spielsperren werden keinen Spieler davon abhalten, einen Penalty zu provozieren. Ein Spieler denkt in einer solchen Situation nicht an das nächste Spiel, sondern an den möglichen Punktgewinn in der aktuellen Partie.

Omar Chaudhuri hat sogar berechnet, dass sich eine Schwalbe auch bei einer Drei-Spiel-Sperre noch lohnt. «Eine Schwalbe mit anschliessendem Penalty - egal ob er rein geht oder nicht - ist derzeit ungefähr einen Punkt wert. Gehen wir davon aus, dass der Spieler keinen Strafstoss bekommt und nachträglich gesperrt wird. Ein unterdurchschnittlicher Ersatzspieler kostet einem Team im Durchschnitt 5 Punkte pro Saison, das sind 0,15 Punkte pro Spiel. In drei Spielen verliert der Club also im dümmsten Fall 0,45 Punkte, im besten Fall gewinnt er einen Punkt.»

Chaudhuri muss es wissen. Er ist Chef-Analyst bei «21st Club», der Firma, die hinter dem Erfolg von Clubs wie FC Midtjylland und Brentford stecken.

Die neue Regelung ist höchstens ein Versuchsballon, um die Reaktionen von Spielern, Vereinen und Medien zu testen. Nützen wird sie nichts. Würde es die FA wirklich ernst meinen, wären härtere Strafen angesagt und Videoanalysen gäbe es nicht nur bei Roten Karten oder Penaltys. Mit der Neuerung versucht sich die FA in einer Unmöglichkeit: Ein bisschen schwanger zu sein.

veröffentlicht: 19. Mai 2017 17:13
aktualisiert: 19. Mai 2017 17:13

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