Eitelkeit auf dem Präsentierteller

25.01.2017, 09:36 Uhr
· Online seit 15.01.2017, 16:03 Uhr
Möchten Sie auch mal einen auf «Pitti Peacock» machen und an der Florentiner Modemesse in vollem Ornat für die Fotografen posieren? Gönnen Sie sich den Spass. Hier ist eine kleine «Betriebsanleitung» zum maskulinen Schaulaufen der Eitelkeit.
Claudia Amann
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Stilpalast

Eigentlich ist die halbjährlich im Fortezza da Basso in Florenz stattfindende Pitti Uomo «nur» eine Modemesse, und zwar eine recht klassische. Seit einigen Jahren ist sie aber auch Laufsteg der neu entdeckten männlichen Eitelkeit, wo die Gockel und Pfauen sich aufputzen, um dann in grösster Beiläufigkeit und inszeniertem Desinteresse für die Fotografen zu posieren. Ein Spektakel, das fasziniert – und Männer aus aller Welt anzieht, die hier eine Art modisches «Erweckungserlebnis» haben.

Dabeisein ist möglich. Jeder kann sich für die Pitti anmelden, sei es als Einkäufer, Aussteller oder als Fachbesucher. Doch der digitale Eintrittspass, der auf dem Smartphone gespeichert ist, ist nur ein Teil des Pflichtenhefts. Viel wichtiger ist es, die Koffer überreich zu packen, um in dem bunten Wettbewerb der Eitelkeit überhaupt Eindruck zu machen. Hier ist alles, was Sie brauchen – wichtig aber: sie müssen alles mitnehmen, nicht nur einen Teil davon!

Der Anzug

Er muss knalleng und aus einem spannenden, vielleicht sogar bunten Stöffchen (etwa von Loro Piana) geschnitten sein, trotzdem aber über prägnante Schultern verfügen. Die Hose muss so eng sein, dass man knapp noch auf das niedrige Mäuerchen sitzen kann, wo sich alle Gockel präsentieren. Natürlich ist der Hosensaum «auf Hochwasser» geschnitten, dass man Socken und Schuhe gut sehen kann. Kombinationen aus Hose und andersfarbigem Jackett gehen auch, doch ein richtiger «Pitti Peacock» entscheidet sich wann immer möglich für den Anzug, wenn möglich auf Mass gearbeitet und «sartoriale» verarbeitet, also mit weichem Revers, offenen Ärmelknöpfen und anderem Schnickschnack wie einem Handknopfloch für die Boutonnière.

Das Hemd

Das Hemd ist ebenso auf Mass gearbeitet, schliesslich will man auf der Pitti stundenlang über von Hand pikierte Ärmelnähte, weiche Manschetteneinlagen (gerne Doppelmanschette) und super-exklusive Limited-Edition-Stoffe von Thomas Mason fachsimpeln können. Button-Down-Hemden werden grundsätzlich mit offenen Kragenknöpfen getragen, auch bewusst «falsch» zur Krawatte. Angesagt ist es auch, das Hemd mit hochgeklapptem Kragen unter einem Rollkragenpullover zu tragen, so dass die Kragenspitzen in Richtung der Ohren schauen.

Die Krawatte

Der seidene Schlips muss bunt und breit sein, gerne ein aufwendig von Hand gefaltetes «Seven-fold»-Modell von einer obskuren, schon dreitausend Jahre alten toskanischen Manufaktur. Ganz ambitionierte Pfauen haben ein Monogramm aufgestickt (dieses gehört natürlich auch aufs Hemd und ins Innenfutter des Jacketts). Die Krawatte muss sorgfältig abgestimmt sein auf Farbe und Muster der Socken und des Einstecktuchs.

Der Mantel

Den Mantel trägt man immer offen, sonst sieht man ja den Anzug nicht. Angesagt sind zweireihige Mäntel aus Cashmere-, Yak- oder Kamelhaar-Tuch. Die Doppelreiher werden kreativ aufgeknöpft, so dass die Front möglichst offen ist.

Die Schuhe

Der «Pitti Peacock» trägt typischerweise polierte Double Monks, also klassische Herrenschuhe mit Ledersohle und doppelter Laschenschliesse, von denen aber eine scheinbar nachlässig offen getragen wird. Die Schuhe müssen eine schöne, mehrfarbige Patina haben, die von einem Meister in stundenlanger Polierarbeit mit alten Damenstrümpfen erreicht wird.

Die Accessoires

Bunte Socken (am besten Kniestrümpfe) sind eine Option, doch inzwischen bereits wieder etwas weniger omnipräsent. Wichtiger sind grosse, voluminöse Schals aus exklusiven Stoffen, gerne auch mit expressiven Mustern. Herr von Welt trägt einen Hut, am besten einen recht breitkrempigen Fedora aus buntem Filz. Der Hut wird wenn immer möglich mit Federn oder anderem individuellen Zeug verziert. Handschuhe müssen Sie auch haben, diese werden dekorativ in die Brusttasche gesteckt. Vergessen Sie auch die Sonnenbrille nicht, denn in Florenz scheint immer die Sonne! Unbedingt auch Zigaretten oder Zigarren einpacken, denn rauchen sieht auf Fotos gut aus.

Der Schmuck

Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Tragen Sie am besten an jedem Handgelenk fünfzehn kleine Schmuckarmbändchen. Dazu eine klassische Schweizer Luxusuhr, gerne bicolor. Auch an der Hose sollte eine Kette befestigt sein, die keine Funktion hat, aber cool aussieht. Manschettenknöpfe sind ebenso geschätzt wie Krawattennadeln, Schmuck-Anstecker oder textile Boutonnières oder sogar frische Blüten, die ans Revers gesteckt werden.

Der Bart

Der sorgfältig gepflegte Vollbart ist noch immer überall zu sehen, allerdings sieht man auch wieder mehr glattrasierte Gesichter oder fein gezwirbelte Schnauzer.

Das Handy

Das wichtigste Accessoire ist eigentlich das Smartphone. Dank diesem Accessoire ist es überhaupt erst möglich, stundenlang auf der Mauer zu sitzen oder auf dem Platz herumzutigern und so zu tun, als habe man ganz dringende Geschäfte zu erledigen, Mails zu checken oder Termine zu machen. Wenn Sie einfach nur dasitzen und lächeln, sind Sie verloren, denn Sie werden zu ambitioniert wirken. Der wahre Pitti-Pfau tut so, als hätte er den ganzen Tag nicht einmal gemerkt, dass er fotografiert wurde.

Autor: Jeroen Van Rooijen für NZZ Bellevue. Alle Mode & Beauty Geschichten findet ihr hier.

veröffentlicht: 15. Januar 2017 16:03
aktualisiert: 25. Januar 2017 09:36

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