ETH-Ratspräsident fürchtet um Früchte jahrelanger Arbeit

09.07.2016, 07:30 Uhr
· Online seit 09.07.2016, 03:53 Uhr
Mit den eingeplanten Finanzmitteln für die ETH setzt die Politik nach Einschätzung von ETH-Ratspräsident Fritz Schiesser die «Früchte jahrzehntelanger Anstrengungen» aufs Spiel. Aus Schiessers Sicht ist Bundesbern oft zuwenig bewusst, was die Hochschule leistet.
René Rödiger
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«Die Politik muss sich im Klaren sein, was Bildung, Forschung und Innovation einer Gesellschaft zurückgeben», sagte Schiesser in einem Interview, das am Samstag in der «Neuen Zürcher Zeitung» erschien. Der Erfolg sei zwar selbstverständlich geworden, doch die Spitzenpositionen in internationalen Hochschul-Rankings seien über Jahre erarbeitet worden.

Die Konkurrenz schlafe nicht. «Wir bewegen uns auf dünnem Eis: Ist der Anschluss einmal verpasst, sind später immense Investitionen nötig, um wieder vorne mitzumischen», sagte der ehemalige Glarner FDP-Ständerat.

Der Nationalrat hatte im Juni eine Erhöhung des Bildungsbudgets gutgeheissen, lehnte aber Anträge für eine stärkere Aufstockung ab. Der Ständerat muss diesen Zahlungsrahmen noch absegnen. Er verstehe, dass auch der ETH-Bereich seinen Anteil beim Sparen leisten müsse, sagte Schiesser. «Ich verstehe aber nicht, wieso der Bildungsbereich überproportional an das Sparprogramm beizutragen hat.»

Mit den vorgesehenen jährlich rund 2,5 Milliarden Franken könne die Eidgenössisch-Technische Hochschule (ETH) «lediglich den Grundbedarf decken», sagte Schiesser weiter. «Wir müssten etwa Abstriche bei den neuen Schwerpunktthemen Big Data, Fortgeschrittene Produktionsverfahren oder personalisierte Medizin sowie bei Infrastrukturprojekten machen.»

Schiesser bekräftigte frühere Aussagen, wonach die Semestergebühren für die Studenten verdoppelt werden könnten. Private Drittmittel könnten dagegen - aus gesetzlichen Gründen - kein Ersatz für fehlende Bundesmittel sein.

Kopfschmerzen bereitet Schiesser auch der drohende Ausschluss aus dem EU-Forschungsprogramm Horizon 2020, allerdings nicht primär aus finanziellen Gründen: «Es geht auch um Reputation und die Möglichkeit, sich mit den Besten zu messen und zu kooperieren.» Zudem würden sich «die klügsten Köpfe genau überlegen, ob sie in der Schweiz noch optimale Arbeitsbedingungen vorfinden.»

Als eine «gar simple Sicht der Dinge» betrachtet Schiesser Mutmassungen, wonach Schweizer Universitäten nach dem Brexit als Ersatz zum EU-Programm mit britischen Elitehochschulen eng kooperieren könnten. «Zu glauben, es werde sich auf die Schnelle ein neuer Forschungsraum formieren, der in Konkurrenz zum EU-Raum steht, ist unrealistisch.»

veröffentlicht: 9. Juli 2016 03:53
aktualisiert: 9. Juli 2016 07:30
Quelle: SDA

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