Flüchtlinge kehren vermehrt zurück

· Online seit 04.01.2016, 21:13 Uhr
Immer mehr Iraker, die nach Europa geflüchtet sind, gehen wieder zurück in ihre Heimat. Sie sind oftmals desillusioniert und vermissen ihre Familien. Dabei ist ihre Situation in der Heimat häufig noch trostloser als vor der Flucht.
Leila Akbarzada
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Mit 25 beschloss der Iraker Faisal im September, nach Europa zu reisen. Er kündigte seinen Job beim Bildungsministerium und reiste wie Millionen anderer Flüchtlinge über die Türkei nach Europa.«Schon als Kind träumte ich davon, nach Europa zu gehen», sagt Faisal gegenüber der "Washington Post". Er stellte sich das Leben dort stets als schön und sicher vor. Trotz einer langen, strapazenreichen Reise nach Schweden, die ihn - beziehungsweise seinen Vater - 8'000 Dollar kostete, beschloss er, wieder in seine Heimat zurückzukehren.

«Das Leben war sehr langweilig. Und das Essen! Nicht einmal eine Katze würde das anfassen», sagt Faisal über seine zweimonatige Zeit im Flüchtlingslager bei Malmö, Schweden. «Ich kam nach Europa und realisierte, dass Europa nur eine Illusion ist.»

Immer mehr Rückkehrer

Wie die «Washington Post» schreibt, sind 779 Iraker mit der Hilfe der Uno-Migrationsbehörde «International Organization of Migration» (IOM) im November in den Irak zurückgekehrt. Das sind doppelt so viele wie im Vormonat. Und Fälle wie Faisal, der von sich aus ohne Hilfe der IOM zurückgekehrt sind, nicht einberechnet. Laut dem irakischen Migrationsamt seien schon Tausende Iraker zurückgekehrt. Von der Million Flüchtlinge, die im 2015 in Europa angekommen sind, waren 80'000 Iraker.

Heimweh, Perspektivlosigkeit, Ablehnung

Viele verlassen Europa wegen Heimweh und weil sie ihre Familien vermissen, andere verlassen den gelobten Kontinent, weil sie aufgrund ihres unklaren Asylprozesses verwirrt sind. Wieder andere sind desillusioniert weil sie keine Optionen haben, und ein grosser Teil dieser Fälle ist gezwungen zu gehen, weil ihr Asylgesuch abgelehnt wurde.

Viele der Rückkehrer sind nicht Menschen, die wegen der Gefahr des Konflikts geflohen sind. Sie sind aus wirtschaftlichen Gründen geflohen, wie auch Faisal. Damit er aber trotzdem Asyl bekommt, hat er angegeben, dass er von irakischen Milizen bedroht wurde. «Wäre ich wegen der Gefahr und Gewalt des Krieges geflohen, ginge ich sicher nicht mehr freiwillig zurück in den Irak», sagt er.

Mythos «Europa»

Europa ist und bleibt ein Mythos bei vielen Menschen ausserhalb des Kontinents. Faisals Bruder ist trotz der Erfahrung seines Bruders noch immer nicht von seinem Plan abzubringen, nach Europa zu fliehen. Auch wenn er in der Türkei auf seiner ersten Reise nach Europa bereits verhaftet wurde.

Internationale Organisationen wie «Caritas International» warnen davor, dass ein zu trostloses Bild von Europa gezeichnet wird. Bereits bei einer Erstaufnahme werde den Flüchtlingen eingeredet, dass ihr Gesuch wohl erfolglos sein werde und ihre Jobchancen gleich Null seien. Laut «Caritas International» haben 35'000 Flüchtlinge und Migranten Europa «freiwillig» verlassen. Inwiefern sie jedoch freiwillig gingen und nicht gezwungen wurden, sei fragwürdig.

Rückkehr ohne Alternative

Viele kehren zurück ohne eine Perspektive zu haben. Der 42-jährige Ibrahim ist nach vier Monaten in Deutschland wieder in sein Flüchtlingslager im Norden Iraks zurückgekehrt. 11'000 Dollar hatte er für seine Flucht ausgegeben. Er ist Jeside. Die Jesiden sind eine Minderheit im Norden Iraks, die wegen ihres eigenen Glaubens besonders verfolgt wird von der Terrormiliz IS. Weil er Angst hatte, dass er seine Frau und Tochter nicht nach Deutschland bringen kann, wie er ursprünglich hoffte, ist er wieder in den Irak ins Flüchtlingslager zurückgekehrt.

«Zurück am Nullpunkt»

Auch Wissam, 34, ist wieder im Irak, wo er vor seiner Flucht in einem gemieteten Haus mit Frau und Kindern lebte. Er verkaufte sein Taxi, um die Reise nach Europa zu bezahlen. 45 Tage war er in Finnland, einmal hatte er in dieser Zeit ein Gespräch über seinen Asylstatus. Als zudem Proteste von rechter Seite gegen Flüchtlinge lauter wurde, sah er sich gezwungen, zurück in den Irak zu gehen. Dort musste er in ein Zimmer im Haus seiner Eltern ziehen, zusammen mit seiner Frau und den vier Kindern.

«Ich bin zurück und muss jetzt wieder bei Null anfangen», sagt er gegenüber der «Washington Post». «Meine ganze mühselige Reise war umsonst.»

veröffentlicht: 4. Januar 2016 21:13
aktualisiert: 4. Januar 2016 21:13
Quelle: red

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