Zwölfeinhalb Jahre Knast für Nachbarmörder

29.03.2017, 05:38 Uhr
· Online seit 28.03.2017, 18:56 Uhr
Das Bezirksgericht Arbon TG hat am Dienstag einen 62-jährigen Mann zu einer Freiheitsstrafe von 12,5 Jahren wegen Mordes verurteilt. Zudem ordnete es eine stationäre therapeutische Massnahme an, das heisst, der Mann muss sich in einer psychiatrischen Klinik behandeln lassen.
Raphael Rohner
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Wegen mehrfacher Vergehen gegen das Waffengesetz muss der Schweizer im Weiteren eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu 30 Franken entrichten. Er war nicht berechtigt, eine Waffe zu tragen. Der Witwe seines Opfers hat er eine Genugtuung von 100'000 Franken zu bezahlen.

Mit seinem Urteil folgte das Gericht vollumfänglich den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Richterin: «Das war eine Hinrichtung»

Das Gericht habe selten «eine solche Gefühlskälte» bei einem Beschuldigten gesehen, sagte die vorsitzende Richterin bei der Urteilseröffnung. Die sinnlose, grausame Tat sei erschütternd. Was ablief «war eine eigentliche Hinrichtung». Die besondere Skrupellosigkeit, wie sie für eine Qualifikation als Mord Voraussetzung ist, sei klar gegeben.

Die stationäre Massnahme wird auch Kleine Verwahrung genannt. Dies deshalb, weil sie kein vorab festgelegtes Ende hat. Eine Entlassung hängt vom Erfolg der Behandlung ab, der periodisch überprüft wird.

In der psychiatrischen Begutachtung war dem Beschuldigten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, paranoiden und schizoiden Zügen diagnostiziert worden. Zudem hatte er ein Alkoholproblem. Das Rückfallrisiko für weitere Straftaten wurde als erheblich eingestuft, die Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt sei mittelgradig reduziert gewesen.

Verteidiger plädierte auf Totschlag

Der Verteidiger hatte auf eine Tatqualifikation als Totschlag plädiert. Der Beschuldigte habe unter grosser seelischer Belastung und in einer heftigen, entschuldbaren Gemütsbewegung gehandelt. Als Strafmass seien 4,5 Jahre angemessen. Die Geldstrafe sei zudem bedingt auszusprechen. Von einer Klinikeinweisung sei abzusehen, das brauche sein Mandant nicht.

Ihm gehe es heute - auch ohne jegliche Behandlung - viel besser als zur Tatzeit. Eine Rückfallgefahr bestehe nicht mehr. Die Arbeit der Gutachterin kritisierte der Verteidiger als fehlerhaft. Der Beschuldigte hat gestanden, Ende Oktober 2013 im Thurgauer Dorf Amriswil auf offener Strasse einen 53-jährigen Nachbarn mit Schüssen tödlich verletzt zu haben. Auf das ihm zustehende Schlusswort vor Gericht verzichtete er.

Tödlicher Nachbarschaftsstreit - Täter geständig

Die Bluttat war der tödliche Abschluss eines seit Jahren schwelenden Nachbarschaftsstreits. Die beiden Männer wohnten im gleichen Hochhaus, das Opfer direkt über dem Beschuldigten. Dieser fühlte sich vom Deutschen terrorisiert: Dieser mache dauernd Lärm.

Allerdings war er der einzige, der je diesen Lärm wahrnahm. Auch wenn jemand in seiner Wohnung war, hörte er nichts davon. So erhielt der Beschuldigte denn auch nirgends die erhoffte Unterstützung, obwohl er sich wiederholt an die Verwaltung und andere Stellen wandte.

Im Gegenteil: Nach Einschaltung der Schlichtungsstelle wurde er angewiesen, sich eine neue Wohnung zu suchen. Am Morgen des Zügeltags schritt er zur Tat.

Zwei Varianten

Was sich zutrug, darüber gehen die Schilderungen von Anklage und Verteidigung weit auseinander. Gemäss Staatsanwältin steckte der Beschuldigte am 29. Oktober 2013 kurz vor 6 Uhr früh den mit sechs Schuss geladenen Revolver ein, verliess das Haus, wartete, bis der Nachbar herauskam, um zur Arbeit zu gehen, und folgte ihm zu dessen Auto.

Er schoss ein erstes Mal, als der 53-Jährige einsteigen wollte. Der Angeschossene ergriff die Flucht, der Täter feuerte weitere Schüsse auf ihn ab. Schliesslich brach der von mehreren Schüssen Getroffene zusammen. Am nächsten Tag starb er im Spital. Der Schütze stellte sich wenig später selbst. Seither sitzt er in Haft.

Täter wollte sich selbst töten

Laut Verteidiger ging der Beschuldigte nach schlafloser Nacht, alkoholisiert und voller Angst vor dem Umzug ins Freie, um sich selbst zu töten. Rein zufällig sei ihm der Nachbar begegnet.

Und «da kam alles hoch» - denn irgend einen Lärm müsse es ja gegeben haben, unter dem sein Mandant gelitten habe. Die Schüsse - ausser dem ersten im Affekt - habe er nicht gezielt abgegeben, weil er sich bedroht gefühlt habe. Das Gericht erachtete diese Version nicht als glaubhaft.

veröffentlicht: 28. März 2017 18:56
aktualisiert: 29. März 2017 05:38
Quelle: SDA

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