Hassbotschaften statt Spenden

12.04.2017, 21:24 Uhr
· Online seit 12.04.2017, 17:51 Uhr
Emil und Martina Koller aus Wolfhalden haben Ende März einen Spendenaufruf für das Projekt «Pro Baby - ein Geschwisterchen für Alina» gestartet. Sie wünschen sich weiteren Nachwuchs. Da das auf natürliche Weise nicht möglich ist und für eine künstliche Befruchtung das Geld fehlt, baten sie um Hilfe. Doch anstatt Spenden erhielten sie bislang viele hasserfüllte Botschaften.
Stefanie Rohner
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Das Ehepaar habe dermassen viele Beschimpfungen per Telefon erhalten, dass es den Festnetzanschluss abschalten musste. Mit dem Spendenaufruf haben die beiden schweizweit für Aufsehen gesorgt. Von morgens um sieben bis abends um neun Uhr seien Anrufe eingegangen.

Die 45-jährige Martina Koller sagte gegenüber der «Appenzeller Zeitung», es sei eine Katastrophe gewesen und sie und ihr 47-jähriger Ehemann hätten den Stecker gezogen, da die kleine Alina immer durch das Klingeln geweckt worden sei. Diese Woche haben die beiden das Telefon wieder in Betrieb genommen und es ging weiter mit Anrufen.

Beschimpfungen und Vorwürfe

Doch nicht nur Telefonate, auch viele Briefe gingen bei der Familie ein. Teilweise mit groben Beschimpfungen. Es habe geheissen, sie seien zu faul, um zu arbeiten und ein Saupack, so die Kollers gegenüber der Tageszeitung. Auf den Briefen war nicht einmal ein Absender zu finden.

Spurlos gehe das am Ehepaar nicht vorbei, es sei ja nicht gewöhnlich, täglich bis zu acht solcher Briefe zu erhalten. Zwei Briefe hätten es besonders in sich gehabt. Dem Ehepaar wurde vorgeworfen, sich nicht gut um Tochter Alina zu kümmern und dass diese nicht genug Liebe erhalten würde. «Das hat mich im Muttersein angegriffen. Der zweite Brief enthielt die Drohung, man würde das Jugendamt einschalten. Das hat mich eine halbe Nacht Schlaf gekostet», sagt Koller.

Erst 550 Franken gesammelt

Doch es gab auch schöne Rückmeldungen - per Post wie auch mündlich. Dort hätten sich die Absender fast immer zu erkennen gegeben. Es wurde zu ihrem Mut gratuliert, die Spendenaktion ins Leben gerufen zu haben. Doch auch wenn diese Worte gut tun würden, hätten sie zum Erreichen des Ziels nicht weitergeholfen.

Bislang seien lediglich rund 550 Franken zusammengekommen. 5 Rappen seien in einem der bösen Briefe gewesen. Aus dem Welschland gingen einige Spenden ein, scheinbar käme dort die Aktion etwas besser an. Es seien weitere Spendengelder von vier Personen zugesagt worden, aber noch nicht eingetroffen. Ob das Geld noch kommt, ist unklar.

Bünzlidenken sei extrem

Die Familie Koller hat sich mehr erhofft, gerade nach dem medialen Rummel: «Mit vier- bis fünftausend Franken haben wir schon gerechnet. Erst wenn wir diese Summe zusammen hätten, würden wir die Behandlung starten», sagt Martina Koller. Eine künstliche Befruchtung kostet 13'000 Franken. Statistisch gesehen glückt sie in einem von drei Fällen. Unternimmt man einen zweiten Versuch, kostet die Behandlung noch einmal 2000 bis 3000 Franken. Für das Einfrieren der Eizellen nimmt man pro Jahr 500 Franken in die Hand.

Ihr erstes Kind, Alina, haben die beiden erst beim vierten Versuch bekommen. «Schon damals haben wir gemerkt, dass das Thema künstliche Befruchtung in der Schweiz zu vielen Diskussionen führt. Die Kommentare waren damals schon nicht hilfreich», so Martina Koller. Sie sagt, das Bünzlidenken, das sie zwar selbst ein wenig habe, sei hier schon sehr extrem.

«Der Rest ist der Natur überlassen»

«Die Mentalität, so scheint mir, ist oftmals eine, die von den Frauen noch immer erwartet, hinter dem Herd zu stehen. Da wundert es mich auch nicht, dass künstliche Befruchtung keinen Anklang findet und tabuisiert wird», sagt Koller. Sie und ihr Mann hätten sich auch erst darüber informiert, als sie wussten, es würde auf natürlichem Weg nicht funktionieren. «Wir haben uns dann entschieden, die Medizin so weit zu nutzen, wie es geht. Der Rest ist aber nach wie vor der Natur überlassen», sagt sie.

«Wir harren aus»

Dass der Spendenaufruf, der mit einem Brief des Ehepaars begann, solche Kreise ziehen würde, sei nicht beabsichtigt gewesen. «Irgendjemand hat der ‹Appenzeller Zeitung› das Schreiben zukommen lassen. Nach dem ersten Artikel hat alles seinen Lauf genommen. Wir haben sogar Anrufe aus der Romandie und dem Tessin erhalten», sagt Koller. Ob sie sich noch einmal für einen solchen Spendenaufruf entscheiden würden, weiss Koller nicht.

«Das ist schwer zu sagen. Wir bereuen es nicht, aber ob wir diesen Schritt noch einmal wagen würden, weiss ich nicht. Wir haben zwar mit solcher Post gerechnet, aber wir sind es nicht gewohnt, von fremden Leuten dermassen beschimpft zu werden», sagt Koller.

Sie sagt, jeder dürfe seine ehrliche Meinung äussern, aber dann wenigstens so mutig sein und mit dem Namen dazu stehen. Solange die Reaktionen - positive wie negative - weiterhin nicht abnehmen würden, verteilt das Ehepaar weiterhin Briefe mit dem Spendenaufruf. «Wir machen weiter und harren aus», so Koller.

veröffentlicht: 12. April 2017 17:51
aktualisiert: 12. April 2017 21:24
Quelle: str

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