Hier lebt es sich in der Ostschweiz besonders gut

· Online seit 06.07.2017, 07:33 Uhr
Ist ja klar: Jedem gefällt es in der Stadt am besten, in der er wohnt oder aufgewachsen ist. Aber es gibt auch ein nationales Städte-Ranking. Darin wird die Lebensqualität anhand verschiedener Faktoren wie Erholung, Arbeitsmarkt, Soziales oder Gesundheit gemessen. Einmal mehr in die Top Ten hat es St.Gallen geschafft.
Lara Abderhalden
Anzeige

«Natürlich sind diese Art von Rankings eine Momentaufnahme und beruhen auf Befragungen», sagt der Frauenfelder Stadtpräsident Anders Stokholm. Damit hat er recht. Die Firma Wüest Partner AG und das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» erheben das Ranking jährlich und vergleichen dazu die Lebensqualität der 162 Schweizer Städte. Anhand von elf gleich stark gewichteten Indikatoren wie Arbeitsmarkt, Bevölkerung, Wohnen, Bildung, Kultur, Mobilität und so weiter, wird die Lebensqualität in den einzelnen Städten eingeschätzt.

St.Gallen trumpft bei Bildung und Arbeitsmarkt

Eine Übersicht der grossen Ostschweizer Städte zeigt, dass diese nicht schlecht platziert sind. Erneut unter die ersten zehn Plätze geschafft hat es St.Gallen, dies freut den Stadtpräsidenten Thomas Scheitlin: «Ich bin sehr zufrieden mit der Positionierung. Sie zeigt, dass die Stadt attraktiv ist und wir dort trumpfen konnten, wo wir stark sind, nämlich in den Bereichen Bildung und Arbeitsmarkt.» Nicht zuletzt wegen des guten Rufes der HSG belege die Stadt in der Kategorie «Bildung» den vierten Platz. Thomas Scheitlin nimmt sich das Städte-Ranking zu Herzen: «Ich schaue es mir jedes Jahr an. Es ist ein Indikator. Wir sehen, in welche Richtung es mit der Stadt geht und können wenn nötig die Dinge verbessern, in denen wir schlechter sind als die anderen Schweizer Städte. Ich messe und vergleiche gerne.»

St.Gallen konnte in den letzten beiden Jahren ihren achten Platz verteidigen. Vor allem beim Indikator «Besonderheiten der Stadt» liegt St.Gallen auf dem sehr guten zweiten Platz. «Ich denke, dass der Stiftsbezirk, welcher UNESCO Weltkultur ist, uns einzigartig macht und zu dieser Platzierung beigetragen hat», so Scheitlin. St.Gallen sei eine der wenigen Schweizer Städte die ein Weltkulturerbe besitzt.

St.Galler Innenstadt muss verbessert werden

Erstaunlich und doch erfreulich ist für Thomas Scheitlin die Verbesserung in der Sparte «Erholung». In diesem Bereich hat die Stadt St.Gallen um 14 Ränge zugelegt. «Wir haben zwar rund um die Stadt viele Grünflächen, dennoch liegt St.Gallen nicht direkt am See. Möglich, dass die gut Erreichbarkeit von Naherholungsgebieten diese Verbesserung ausgemacht hat.»

Verbesserungspotenzial sieht der St.Galler Stadtpräsident in den Bereichen «Einkaufen», «Soziales» und «Gesundheit». Hier hat die Stadt an Plätzen eingebüsst. «Wir sind uns dessen bewusst, haben aber unabhängig vom Städte-Ranking bereits Massnahmen ergriffen.» Es gebe beispielsweise ein Projekt Zukunft Innenstadt, in der die Innenstadt und somit das Einkaufen verbessert werden sollen. «Für mich ist dieses Städte-Ranking eine Möglichkeit, die Entwicklung der Stadt über längere Zeit zu beobachten, da immer die gleichen Kriterien beleuchtet werden.»

In Frauenfeld lässt es sich gut erholen

In Frauenfeld ist man gegenüber dem Ranking eher skeptisch: «Es ist eine Momentaufnahme», schreibt Stadtpräsident Anders Stokholm. Dennoch würden sich die Veränderungen gegenüber dem Vorjahr interpretieren lassen. Frauenfeld konnte gegenüber dem Vorjahr vor allem im Bereich «Erholung» zulegen. Dort hat die Thurgauer Kantonshauptstadt neun Ränge gut gemacht. Anders Stokholm ahnt wieso: «Der national durch den Schulthess Gartenpreis bekannt gewordene Murg-Auen-Park wird zentral zur Verbesserung beigetragen haben. Zudem verfügt Frauenfeld über ein sehr reichhaltiges Angebot und liegt umgeben von viele ländlichen Gemeinden.»

Auch die Einkaufsmöglichkeiten habe man ausgebaut. So gebe es im Stadtzentrum grosse Einkaufszentren und viele Fachgeschäfte in der Altstadt. Im letzten Jahr sei ein zusätzlicher Fachmarkt eröffnet worden, welcher vermutlich dazu beigetragen hat, dass sich Frauenfeld in diesem Bereich um 15 Ränge verbessert hat. Was die sozialen Leistungen anbelangt, konnte sich Frauenfeld um 14 Ränge nach vorne schleichen. Laut Anders Stokholm seien in den letzten Jahren immer mehr Kinderbetreuungsplätze entstanden, es gebe mehr Tagesschulangebote und Demenz-Tagesstätten.

Frauenfeld ist nicht mehr besonders

Ein Wermutstropfen bleibt. Bei den «Besonderheiten der Stadt» hat Frauenfeld vier Plätze verloren und liegt jetzt noch auf Platz 24. «Ich denke, dass hier verschiedene Faktoren mitspielen, zum Beispiel, dass ältere Häuser neueren, in verdichteter Bauweise erstellten Gebäuden weichen müssen. Frauenfeld wird durch das Wachstum wohl je länger je ähnlicher mit anderen Städten im Mittelland.» Dennoch befindet sich Frauenfeld im Gesamt-Ranking mit Platz 25 im vorderen Viertel.

Chur ist weniger sicher

So übrigens auch Chur. Der Bündner Hauptort hat zwar im Vergleich zum letzten Jahr einen Platz verloren, ist aber immer noch auf dem guten 27. Rang platziert. Vor allem in den Bereichen Gesundheit und Sicherheit, sowie Bevölkerung und Wohnen hat die Stadt eingebüsst. Im Bereich Bildung liegt Chur unmittelbar hinter St.Gallen auf dem fünften Platz. Besonders zulegen konnte Chur im Bereich «Erholung». In den Bündner Bergen erholt es sich so gut, dass die Stadt 23 Plätze gut machen konnte.

«Ranking ist nicht nachvollziehbar»

Urs Marti, Stadtpräsident von Chur, kann mit diesen Zahlen nur sehr wenig anfangen: «Für mich ist dieses Ranking nicht nachvollziehbar.» Wie Urs Marti ausführt, ist Chur die drittsicherste Stadt der Schweiz, was die Kriminalstatistik zeige. Im Ranking der Bilanz hingegen, liegt Chur in Punkto Sicherheit auf dem 122. Rang. «Es ist schon etwas speziell, dass acht der zehn Städte mit der besten Lebensqualität im Ranking gleichzeitig die grössten Städte der Schweiz sind», kritisiert Marti. Klar habe eine grosse Stadt ein grösseres Angebot. Dies mache aber die Lebensqualität nicht unbedingt besser. «Bei uns ist man fast immer ohne Nebel, wir können mit dem Fahrrad zur Arbeit oder müssen nur wenige Minuten gehen, um im Grünen zu sein, das macht doch schliesslich die Lebensqualität aus und hier gewinnen wir gegen Zürich.»

Für ihn ist das Ranking schlicht und einfach nicht zu beurteilen, da ihm die Faktoren fehlen, welche die Städte lebenswerter machen. Für ihn ist klar: «Wir machen sehr viel, um attraktiv zu bleiben, haben uns aber in den letzten Jahren nicht grundlegend verändert.» Dass die Stadt trotzdem in gewissen Bereichen so viele Plätze verloren oder dazu gewonnen hat, entweiche jeder Logik.

Herisau legt keinen grossen Wert auf Ranking

Der Appenzeller Ausserrhoder Hauptort Herisau belegt im Ranking den 107. Rang. Damit konnten sie 17 Plätze gut machen. Besonders gut wurde von den Experten der Herisauer Arbeitsmarkt eingestuft. Der Gemeindepräsident Renzo Andreani freut sich über den Sprung, den Herisau gemacht hat, sagt er in der Appenzeller Zeitung: «Es zeigt, dass wir grundsätzlich gut unterwegs sind.» Viel Wert auf dieses Ranking legt er jedoch nicht. «Bei der Einschätzung der Lebensqualität einer Ortschaft spielt letztlich die subjektive Wahrnehmung durch die Bevölkerung eine grosse Rolle.» Aus dem Ranking liessen sich lediglich Tendenzen ablesen.

(abl)

 

veröffentlicht: 6. Juli 2017 07:33
aktualisiert: 6. Juli 2017 07:33

Anzeige
Anzeige