«Hinter jedem Gin steckt eine Geschichte»

02.05.2018, 07:35 Uhr
· Online seit 02.05.2018, 05:43 Uhr
Gin, Gin und noch mehr Gin. Das verspricht das erste Ostschweizer Gin-Festival. Doch hinter der Spirituose steckt viel mehr als Wacholderschnaps und Tonic-Water.
Dario Brazerol
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Flasche reiht sich an Flasche. 652 sind es, um genau zu sein. In Form und Farbe könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Im Glas spiegelt sich das Lokal von Yannis Sfouggaris. Im Prinzip beinhalten die Flaschen alle dasselbe: Gin. Dass Gin aber nicht gleich Gin ist, soll im Rahmen des ersten Ostschweizer Gin-Festivals demonstriert werden.

Die Renaissance des Gins

«Wir zelebrieren den Gin», sagt Yannis Sfouggaris, der gemeinsam mit Dimitrij Itten vom 1. bis 3. Juni das Festival im leerstehenden Lattich beim St.Galler Güterbahnhof organisiert. Er selbst hat die Gin-Kultur vor Jahren in Spanien kennengelernt. In der Schweiz sei der Trend erst in den letzten vier Jahren aufgekommen. Lange als Alt-Männer-Drink verteufelt, erlebt der Gin-Tonic heute seine Renaissance. «Vor allem die Frauen fahren voll auf ihn ab», sagt Sfouggaris mit einem Augenzwinkern. Er hat den Trend erkannt und sein Restaurant Bodega Prado mischt in Sachen Angebotsvielfalt mittlerweile unter den ganz grossen Gin-Bars Europas mit.

Funky und floral

Dass Gin für die beiden Organisatoren aber weit mehr ist als bloss ein Schnaps, wird schnell klar: «Gin ist sehr vielseitig interpretierbar - stärker als ein Whisky oder Rum», sagt Dimitrij Itten. «Er kann süss, herb, funky oder floral schmecken. Als Produzent kann man somit sehr kreativ werden.» Rund zwanzig dieser Produzenten, Importeure und Destillateure werden insgesamt über 600 ihrer Kreationen am Festival vorstellen. Trotz der grossen Vielfalt, sind die Geschmäcker aller Gins individuell: «Die Geschmacksunterschiede sind frappant, vor allem dort, wo es noch Botanicals, also Aromen wie Kräuter, Früchte oder Wurzeln drin hat».

Kein Massenbesäufnis

Man muss nicht lange rechnen, um zu wissen, dass bei dem Festival eine grosse Menschenmenge auf wenigen Quadratmetern auf viel Hochprozentiges trifft. Ein Massenbesäufnis soll es aber nicht geben. Für Gäste, welche doch ein bisschen angesäuselt sind, werden die Botanicals zusätzlich als Rohprodukt ins Glas gegeben: «Damit sie wenigstens visuell noch schnallen, was darin ist.» Die Hoffnung ist aber, dass die Festival-Besucher sich dem Gin als Produkt widmen: «Wir hoffen, dass sich die Leute aus St.Gallen und der ganzen Ostschweiz vermehrt mit dieser Spirituose auseinandersetzen, darüber diskutieren und sich austauschen.»

Royaler Mythos

Zu diskutieren gibt es mit Sicherheit einiges. Yannis Sfouggaris kennt scheinbar zu jedem Gin die Hintergrundgeschichte. So auch zu seinem Lieblings-Gin, dem blau schimmernden London No. 1, der in einer überdimensionalen 4,5 Liter Version die Bar krönt: «Queen Mum, die Mutter von Königin Elisabeth von England, war eine begeisterte Gin-Trinkerin. Es soll auch das Geheimnis ihres hohen Alters (101, Anm. d. Red.) gewesen sein. Sie wünschte sich einen Gin mit blauer Farbe. Die Legende besagt, dass man in der Wüste eine blaue Blume angepflanzt hat, welche diesem Gin heute seine einzigartige Farbe verleiht.»

Favorit von Psychopathen

Doch nicht nur die Königin Mutter, sondern auch eine ganz spezielle Gattung von Menschen soll dem Wacholderschnaps mehr als zugetan sein. Wie Studien berichten, sollen Psychopathen und Sadisten ein Faible für Gin haben. Itten, dessen Eltern beide Psychotherapeuten sind, versucht sich das zu erklären: «Ich glaube, sie trinken ihn, um sich zu beruhigen. Wenn ich Gin trinke, macht es mich nicht so wahnsinnig, wie bei Absinth oder Whisky. Gin gibt einen schönen, smoothen Rausch.»

Viel Gin, viel Liebe

Dem Gin sollen nun auch die St.Galler, welche laut Itten ein eingefleischtes Gin-Volk sind, während des dreitägigen Festivals frönen. Für Gin-Neulinge hat er auch gleich noch einen Tipp parat: «Ich persönlich finde es wichtig, dass der Gin aus einer kleinen Destillerie kommt. Weltweit gibt es viele Produzenten, welche vielleicht nur 500 Flaschen pro Jahr auf den Markt bringen. Dort merkt man aber, dass viel Liebe drinsteckt.» Viel Liebe für das was sie machen, spürt man auch bei den beiden Organisatoren des Festivals. Der Spiritus wird bei ihnen zum Kunststück, die Bar zum Museum, der Gastronom zum Kurator und die Gäste zu Entdeckern.

Das «Gin Gin Festival» findet vom 1. bis am 3. Juni an der Güterbahnhofstrasse in St.Gallen statt.
veröffentlicht: 2. Mai 2018 05:43
aktualisiert: 2. Mai 2018 07:35

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