«Ich kreide mir gewisse Niederlagen an»

· Online seit 18.12.2017, 09:45 Uhr
Der FC St. Gallen hat mit dem 3:2 gegen den FC Sion ein schwieriges Jahr positiv abgeschlossen. Trainer Giorgio Contini spricht über die enge Schlussphase, über die Hüppi-Euphorie und die wünschenswerte «gemeinsame Sprache» in einem Verein.
Sandro Zulian
Anzeige

Interview: Ralf Streule  |  Tagblatt.ch

Giorgio Contini, der FC St. Gallen hat am Samstag gegen Sion besonders in der ersten Halbzeit überzeugt, dank hohem Pressing. Nach der Pause wurde es schwieriger, der FC Sion kam zurück. Was passierte da?

Eigentlich wollten wir auch nach der Pause unseren Matchplan aufrechterhalten. Sion machte es uns mit einer Systemänderung schwer, mit der Dreierabwehr und der Einwechslung des physisch starken und hoch stehenden Aimery Pinga. Wir hatten mit unserem Pressing keinen Zugriff mehr, das musste ich schnell korrigieren – und das Team defensiver ausrichten. Wir wollten danach auf Konter lauern, was beim 3:0 ja auch geklappt hat.

Danach kam Tokos Auswechslung – sie schien die St. Galler zu destabilisieren.

Er sagte mir schon in der Pause, dass seine Luft langsam ausgehe. Er musste viele Löcher stopfen, das braucht Kraft für einen, der noch nicht viele Trainings in den Beinen hat. Uns fehlte danach der Mut, nach den Gegentoren kam die Angst vor dem Siegen, da kamen auch zu viele Fehler dazu.

Mit dem Sieg ist das Jahr abgeschlossen. Zeit für die Halbjahresbilanz. Ist Giorgio Contini durchwegs zufrieden?

Ich bin sehr glücklich über die 27 Punkte in 19 Spielen und über den vierten Platz. Die Mannschaft hat meist das abgeholt, was sie kann. Ich muss ihr ein grosses Kränzlein winden. Trotz den Unruhen im Club hat sie den Fokus auf dem Fussball gehabt.

Wie sind Sie mit Ihrer persönlichen Leistung zufrieden?

In neunzig Prozent der Spiele war die Mannschaft richtig eingestellt, denke ich. Nicht immer konnte sie alles umsetzen. Und zwei, drei Niederlagen kreide ich auch mir an, da wir den falschen Plan gewählt hatten. Im Heimspiel gegen Luzern zum Beispiel. Aber im grossen ganzen denke ich, haben wir sehr viel herausgeholt.

Umgekehrt dürfte das Team nun beflügelt sein. Viele sprechen vom «Hüppi-Effekt», den man im Spiel gespürt habe.

Das kann man euphorisch so verkaufen, vielleicht ist etwas dran. Es ist sicher einfacher für das Team, mit positiver Presse in ein Spiel zu gehen. Dass wir in der letzten Partie des Jahres alles in eine Waagschale werfen würden, war uns aber schon vor den Umwälzungen am vergangenen Dienstag klar.

Die Anstellung Matthias Hüppis als Präsident auf Mitte Januar löste positive Reaktionen aus. Was löst der Wechsel bei Ihnen aus?

Matthias bringt sicher viel Positivität in den Club, er kann gut kommunizieren. Das gibt ein gutes Gefühl, wenn man weiss, dass man sich als Trainer wohl nicht mehr mit Führungsfragen auseinandersetzen muss und sich auf den Fussball konzentrieren kann.

Im Gegensatz zu vielen Personen im Club, die euphorisch auf Hüppis Einstellung reagierten, scheinen Sie eher zurückhaltend. Wollen Sie die Erwartungen dämpfen?

Es zeigt sich, dass alles Neue gefeiert wird. Ich wurde im Mai auch als Messias empfangen, später relativierten sich die Erwartungen. Ich bin Realist – entscheidend ist letztlich das Vertrauen untereinander, und das wird erst über die gemeinsame Arbeit aufgebaut. Natürlich ist es wünschenswert, dass Ruhe im Verein einkehrt und alle eine gemeinsame Sprache sprechen. Und ich mich nicht mehr für Organigramme rechtfertigen muss.

Mit Stefan Wolf und Peter Germann hat der Verwaltungsrat mehr sportliche Kompetenz. Ein Vorteil?

Stefan kenne ich persönlich gut, beide werden sicher wichtige Ansprechpersonen sein. Sie bringen eine Aussensicht mit, somit mehr Reibungspunkte, das tut sicher gut.

Bald soll ein starker Sportchef gewählt werden. Was Ihr sportliches Gewicht im Team wohl kleiner macht. Ein Problem für Sie?

Nein, ich freue mich über Unterstützung in sportlichen Belangen. Es ist wichtig, dass ein Sportchef den langfristigen Prozess festlegt und darüber in der Öffentlichkeit Auskunft gibt.

Haben Sie einen Wunsch-Sportchef?

Wie wär’s mit Matthias Sammer? (lacht)

Und realistisch gesehen?

Ich bin offen. Und wenn wie versprochen jemand mit viel Know-How kommt, dann ist dies auch für einen Trainer jene Zusammenarbeit, die man sich auf diesem Niveau wünscht.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 18.12.2017 im «Tagblatt».

veröffentlicht: 18. Dezember 2017 09:45
aktualisiert: 18. Dezember 2017 09:45
Quelle: saz

Anzeige
Anzeige