«Ihr könnt mich doch nicht enteignen»

23.03.2018, 16:30 Uhr
· Online seit 23.03.2018, 12:35 Uhr
Um einen Fussgängerstreifen in Altstätten sicherer zu machen, soll das Haus von Walter Egloff abgerissen werden. Dieser wehrt sich gegen den Abriss und fordert Massnahmen wie die Verschiebung oder Ampeln.
Lara Abderhalden
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Es ist wohl einer der gefährlichsten Fussgängerstreifen im Rheintal, derjenige an der Churerstrasse bei der Ortseinfahrt in Altstätten gleich nach dem Kreisel. Auf einen Kreisel folgt ein kurzer gerader Abschnitt und plötzlich taucht hinter einem Haus ein Fussgängerstreifen auf: «Ich habe mich auch schon dabei erwischt, wie ich im Auto etwas am machen war und im letzten Moment die Kinder am Strassenrand stehen sah», sagt der Altstätter Stadtrat und St.Galler Kantonsrat Andreas Broger.

Ein Haus steht im Weg

Die Schüler müssen dort jeden Tag die Strasse überqueren, da sie in drei verschiedenen Schulen unterrichtet werden. «Wir haben dort eine Schuleinheit, bestehend aus drei Schulhäusern und Kindergärten. Die Schüler müssen für gewisse Lektionen transferieren. Sie laufen also immer hin und her», erklärt Andreas Broger. Er hat den Kanton deshalb in einer einfachen Anfrage aufgefordert, das Problem an der Churerstrasse zu lösen.

Das Hauptproblem sei, gemäss der Antwort des Kantons, eine Liegenschaft, die in der Ecke des Fussgängerstreifens steht. Dieses Haus versperre die Sicht. Deshalb möchte der Kanton das Haus kaufen und abreissen.

«Das ist mein Elternhaus»

Schon länger stand der Abriss von Walter Egloffs Haus im Gespräch. Für den 72-Jährigen aber anfänglich keine Option: «Wir haben geredet. Zweimal waren sie bei mir. Ich habe ihnen gesagt, ihr könnt mir doch nicht einfach das Haus wegnehmen und mich enteignen. Das ist mein Elternhaus.» Walter Egloff hatte das Haus 20 Jahre zuvor komplett renoviert und der Kanton rühmte das Haus in einem Schreiben gar damit, dass es perfekt ins Ortsbild passen würde und schützenswert sei.

Warum kann dort keine Ampel stehen?

Walter Egloff ist sich bewusst, dass die Situation vor seinem Haus absolut unübersichtlich ist. Dies hat er dem Kanton auch schon mehrmals mitgeteilt. «Ich könnte verstehen, wenn man längerfristig gedacht hätte. Für mich kommt der Kanton wie die alte Fasnacht.» Das Problem habe sich erst verschärft, als man mit dem Bau des Kreisels und der Blöcke angefangen habe, meint Egloff. Schon damals hätte man Massnahmen treffen müssen. Dass gleich sein ganzes Haus daran glauben muss, ist für den Senior unverständlich: «Ich habe vorgeschlagen, dass eine Ampel hingestellt wird oder der Fussgängerstreifen verschoben wird, aber man muss doch nicht gleich ein ganzes Haus abreissen?»

Doch, sagt der Kanton. Eine längerfristige Alternative gebe es nicht, schreibt die Regierung: «Neben baulichen Anpassungen wurde unter anderem auch die Installation einer Lichtsignalanlage geprüft. Die vorhandenen Sichtweiten lassen aber auch ein solches Projekt nicht zu», heisst es in einem Schreiben. Auch die Verschiebung komme nicht in Frage, «aufgrund der ungenügenden Warteräume», auch würden sich Sichtweiten durch eine Verschiebung nicht merklich verbessert.

«Ich habe Angst um meine Tochter»

Auch der Stadtrat Andreas Broger weiss: «Die Situation vor Ort kann längerfristig nur mit dem Abriss der Liegenschaft stattfinden.» Sollte der Fussgängerstreifen verschoben werden, würden die Schüler dennoch dort über die Strasse gehen und die Situation noch gefährlicher werden. «Ich kann Walter Egloff absolut verstehen, wenn er das Haus nicht verkaufen will», so Broger. Dies sei sein gutes Recht. Dennoch: «Es muss etwas passieren, bevor dort etwas passiert. Die Leute haben Angst und auch ich habe Angst um meine älteste Tochter, die dort immer die Strasse überquert.»

Bis jetzt habe es noch keinen tragischen Unfall gegeben. Dennoch hätten die Kinder und Lehrer schon vor brenzligen Situationen gestanden: «Zum Glück sind die Kinder sehr diszipliniert, wenn es um das Überqueren der Strasse geht. Sie laufen wirklich erst, wenn ein Auto steht, wir Erwachsene sind dabei schludriger. Ich möchte aber den Tag nicht erleben, an dem dort etwas passiert und wir sagen müssen, wir haben es doch gewusst und nichts gemacht.»

Vorerst gibt es eine 30er-Zone

Vom Tisch ist die Sache noch nicht. Für niemanden. Kurzfristig soll eine 30er-Zone Abhilfe schaffen und die Verkehrsteilnehmer daran hindern, schnell um die Ecke zu schiessen. Längerfristig bleibt der Kanton dabei, das Haus von Walter Egloff abzureissen und ein kleineres oder anders strukturiertes Haus dort hin zu stellen. Denn ein Haus muss dort stehen, dies ist im Ortsbildschutz so festgehalten.

Obwohl sich Walter Egloff vor den Kopf gestossen fühlte, lässt er mit sich reden und kann sich einen Auszug nun längerfristig vorstellen: «Wenn ich und meine Frau nicht mehr gesund sind, könnten wir uns vorstellen, in einer Vierzimmerwohnung zu leben. Dafür müssen aber die Bedingungen des Kantons stimmen. Wir möchten in eine Vierzimmerwohnung ziehen, ohne dabei Geld in die Hand zu nehmen. Wenn der Kaufpreis stimmt, habe ich grundsätzlich nichts dagegen.»

veröffentlicht: 23. März 2018 12:35
aktualisiert: 23. März 2018 16:30
Quelle: abl

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