Justizfall wegen eines Gartenschlauchs

· Online seit 25.11.2017, 10:07 Uhr
In einem Ermatinger Mehrfamilienhaus tobt ein übler Nachbarschaftsstreit. Und das nur, weil Hans-Peter Neuweiler den Gartenschlauchwagen wieder an den richtigen Ort stellte.
Laurien Gschwend
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Martina Eggenberger Lenz/Thurgauer Zeitung

Das Corpus Delicti steht wieder an seinem Platz. Am Rande der unkrautfreien, saftig grünen Rasenfläche, welche das moderne Mehrfamilienhaus umfliesst. Die Liegenschaft an der Seeblickstrasse wirkt sehr gepflegt. Die Eigentumswohnungen sind von gehobenem Standard. Doch eben: Der friedliche Schein trügt. Hinter der blassorangen Fassade bekommen zwei einen roten Kopf, wenn sie aneinander denken. Und alles nur wegen eines Gartenschlauchs.

Kommunikation lief per Mail

Es ist Mai, als Hans-Peter Neuweiler feststellt, dass der Gartenschlauchwagen, welcher der Stockwerkeigentümerschaft gehört, seit längerem auf dem Sitzplatz einer Parterrewohnung parkiert ist – statt am dafür vorgesehenen Ort, der allen zugänglich ist. Neuweiler stört sich an dieser Tatsache und fordert den Eigentümer der Wohnung per Mail auf, den Schlauchwagen zurückzustellen. Weil der Nachbar der Aufforderung nicht nachkommt, betritt Neuweiler den Sitzplatz und bewegt das Wägeli selbst zurück zur Ausgangsposition. Was der 79-Jährige damals noch nicht weiss: Der knapp zweiminütige Aufenthalt in Nachbars Garten wird ihn 1000 Franken kosten.

Der besagte Nachbar zeigt den pensionierten Ingenieur wegen Hausfriedensbruchs an. Neuweiler muss auf den Polizeiposten, eine Aussage machen. Anfang November trifft dann der Strafbefehl bei ihm ein. Der Senior soll eine Geldstrafe, eine Busse und die Verfahrenskosten bezahlen. Er wehrt sich mit einer Einsprache. In dieser hält er fest, dass der Kläger den Gartenschlauchwagen seinerseits eigenmächtig behändigt, beziehungsweise gestohlen habe. Dadurch habe die Eigentümergemeinschaft die Grünfläche nicht bewässern können. Die Sondernutzungsfläche, hier der Sitzplatz, habe betreten werden müssen, um die anstehenden Unterhaltsarbeiten ausführen zu können, argumentiert der Ermatinger, der selbst im ersten Stock wohnt. Gemäss Reglement ist der Zutritt nur der Verwaltung, dem Hauswart und Handwerkern explizit erlaubt. Genützt hat die Einsprache nichts. Die Staatsanwaltschaft hält am Strafbefehl fest. Für Neuweiler gleicht das einem Skandal. Die Staatsanwaltschaft schütze den Täter und bestrafe das Opfer. Zudem sei deren Arbeit unseriös. Im Bericht wird die Nordseite des Gebäudes fälschlicherweise als südliche Seite bezeichnet und umgekehrt. Der zuständige Staatsanwalt müsse entlassen werden. Neuweiler vermutet, dass er, der ehemalige Präsident der örtlichen SVP, nur deshalb so hart bestraft werde, weil er sich bereits kritisch zu überlangen Prozessdauern und zur «schleppenden Arbeitsweise» der Gerichte geäussert habe.

Zum Dank gab es eine Anzeige

Was den Ermatinger an der Sache am allermeisten ärgert, ist, «dass man hier nicht friedlich nebeneinander leben kann». Der Nachbar habe ihn wenig später übrigens noch einmal angezeigt: in der Sturmnacht des 1. August war Neuweiler im Keller bei der Beseitigung des eingedrungenen Wassers behilflich. Auch da wurde ihm Hausfriedensbruch vorgeworfen.

Dieser Artikel erschien am 24. November auf «Tagblatt Online».

veröffentlicht: 25. November 2017 10:07
aktualisiert: 25. November 2017 10:07

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