«Kein Low-Budget-Strafvollzug»

· Online seit 04.04.2018, 14:41 Uhr
Seit Anfang des Jahres können verurteilte Personen schweizweit ihre Haftstrafe im Hausarrest statt im Gefängnis verbüssen. Gebraucht wurden die «elektronischen Fussfesseln» im Kanton St.Gallen bisher nicht.
Stefanie Rohner
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Wer im Hausarrest seine Strafe absitzt, kann zur Arbeit gehen, muss aber danach gleich wieder nach Hause. Diese Art von Strafvollzug ähnelt der Halbgefangenschaft, bei der die Sträflinge zur Arbeit gehen, abends aber wieder ins Gefängnis müssen. Ein Strafvollzug mit der elektronischen Überwachung ist ab einer Freiheitsstrafe von 20 Tagen bis maximal einem Jahr möglich.

«Es gibt Pflichten und einen Vollzugsplan», sagt der St.Galler Regierungspräsident Fredy Fässler. Für langjährige Haftstrafen wäre dieses System nicht geeignet. Mit der elektronischen Überwachung ist es den verurteilten Personen möglich, sich in ihrem sozialen und beruflichen Leben zu bewegen. Nach der Arbeit müssen sie direkt wieder nach Hause, die Zeiten sind festgelegt.

Der Kanton St.Gallen informierte am Mittwoch an einer Medienkonferenz über die neue Methode des Strafvollzugs, betonte aber, dass dies nicht die Regel sein werde. «So wie wir das sehen, soll und wird es nicht zu einem Massengeschäft werden», sagt Fässler. Der Kanton St.Gallen hat fünf dieser Geräte, im Einsatz waren sie aber noch nicht.

«Kein Weltallerheilmittel»

«Electronic Monitoring ist kein Mittel gegen gefährliche Straftäter», sagt Fässler. Man habe das System getestet und festgestellt, dass eine lückenlose Überwachung nicht möglich ist. In Gebäuden oder Tunneln verliert das Gerät den Empfang. Wenn jemand sich ausserhalb des Gebietes befindet, wird Alarm ausgelöst. «Bis aber die Polizei vor Ort ist, kann dies eine Weile dauern. Deswegen ist es nicht dafür gedacht, Delikte zu verhindern», sagt Fässler. Wolle jemand Böses, würde er sich von der elektronischen Fussfessel nicht abhalten lassen.

Für Fässler ist Electronic Monitoring ein sinnvolles Mittel bei kurzen Haftstrafen, nicht aber «ein Weltallerheilmittel» zum Verhindern schwerer Straftaten.Vorerst wird im Kanton St.Gallen erst nachträglich kontrolliert, ob die Person zu den vereinbarten Zeiten zu Hause war und das Wochenprogramm eingehalten wird. Man kontrolliert die vergangenen 24 Stunden. Wird gegen die Auflagen verstossen, gibt es eine Verwarnung, gekürzte Freizeit oder den Abbruch des Strafvollzugs mit der elektronischen Fussfessel. «Die Welt wird mit der elektronischen Fussfessel nicht gefährlicher, aber auch nicht sicherer», sagt Fässler.

Electronic Monitoring sei auch kein Low Budget Strafvollzug, sagt der St.Galler Regierungspräsident. «Es gibt Aufwand in der Kontrolle, ausserdem ist die elektronische Fussfessel auch nicht günstig», sagt Fässler. Die einmaligen Aufschaltkosten lagen bei 51'200 Franken. Die jährlichen Kosten für den Server betragen 99'590 Franken und die variablen Kosten belaufen sich auf 12'000 Franken. Der Strafgefangene bezahlt eine Kostenpauschale von 20 Franken am Tag.

Begleitung ist nötig

Für das Electronic Monitoring gibt es ein Empfangsgerät und die elektronische Fussfessel. Ist kein Signal vorhanden, erscheint auf dem Server eine Fehlermeldung. Wenn also das Signal fehlt, obwohl der Zeitplan vorsieht, dass die verurteilte Person zu Hause sein müsste, muss sich die Person umgehend melden.

«Wir müssen damit rechnen, bis zu 15 Minuten Verzögerung der Signale zu haben, da der Empfang zum Satelliten oder Gerät nicht immer gewährleistet ist», sagt Stefan Monstein, Leiter der Bewährungshilfe. Auf GPS hat man verzichtet, weil man der Meinung war, damit nur eine Scheinsicherheit zu schaffen. Denn wie Fässler sagt: «Auch mit einer lückenlosen Überwachung lassen sich Straftaten nicht verhindern».

Da man mit Menschen und nicht nur mit Technik zu tun hat, braucht es die Begleitung durch die Bewährungshelfer. Einmal in der Woche gibt es ein Gespräch. Erfahrungen aus den Versuchskantonen hätten gezeigt, dass es eine psychosoziale Begleitung brauche.

Damit ein Gesuch für eine elektronische Überwachung genehmigt wird, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt werden. Es gibt eine Risikoanalyse, es wird geprüft, ob der Wohnort dafür geeignet ist und ob die verurteilte Person einen Job hat. Wird ein Gesuch bewilligt, werden alle nötigen Rahmenbedingungen festgelegt, sagt René Frei, Leiter Straf-  und Massnahmenvollzug.

Für Fässler ist diese Art von Strafvollzug eine sinnvolle Ergänzung zu Halbgefangenschaft und gemeinnütziger Arbeit. «So verliert der Betreffende seine Arbeitsstelle nicht. Denn mit Blick auf die Resozialisierung wäre das ein Nachteil», sagt Fässler.

Er sagt, diese Art von Vollzug sei aber nicht zwingend einfacher, auch wenn die Verurteilten die Haftstrafe im Hausarrest absitzen können. «Es gilt, direkt nach der Arbeit nach Hause zu gehen und erst am nächsten Tag das Haus wieder zu verlassen. Das kann auch eine Belastung sein. Das bekannte soziale Leben kann nicht so gepflegt werden, wie zuvor», sagt Fässler.

veröffentlicht: 4. April 2018 14:41
aktualisiert: 4. April 2018 14:41
Quelle: sro

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