Keine Aliasnamen bei St.Galler Callcentern

26.06.2017, 15:10 Uhr
· Online seit 26.06.2017, 14:32 Uhr
Wer im Callcenter des Versicherungskonzerns Swiss Life arbeiten möchte, muss einen Schweizer Namen haben - oder sich einen solchen geben lassen. Bei St.Galler Unternehmen kennt man diese Praxis nicht, wie es auf Anfrage heisst.
Laurien Gschwend
Anzeige

Eine verdeckte Recherche der «SonntagsZeitung» sorgte gestern Sonntag für Aufregung. Ein Journalist des Mediums gab sich als serbischstämmiger Wirtschaftsstudent aus - um später vom Personalverantwortlichen zu erfahren, dass die «Möglichkeit von Aliasnamen» bestehe. Mitarbeitenden des Contact Centers werde nahegelegt, «sich bei Kunden mit einem schweizerisch anmutenden Falschnamen zu melden», ist dem Artikel zu entnehmen. Auch wenn jemand akzentfrei Deutsch spreche und in der Schweiz bereits seine Kindheit verbracht habe. Nicht der Schweizer Pass sei entscheidend, sondern die «Klangfarbe des Namens».

Raiffeisen setzt auf echte Namen

«Diese Praxis kennen wir definitiv nicht», sagt Cécile Bachmann, Mediensprecherin von Raiffeisen Schweiz mit Hauptsitz in St.Gallen. «Unsere Mitarbeitenden treten mit ihrem richtigen Namen auf.» Das Callcenter der Raiffeisen mache kaum aktive Kampagnen mit «Cold Calls» bei Personen, die man nicht kenne. «Uns kontaktieren in erster Linie Kunden, die ein Problem haben.» Deshalb könne auch nicht beurteilt werden, ob Mitarbeitende mit ausländischen Namen weniger Geschäfte abschliessen als jene mit einem Schweizer Geschlecht.

«Ich glaube, wir haben im Allgemeinen nicht viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem ausländischen Namen», ergänzt Bachmann.

Helvetia: «Migration ist den Kunden bewusst»

Auch die Versicherung Helvetia mit Konzernsitz in St.Gallen hält wenig von Aliasnamen. «Wir sehen keinen Grund, eine solche Praxis anzuwenden», sagt Mediensprecher Jonas Grossniklaus. «Wir stellen fest, dass unseren Kunden bewusst ist, dass es in der Schweiz Migration gibt.» Im Contact Center der Helvetia beschäftige man eine Anzahl Mitarbeitende, deren Gross- oder Urgrosseltern in die Schweiz eingewandert seien und die perfekt Schweizerdeutsch sprächen. «Wenn diese einen ausländischen Namen haben, ist das kein Problem.»

«Dialekt wird sehr geschätzt»

Gemäss Grossniklaus haben die Helvetia-Kunden eine Vorliebe, was die Sprache der Callcenter-Mitarbeitenden anbelangt: «Wir stellen fest, dass es allgemein sehr geschätzt wird, wenn man in Dialekt beraten wird.» Die Schweizerdeutschkenntnisse seien bei der Einstellung ein Thema, «aber am Ende gibt es bei uns auch Personen, die nur Hochdeutsch können».

Jonas Grossniklaus sind keine Reaktionen von Kunden bekannt, die nicht damit einverstanden waren, sich von einer Person mit ausländisch klingendem Namen beraten zu lassen. Wichtiger als ein Schweizer Name sei, einen kompetenten Eindruck zu hinterlassen.

Versandgroup: «Wir sind alle Menschen»

Roland De Vallier, der Besitzer der Versandgroup, vertreibt per Telemarketing Nahrungsergänzungsmittel. Die Ostschweizer Standorte des Unternehmens befinden sich in St.Gallen und Buchs. «Eine Handhabung wie jene von Swiss Life gibt es in unseren Callcentern nicht. Wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter das Gefühl hat, ihr oder sein Name sei schwer aussprechbar, darf sie oder er sich aber einen Künstlernamen zutun.» Nach dem Wissensstand von De Vallier macht dies aktuell niemand in seinem Unternehmen. «Wir sind alle Menschen, egal woher wir kommen.»

In der Vergangenheit sei es bei der Versandgroup vereinzelt vorgekommen, dass Callcenter-Manager ihren Mitarbeitenden Übernamen gegeben hätten. «Wir sind dann zum Schluss gekommen, dass ein solches Vorgehen keinen Sinn ergibt.» Es habe «überhaupt nichts mit dem Namen zu tun», ob jemand Erfolg habe oder nicht.

Hast du einmal in einem Callcenter gearbeitet und dir einen «Zweitnamen» zulegen müssen? Schreibe es uns in die Kommentare.

veröffentlicht: 26. Juni 2017 14:32
aktualisiert: 26. Juni 2017 15:10

Anzeige
Anzeige