Klangkünstler verklagt Klangweg

· Online seit 27.07.2017, 08:55 Uhr
Die Demontage und Ersetzung eines Instruments im Klangweg Toggenburg sorgt für Misstöne. Der Erfinder Lukas Rohner will nun wegen Urheberrechtsverletzung gerichtlich gegen die Verantwortlichen des Klangwegs vorgehen.
Stephanie Martina
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Der Basler Klangkünstler Lukas Rohner ist empört. Ohne ihn zu fragen, hätten die Verantwortlichen des «Toggenburger Klangwegs» eines seiner Instrumente abmontiert, zerstört und durch eine Fälschung ersetzt, berichtet die «Aargauer Zeitung». Dort, wo zuvor sein Werk mit dem Namen «De loschtig Puurehag» - ein klingendes Brückengeländer - an einer rund acht Meter langen Holzbrücke war, steht heute ein «billiger Lattenzaun aus Lärchenbrettern» - wie Rohner es formuliert. «Dieser Haag ist eine grauenvolle Fälschung meines Werks, eine Verhunzung», ärgert sich der Instrumentenerfinder.

Zwar hätte der Klangweg das Recht, ein Instrument jederzeit abzumontieren und es durch ein anderes, komplett neues zu ersetzen. «Allerdings verstösst es gegen das Urheberrecht, wenn mein Kunstwerk durch eines ersetzt wird, das ein billiges Imitat ist», betont Rohner. Denn sowohl «De loschtig Puurehag» als auch die neue «Klangbrücke» hätten die gleiche Werkidee: Die Besucher würden mit einem Stock über das Brückengeländer streichen und den Tönen lauschen.

Technisch, ästhetisch und physikalisch sei das jetzige Instrument jedoch nicht mit seinem zu vergleichen: «Ich habe etwa 170 halbrunde Holzsprossen aus Robinie und Fichte auf einen bestimmten Ton gestimmt und sie so angeordnet, dass beim Drüberstreichen das Toggenburger Volkslied ‹Es chont en loschtige Puurebueb› erklingt. Der neue Lärchen-Haag macht eher Kratzgeräusche», sagt der Instrumentenbauer. Er habe für seine Erfindung genug lange experimentiert, um zu wissen, dass diese Brücke «Pfusch» sei.

«De loschtig Puurehag» von Künstler Lukas Rohner vs. «Klangbrücke» der «Klangwelt Toggenburg»

«Es war ein Schock!»

Wann sein Werk zerstört wurde, weiss Rohner, der selbst einmal künstlerischer Leiter des «Toggenburger Klangwegs» war, nicht. Bemerkt hat er es im Februar – per Zufall, weil er den «Klangweg Toggenburg» als Referenz bei einem potentiellen Auftraggeber angeben wollte. Auf der Webseite des Klangwegs stellte er mit Schrecken fest, dass seine Installation verschwunden war und sein Name nun neben einem neuen Werk stand. «Es war ein Schock!», sagt der Künstler.

Als sich Rohner daraufhin erkundigt habe, was mit seinem Werk geschehen sei, hätte man ihm gesagt, dass das Holz morsch gewesen sei und ersetzt werden musste. Daraufhin habe er sofort verlangt, dass sein Name auf Tafel, auf Webseite und in Prospekten entfernt werde. «Wenn ich für ein Werk von solch miserabler Qualität geradestehen muss, ist das für mich rufschädigend. So etwas ist moralisch absolut fragwürdig.»

Enttäuschung, Ärger und Verständnislosigkeit

Nachdem der Klangkünstler den ersten Schock verdaut hatte, überwiegen andere Gefühle: Enttäuschung, Wut, Frust und Unverständnis für das Vorgehen des Klangwegs. «2013 hat mich eine Mitarbeiterin des Klangwegs angerufen und gefragt, was es kosten würde, ein paar verwitterte Latten zu ersetzen. Ich habe mir die Sache vor Ort angeschaut und gesehen, dass eine Restauration nicht dringend ist, habe aber eine Kostenschätzung gemacht: 3000 bis 4000 Franken.» Daraufhin hätte er nichts mehr gehört - und Jahre später feststellen müssen, dass seine Klanginstallation schon längst entsorgt wurde.

Rohner plant rechtliche Schritte

Für Lukas Rohner ist klar: Hier handelt es sich um Kunstfälschung und um eine Verletzung des Urheberrechts. «Das kann ich nicht hinnehmen», betont er. Mehrfach habe er in den letzten Monaten um ein klärendes Gespräch gebeten, allerdings vergebens. Auch der St.Galler Regierungsrat und Klangwelt-Vizepräsident Martin Klöti hätte ihn abgewimmelt und an Präsident Mathias Müller verwiesen. Daraufhin hätte er sich erneut an den Präsidenten gewendet und dieser hätte ihm geraten, den Rechtsweg zu beschreiten, wenn ihm die angebotene Entschädigung von 500 bis 800 Franken nicht genüge. Dies tut Rohner nun. Er hat das Rechtsgutachten, das die Stiftung in Auftrag gegeben hatte, von mehreren, teils staatlichen Juristen begutachten lassen, die alle zum Schluss kämen, dass er das Recht ganz klar auf seiner Seite habe.

«Keine böse Absicht»

Die Anschuldigungen, das Urheberrecht verletzt zu haben und Kunst zu fälschen, lässt Mathias Müller, Präsident der Stiftung «Klangwelt Toggenburg» nicht auf sich sitzen. Er betont, dass man den «morschen Zaun» aus Sicherheitsgründen entfernt und durch einen neuen ersetzt hätte. «Wir sind für die Sicherheit und den Unterhalt der Instrumente zuständig und deshalb haben wir uns auch bei dieser Installation um den Unterhalt gekümmert», erklärt Müller.

Kleinere Unterhaltsarbeiten würde man in Eigenregie durchführen, grössere in Absprache mit dem Künstler. Dass dies im Falle von Lukas Rohner und seinem Werk nicht passiert ist, bedauert Müller. «Dass wir den Künstler nicht informiert haben, war keine böse Absicht, sondern ein Versehen. Wir würden bei einem nächsten Mal bestimmt anders vorgehen.» Den Ärger von Lukas Rohner kann Müller ein Stück weit nachvollziehen. Deshalb habe man ihm auch eine Umtriebsentschädigung angeboten. Weil Rohner diese abgelehnt hatte und sich keine gütliche Einigung erzielen liess, habe man ihm geraten, den Rechtsweg zu beschreiten.

Bei der Klangwelt blickt man einem allfälligen Verfahren entspannt entgegen, da man bezüglich Urheberrecht die notwendigen rechtlichen Abklärungen getätigt hätte. «Dem Wunsch des Künstlers, das Schild mit seinem Namen beim neuen Werk zu entfernen, sind wir umgehend nachgekommen. Wenn die Installation nicht unter seinem Namen läuft, ist es unproblematisch», sagt Müller und erklärt, dass der Haag nun auch tatsächlich anders aussehe und anders funktioniere als der ursprüngliche. Jetzt sei es ein normaler Holzhaag, der zwar ebenfalls Klänge erzeuge, allerdings keine Melodie mehr.

«Kein Versehen»

Diese Rechtfertigung hält Künstler Lukas Rohner für eine Ausrede. «Von einem Versehen würde ich bei einer Einzeltat sprechen. Aber in diesem Fall gab es eine Reihe von Entscheidungen: Vom Entschluss, einen Voranschlag für eine Reparatur bei mir einzuholen, mir den Auftrag dann nicht zu erteilen, der Entscheid, einen neuen Haag zu gestalten und meinen Klangzaun abzumontieren. Dann im Internet das Foto des ursprünglichen Werks auszutauschen, den Text dazu aber nicht.» Dass man ihn während dieses Prozess nicht ein einziges Mal kontaktiert habe, könne kein Versehen sein.

Doch Rohner hat eine Vermutung, warum sich die Verantwortlichen für ein komplett neues Werk entschieden haben: Geldsorgen. «Vermutlich ist ihnen die Reparatur zu teuer gewesen. Halbrundhölzer, wie ich sie verwendet habe, sind teurer als die jetzigen Rechtecklatten. Die ehemalige Kuratorin Nadja Räss hat in einem unserer wenigen Telefonaten erwähnt, dass die finanzielle Lage des Klangwegs alles andere als rosig sei.» Nach wochenlangem Nachfragen habe Rohner dann erfahren, dass das Imitat seines «Puurehags» durch Räss selbst konzipiert wurde.

«Verhalten passt zum Klangweg»

Rohner ist enttäuscht, wie die Verantwortlichen des Klangwegs mit ihm umgehen. In seinen Augen sollte ein Museum immer einen freundschaftlichen, korrekten und fairen Umgang und eine offene Kommunikation mit seinen Künstlern pflegen. Überrascht ist Rohner vom Verhalten der Verantwortlichen jedoch nicht. «Der Vorfall passt zu meinem bisher gewonnen Bild der «Toggenburger Klangwelt». Sie würdigen die Qualität und den Wert eines Werks einfach nicht.»

veröffentlicht: 27. Juli 2017 08:55
aktualisiert: 27. Juli 2017 08:55
Quelle: stm

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