Er läuft, fliegt und paddelt bis nach Rotterdam

31.05.2017, 08:15 Uhr
· Online seit 30.05.2017, 05:46 Uhr
Er bezeichnet sich selbst nicht als Extremsportler und doch ist das, was er tut, extrem. Extrem mutig, extrem interessant und einzigartig. Mit Velo, zu Fuss, mit Gleitschirm und Kanu möchte der St.Galler Ruedi Gamper innerhalb von nur zwei Wochen von St.Gallen nach Rotterdam. Ohne Auto, ohne Flug - nur er und die Natur.
Lara Abderhalden
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Wenn Ruedi Gamper etwas nicht kann, dann ist es ruhig zu sitzen. So verwundert es nicht, dass das Interview nicht wie üblich wohlgesittet an einem Tisch stattfindet, sondern mitten auf der Sitter in St.Gallen in einem Kanu. Während er fröhlich lächelnd das Kanu durch das ruhige Gewässer lenkt, beginnt der 34-Jährige zu erzählen.

«Habe einen Flick ab»

«Die Idee kam mir vor vier Jahren. Ich habe einem Kollegen versprochen, ihn mit dem Kanu in Stuttgart zu besuchen. Irgendwie wurde aus Stuttgart dann plötzlich Rotterdam und zum Kanu kamen noch Gleitschirm, Biken und Klettern dazu. So bin ich halt. Meine Mutter denkt, ich habe einen Flick ab, andere finden, ich müsse immer übertreiben. Die meisten kennen mich aber und wissen, dass ich nicht nach den Gesellschaftsnormen lebe», sagt Ruedi Gamper und lacht. Er liebe die Herausforderung.

«Es ist wie bei jeder anderen Sportart auch. Wenn man einen Marathon läuft, finden einige auch, das ist extrem oder können nicht nachvollziehen, warum andere das tun. Wenn man jedoch eine Tätigkeit schon lange ausübt, weiss man, was man tut und kann auf seine Erfahrungen bauen und immer wieder Neues ausprobieren.» Ausprobieren – dies wohl das Lebensmotto, das Ruedi Gamper antreibt.

Mit dem Kanu um den Säntis

Es ist nicht das erste Mal, dass der Besitzer der Süd-Bar in St.Gallen etwas wagt. In Peru hat er bereits sechs Fünftausender bestiegen und vor vier Jahren fuhr er mit einem Kollegen mit seinem Kanu alle Gewässer rund um den Säntis ab. Trotzdem ist dieses Projekt anders, eine Art Lebensaufgabe: «So wie ich hat diese Strecke noch niemand zurückgelegt. Ich wollte einfach alle Sportarten, die ich liebe, die mich reizen, vereinen», sagt der 34-Jährige.

Einen Traum Sich zu fühlen wie ein ? #ruediontour #keen #keeneurope #paragliding #paradise #yes #höhenangst #hihihaha

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Ruedi Gampers Reise beginnt am 5. Juni vor der Süd-Bar in St.Gallen. Von dort aus wird er mit dem Velo ins Engadin fahren, auf den Piz Palü laufen und klettern und mit dem Gleitschirm nach Disentis fliegen. Von Disentis geht die Reise im Kanu weiter. «Ich werde dem Rhein entlang bis nach Rotterdam fahren.» Von Rotterdam aus geht es mit einigen Kollegen mit dem Velo samt Anhänger ab nach Portugal zum Surfen. Um für die Reise zu trainieren, rennt Gamper zum Beispiel mal eben auf den Schäfler im Alpstein. Für andere eine Tagesreise.

Grösste Herausforderung ist das Fliegen

Verrückt und doch glaubt man dem grossen Mann mit den vor Begeisterung glänzenden Augen. Man glaubt ihm, wenn er sagt, dass er weder nervös ist, noch Angst hat. «Ich bin gut vorbereitet.» Einzig vor dem Fliegen habe er ein wenig Respekt: «Das Fliegen beherrsche ich am wenigsten. Laufen kann ich schon länger, Velo fahren und Kanu fahren auch. Gleitschirm fliege ich erst seit zwei Jahren.»

Ausserdem wisse er halt überhaupt nicht, was ihn erwartet. «Ich habe die Wasserstände geprüft, habe eine gute Ausrüstung, Proviant und Zelt dabei, trotzdem hängt mein Projekt schlussendlich vor allem von einem Faktor ab: dem Wetter.» Bei schlechtem Wetter kann Ruedi Gamper nicht wie geplant fliegen, ausserdem können sich die Wasserstände noch verändern. «Gut möglich, dass ich meine Route noch ändern muss.»


Ziel: Weltrekord!

Das Ziel hingegen ist klar: «Schön wäre es, den Weltrekord zu knacken.» Einem Deutschen gelang es, von Chur nach Rotterdam zu paddeln und dies in sechs Tagen. Diesen Rekord möchte Ruedi Gamper gerne brechen: «Ich werde, wenn nötig, auch nachts mit einer Stirnlampe unterwegs sein. Ich paddle, bis ich nicht mehr kann.» Für alle seine Materialien hat er in seinem Kanu eine verschliessbare Öffnung. «Ich werde mich hauptsächlich von Power-Müesli ernähren.» Sollte er den Weltrekord nicht schaffen, möchte er es ein Jahr später nochmals versuchen.

«Mit Singen fühle ich mich weniger allein»

Wer sich in diesen Sportarten auskennt, weiss, dass es nicht nur das Wetter ist, welches diesen Trip nicht ganz ungefährlich macht. Überall hat es Wasserfälle, Strömungen, Transport- oder Frachtschiffe, in den Bergen gibt es Steinschläge, beim Fliegen unerwartete Wetterumschwünge – es gibt so manche Gefahren, aber: «Ich brauche das. Das ist meine Welt.»

Dass er beim Trip ganz auf sich alleine gestellt sein wird, stört ihn nur zum Teil: «Ich werde mich wohl mit der Zeit etwas einsam fühlen. Ich bin ein Gesellschaftsmensch und gerne unter Leuten. Deshalb werde ich wohl irgendwann zu singen beginnen, dann fühle ich mich wohl und habe das Gefühl, nicht alleine zu sein.»

Ruedi Gamper lenkt das Kanu zurück ans Ufer, zieht es aus dem Wasser, platziert das Ruder neben dem Kanu. Ans Hinsetzen denkt der St.Galler gar nicht erst. «Vielleicht gibt es heute noch einen Berglauf im Alpstein oder eine weitere Kanu-Tour. Irgendetwas muss ich doch tun bei diesem tollen Wetter, oder nicht?»

Wer die Reise von Ruedi Gamper verfolgen möchte, kann dies auf seiner WebsiteFacebook und Instagram tun.


veröffentlicht: 30. Mai 2017 05:46
aktualisiert: 31. Mai 2017 08:15

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