Mit Farbspray gegen Bünzlitum und Rassismus

03.10.2017, 22:29 Uhr
· Online seit 03.10.2017, 17:05 Uhr
Während eine Rentnerin in Wittenbach mit Farbspray gegen ein Fussball-Verbot für Kinder kämpft, kämpft ein rassistischer Anwohner mit Briefen gegen dunkelhäutige Nachbarn.
Sandro Zulian
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Seit Juli stehen im Wittenbacher Obstgarten-Quartier drei Verbotsschilder. Nachdem es einem Teil der Anwohner zu laut wurde, ist es den Kindern im Quartier nun untersagt, auf dem Rasen zwischen den Wohnhäusern zu «tschutten». Nachdem die Rentnerin Anneliese Adolph bereits im Sommer einen Abfallsack über eines der Verbotsschilder zog, «um den Leuten zu zeigen, was das für ein Müll ist», hat sie nun zu einem rabiateren Mittel gegriffen: Der «Blick» nennt sie «Die Sprayer-Oma».

Mit Farbspray gegen das Verbot

Sie sei kurzerhand in die «Landi» gegangen und habe den Verkäufer nach einem wasserfesten Spray gefragt, sagt die 85-Jährige: «Der Verkäufer hat gesagt: ‹Ich verkaufe Ihnen die Dose schon, aber ich weiss von nichts›». Kurzerhand und am helllichten Tage habe sie dann eine der drei Tafeln eingesprayt. Jemand hat daraufhin wohl die Polizei gerufen, gegen Anneliese Adolph wurde eine Anzeige wegen Sachbeschädigung eingereicht.

Die Kantonspolizei St.Gallen hat Kenntnis vom Fall und diesen der Staatsanwaltschaft übergeben. Die Verwaltung der Liegenschaft will sich zum aktuellen Fall der «Sprayer-Oma» nicht äussern.

«Der Knast wäre bestimmt interessant»

«Wenn ich eine Strafe krieg, dann geh ich sammeln», sagt Anneliese Adolph, die in Berlin geboren ist und seit 50 Jahren in Wittenbach lebt. «Jeder wird mir etwas geben, da bin ich sicher.» Wenn die alte Dame die Geldstrafe, die sie bald erwartet, nicht bezahlt, müsste sie theoretisch ins Gefängnis. «Wenn ich ein paar Tage in den Knast müsste, fände ich das ganz interessant.» In ihrer Stamm-Migros sei ihr gar zugesichert worden, man werde sie im Falle einer Inhaftierung besuchen: «Dann hab ich aber gesagt, sie sollen mich doch alle nacheinander besuchen kommen, dann wird mir nicht so langweilig!» Anneliese Adolph beginnt laut zu lachen und kann sich kaum wieder beruhigen.

Alles für die Kinder - immer

Beim Thema Kinder wird die Rentnerin allerdings wieder ernst: «Ich setze mich gegen alle Widerstände für die Kinder ein. Und ich werde es immer wieder tun. Auch das Sprayen.» Es könne nicht sein, dass Kinder auf einer eigens dafür angelegten Wiese nicht mehr spielen und lachen dürfen, ohne dass sich Nachbarn darüber ärgern. «Ich habe sogar zu den Eltern gesagt, sie sollen ihren Kindern doch ein grosses Pflaster über den Mund kleben, wenn sie rausgehen.» Und auch an die Adresse der genervten Nachbarn hat Adolph eine klare Ansage: «Ziehen Sie doch in den Wald».

Ein Fall von offenem Rassismus

Eine Anzeige wegen Sachbeschädigung und viel Medienpräsenz. Das ist die Bilanz von Anneliese Adolph. Doch als FM1Today die rüstige Dame besucht, kommt noch etwas ganz anderes ans Licht. Ein Brief eines Nachbarn, adressiert an einen dunkelhäutigen Familienvater in der Siedlung. Der Vater von zwei fussballverrückten Buben nahm im Sommer öffentlich Stellung und nervte sich über die Nachbarn, die sich für die Fussball-Verbotsschilder und gegen den Kinderlärm eingesetzt haben. Damals sagte er: «Das sind doch Spielverderber! Die Kinder spielen doch nur. Natürlich machen sie dabei auch Lärm, das ist halt so».

«Halt die Schnurre»

Nach dieser Aussage bekam der dunkelhäutige Mann aus Wittenbach einen rassistischen und massiv beleidigenden Brief, der FM1Today vorliegt. Ausdrücke wie «du Schafseckel», «Krüppelcheib» und «halt [...] die Schnurre, du hast uns Schweizern überhaupt nichts zu sagen», gehören zu den harmloseren. Den Mumm seinen Namen unter den Brief zu schreiben, hatte die oder der Schreiber/in aber nicht.

Ganz anders Anneliese Adolph. Mit allen Mitteln kämpft sie gegen das Tschutti-Verbot und dafür, dass Kinder Kinder sein dürfen. Und was sagt die Sprayer-Oma zu dem rassistischen Brief? «Nichts, gar nichts. Ich habe einfach nur geweint.»

veröffentlicht: 3. Oktober 2017 17:05
aktualisiert: 3. Oktober 2017 22:29
Quelle: saz

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