Mit Selfie-Videos Lernende anwerben

· Online seit 05.06.2017, 13:24 Uhr
Das Kantonsspital St.Gallen wirbt mit neuen Selfie-Berufsporträts für seine 700 Ausbildungsplätze. Auch andere Spitäler im FM1-Land haben erkannt, dass man einiges investieren muss, um die Aufmerksamkeit angehender Lernender zu erlangen.
Laurien Gschwend
Anzeige

«Hey, ich bin Olivia, und ich mache eine Ausbildung zur Medizinischen Praxisassistentin», beginnt einer der neuen Berufsfilme des Kantonsspitals St.Gallen. Die junge Frau führt ihre Zuschauerinnen und Zuschauer mit einer Selfie-Kamera durch ihren Berufsalltag. Am Ende des anderthalbminütigen Spots zeigt Olivia, dass sie neben ihrer Ausbildung auch ihre Freizeit geniessen kann - zum Beispiel beim Anfeuern des FC St.Gallen.

Olivia wird zur «Medizinischen Praxisassistentin EFZ» ausgebildet:

Neben Olivia erzählen weitere junge Menschen, dass eine Ausbildung beim Kantonsspital die richtige Wahl für sie ist. «Wir wollten authentische Videos machen, die den jungen Leuten entsprechen», sagt Philipp Lutz, Medienbeauftragter des Kantonsspitals St.Gallen. Aus diesem Grund habe man keine Schauspieler, sondern echte Lernende als Protagonisten gewählt. «Das ist ein zentrales Element der neuen Filme. Die Auszubildenden hatten viel Spass beim Projekt.» Angehörige der Lernenden seien als Patienten zur Verfügung gestanden.

Die neun neuen Imagefilme sind seit einigen Tagen über die Webseite, Facebook, Youtube und das Intranet abrufbar. «Die Zugriffe sind erfreulich», sagt Lutz. Man habe diesen Zeitpunkt für die Publikation gewählt, weil man die Lehrstellen für das Folgejahr jeweils am 1. Juni ausschreibe.

«Ein Stück moderner»

Das Kantonsspital habe bereits früher über Berufsporträts in Bewegtbild verfügt, so Lutz, «sie sollten aber ein Stück moderner daherkommen». Laut dem Medienverantwortlichen konnten die Imagefilme mit dem gewöhnlichen Werbebudget finanziert werden, eine St.Galler Filmagentur habe sie produziert.

Desirée stellt die Ausbildung zur «Diplomierten Fachfrau Operationstechnik HF» vor:

Kein Problem, Lernende zu finden

Wie Lutz sagt, hat das Kantonsspital St.Gallen grundsätzlich keine Mühe, Lernende zu finden. «Das freut uns natürlich sehr.» Das «sehr grosse Angebot» in 14 Grundausbildungsberufen und sechs Ausbildungen auf Stufe Höhere Fachschule könne man gut abdecken mit geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern. «Das zeigt, dass es nach wie vor interessant ist, in solch einem grossen Spital zu arbeiten.» Mehr Mühe habe man hingegen, wenn es darum gehe, spezialisierte Fachkräfte zu finden - und diese über längere Zeit zu binden.

Jugend mit modernen Medien abholen

«Die Situation ist so, dass die kleinen Schulabgänger-Jahrgänge die Nachfrage der Ausbildungsbetriebe nicht decken können», sagt Ruedi Giezendanner, Leiter des St.Galler Amts für Berufsbildung. Dies führe dazu, dass die Betriebe miteinander in Konkurrenz stehen. «Durch moderne, jugendgerechte Medien versuchen sie, die Jugendlichen abzuholen», erklärt er sich die Massnahme des Kantonsspitals St.Gallen.

Graubünden will Ausbildung ein Gesicht geben

Das Kantonsspital Graubünden ist aktuell dabei, eine Webseite aufzubauen, die Jugendliche im Berufswahlalter ansprechen soll, sagt Andrea Weibel, Leiterin Bildung. «Soeben haben wir die Dreharbeiten für Videos, welche die entsprechenden Ausbildungen zeigen, abgeschlossen.» Man könne sich auch vorstellen, dass sich die Jugendlichen für ein zukünftiges Projekt selber filmen.

Der Aufbau des neuen Internet-Auftritts habe nichts mit der aktuellen Lernenden-Situation zu tun, so Weibel. «Alle Lehrstellen für den Sommer 2017 haben wir besetzen können.» Viel mehr wolle man der Ausbildung am Kantonsspital Graubünden ein Gesicht geben.

Tertiärstufe bereitet Mühe

Seien viele junge Menschen dazu bereit, eine Grundausbildung am Kantonsspital Graubünden zu absolvieren, habe man mehr Mühe, Auszubildende auf Tertiärstufe (Höhere Fachschule) zu finden. «Es gibt jeweils Praktikumsplätze, die nicht besetzt werden können.» Das liege daran, dass es viele andere attraktive Ausbildungsmöglichkeiten gebe. Zudem spüre man wohl die geburtenschwächeren Jahrgänge. «Und neu kann man sich auch an der Fachhochschule im Pflegebereich ausbilden lassen, weshalb ein Teil der Höheren Fachschule ausfällt.»

Spital Thurgau begrüsst Video-Idee

Agnes König, Pflegedirektorin am Spital Münsterlingen und Pflege-Vertreterin in der Geschäftsleitung des Spitals Thurgau, kann sich «auf jeden Fall» vorstellen, ähnliche Videos wie das Kantonsspital St.Gallen zu veröffentlichen. «Wir haben uns auch schon darüber unterhalten, mit welchen zusätzlichen Aktivitäten wir junge Leute für Pflegeberufe gewinnen können.» Derzeit präsentiere man sich an Messen und informiere potenzielle Lernende und ihre Familien an öffentlichen Veranstaltungen.

Gesundheitsbranche mit «latentem Imageproblem»

Man könne die Ausbildungsplätze zwar besetzen, sagt König. «Wir bekommen aber nicht einfach so einen Haufen Bewerbungen. Wir müssen etwas unternehmen, um die Leute zu gewinnen.» Auch wenn die Attraktivität von Gesundheits- und Sozialberufen gesamthaft wohl ein wenig zugenommen habe, spüre man nach wie vor ein «latentes Imageproblem». Fakt sei, dass man in Zukunft mehr Fachkräfte brauche, als man heute ausbilden könne.

Ausserrhoder Spitalverbund freut sich über viele Bewerbungen

Gemäss Caroline Ritter, Leiterin Personalmanagement, können die Lehrstellen beim Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden gut besetzt werden. «In den letzten Jahren haben alle die Lehrabschlussprüfung bestanden», was sehr erfreulich sei. Vor allem die Pflegeberufe beim Spitalverbund hätten einen guten Ruf, weshalb man viele Bewerbungen empfange. Wie auch bei anderen Spitälern stelle der Tertiärbereich eine Herausforderung dar.

Grundsätzlich könne man sich vorstellen, ebenfalls mit Kurzfilmen für die Lehrstellen zu werben. «Eine weitere Idee wäre, direkt bei den Schulen vorbeizugehen und die Berufsmöglichkeiten vorzustellen.»

veröffentlicht: 5. Juni 2017 13:24
aktualisiert: 5. Juni 2017 13:24

Anzeige
Anzeige