No-Billag-Initiative wuchtig verworfen

04.03.2018, 17:59 Uhr
· Online seit 04.03.2018, 16:18 Uhr
Die Radio- und Fernsehgebühren werden nicht abgeschafft. Volk und Stände haben die No-Billag-Initiative am Sonntag deutlich abgelehnt. 71,6 Prozent der Stimmenden und sämtliche Stände sagten Nein. Die grosse Mehrheit stellte sich damit hinter den medialen Service public.
Laurien Gschwend
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Rund 2'098'100 Personen stimmten Nein, 833'600 Personen nahmen die Initiative an. In der Romandie wurde das Volksbegehren am deutlichsten abgelehnt. Den höchsten Nein-Stimmen-Anteil verzeichnete der Kanton Neuenburg mit 78,3 Prozent, gefolgt von den Kantonen Jura (78,1), Freiburg (77,6), Graubünden (77,2) und Waadt (76,5).

Die höchste Zustimmung meldete der Kanton Schwyz. Auch dort lehnten aber 62,4 Prozent der Stimmenden die Initiative ab. Im Kanton Schaffhausen waren es 62,7 Prozent.

Heftiger Abstimmungskampf

Ein Nein hatte sich zwar abgezeichnet, doch ist das Resultat deutlicher ausgefallen als erwartet. In der letzten gfs-Umfrage gaben 65 Prozent an, die Initiative bestimmt oder eher ablehnen zu wollen, die Tamedia-Umfrage kam auf einen Nein-Stimmen-Anteil von 60 Prozent.

André Moesch, Verbandspräsident von Telesuisse und Leiter von TVO und FM1, ist erleichtert über das Nein zu No Billag:

Zu Beginn des Abstimmungskampfes hatten die Zeichen gar auf ein mögliches Ja gedeutet. Im Dezember ergab eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Marketagent.com eine Ja-Mehrheit. Daraufhin lagen die Nerven im Abstimmungskampf blank. Die Debatte war heftig und emotional.

Starkes Bekenntnis zur SRG

Nun kann die SRG aufatmen. Das Stimmvolk hat klar gemacht, dass es weiterhin ein gebührenfinanziertes Radio und Fernsehen wünscht. Der hohe Anteil Nein-Stimmen ist ein starkes Bekenntnis zum medialen Service public. Eine Niederlage müssen die SVP und der Gewerbeverband hinnehmen, welche die Initiative unterstützt haben.

Unter den Billag-Befürwortern waren unter anderem Initiant Olivier Kessler (FDP) und SVP-Nationalrat Lukas Reimann. Die Enttäuschung über das klare Resultat können beide nicht verbergen. Die Abstimmung ist vorbei, die Debatte um die SRG geht jedoch weiter, wissen die beiden Politiker:

Die Initianten - Mitglieder der Jungfreisinnigen und der Jungen SVP aus dem libertären Milieu - können allerdings für sich in Anspruch nehmen, eine laute Diskussion über den medialen Service public ausgelöst zu haben. Das Volksbegehren traf den Zeitgeist: Die öffentlich-rechtlichen Sender stehen auch in anderen Ländern unter Druck.

Mehr als eine Mediendebatte

Darüber hinaus verhalfen die Initianten der in der Schweiz zuvor wenig beachteten libertären Ideologie zu Aufmerksamkeit. Das Konzept «jeder bezahlt nur, was er persönlich nutzt» gab zu reden.

Die Gegner warnten vor einer Entsolidarisierung, welche - sollte der Ansatz Schule machen - den Zusammenhalt im Land gefährden könnte. Radio- und Fernsehsendungen nützten auch jenen, die sie nicht nutzten, argumentierten die Gegner. Denn informierte Bürgerinnen und Bürger seien eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren einer Demokratie.

SRG muss trotzdem sparen

Das Stimmvolk liess sich davon offenbar überzeugen. Der Verfassungsartikel zu Radio und Fernsehen bleibt nach dem Nein vom Sonntag unverändert. Auch droht der SRG keine Liquidation. Veränderungen stehen dennoch an.

Das ist auch den No-Billag-Gegnern bewusst. SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher weiss, dass die SRG über die Bücher muss. Auch SRG-Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina sagt, man gehe in den nächsten Wochen über die Bücher. Trotzdem können die No-Billag-Gegner feiern, wie sie im Interview mit TVO sagen:

Zum einen erhält die SRG ab 2019 nur noch 1,2 Milliarden Franken aus dem Gebührentopf, 40 Millionen weniger als heute. Zum anderen kämpft sie mit rückläufigen Werbeeinnahmen. Insgesamt wollen die SRG-Verantwortlichen 100 Millionen sparen. Sie kündigten am Sonntag Reformen an. Dabei soll es auch einen Stellenabbau geben. Des Weiteren will die SRG künftig darauf verzichten, Spielfilme durch Werbung zu unterbrechen. Dokumentationen und Serien sollen ausgebaut werden.

Fortsetzung folgt

Und die Diskussion über die Höhe der Gebühren ist noch nicht zu Ende. Mit dem Wechsel zur allgemeinen Abgabe sinkt der Betrag für Haushalte 2019 von heute 451 Franken auf 365 Franken im Jahr. Bereits sind jedoch parlamentarische Vorstösse für einen tieferen Betrag angekündigt worden.

No-Billag-Gegner wiederum stellen sich auf den Standpunkt, nach dem klaren Votum dürfe nicht länger an der SRG gesägt werden. Es brauche nicht weniger, sondern einen zeitgemässen Service public, fordern sie. Aus dieser Ecke ist eine Volksinitiative zur «Medienvielfalt im digitalen Zeitalter» angekündigt worden.

Neues Mediengesetz

Die Regeln ans Internetzeitalter anpassen will auch der Bundesrat. Bis im Sommer will er den Entwurf für ein neues Mediengesetz vorlegen. Zur Diskussion steht eine direkte Medienförderung. Aus staats- und demokratiepolitischen Gründen müsse es das Ziel sein, Vielfalt und Qualität im Journalismus zu sichern, erklärte Medienministerin Doris Leuthard in einem Interview.

Der Bundesrat denke deshalb darüber nach, mit den bestehenden Mitteln künftig neben Radio und TV auch Online-Medien und die Nachrichtenagentur SDA finanziell zu unterstützen. Die Stossrichtung hatte der Bundesrat bereits in einem Bericht von 2016 vorgegeben.

Neue Konzession

Bereits begonnen hat die Vernehmlassung zur neuen SRG-Konzession, die ab 2019 gilt. Die Programme von Radio und Fernsehen SRF sollen sich stärker von jenen der Privaten abgrenzen. Zudem soll die SRG vermehrt Kooperationen mit Privaten eingehen. Mindestens die Hälfte der Empfangsgebühren soll weiterhin in die Information fliessen.

Weiter will der Bundesrat der SRG künftig zielgruppenspezifische Werbung erlauben. Diese Werbeform soll aber beschränkt werden. Insbesondere darf sie sich nicht an regionale Zielgruppen richten. Die Verleger kritisierten die Pläne in der Vernehmlassung zur Revision der Radio- und Fernsehverordnung dennoch.

Bei einem Ja zur No-Billag-Initiative wären die Radio- und Fernsehgebühren abgeschafft worden. Neben der SRG wären auch Privatradios, regionale Fernsehsender sowie die Schweizer Film- und Musikszene betroffen gewesen.

veröffentlicht: 4. März 2018 16:18
aktualisiert: 4. März 2018 17:59
Quelle: SDA/red.

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