Offener Brief an Stefan Hernandez

24.11.2017, 14:35 Uhr
· Online seit 24.11.2017, 11:55 Uhr
Seit knapp 200 Tagen ist Stefan Hernandez nun Präsident des FC St.Gallen. Zeit, dass er seinen Worten endlich Taten folgen lässt, findet Sportjournalist und TVO-Moderator Dominic Ledergerber.
Dumeni Casaulta
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Lieber Stefan Hernandez

Seit einem halben Jahr sind Sie nun Präsident des wohl aufregendsten Unternehmens der Ostschweiz. Ich kann mir gut vorstellen, dass Ihre jetzige Aufgabe um einiges prickelnder ist als damals, als Sie Ihr Geld noch in der Hartchrom-Branche verdienten.

Geld kriegen Sie nun ja auch beim FC St.Gallen, als erster vollamtlicher Klub-Präsident. Und Sie durften bereits beim grossen Transfer von Albian Ajeti zum FC Basel mitmischen, das war sicher spannend! Wie ist Marco Streller eigentlich so privat? Hat er den Sprung vom Spieler zum Sportchef gut gemeistert? Oder haben Sie ihn am Verhandlungstisch – mit all Ihrer Erfahrung als Geschäftsmann – so richtig ausgekontert?

«Der FCSG hat ein sportliches Gewissen bitter nötig»

Zugegeben, bei all den interessanten Facetten, die Ihr neuer Beruf mit sich bringt, hätte es sicher einen günstigeren Zeitpunkt gegeben, um zum Klub zu stossen. Von Anfang an mussten Sie sich des Eindrucks erwehren, eine Marionette Ihres Vorgängers Dölf Früh zu sein. Sie betraten ein gespaltenes Unternehmen, das zu einen Ihnen bislang einfach nicht so richtig gelingen will. Und Sie mussten immer wieder Kritik aushalten, die seitens der Aktionäre, Fans, ja sogar der ehemaligen Kollegen aus dem Verwaltungsrat auf Sie niederprasselte.

Unter dem Strich dürften die positiven Seiten Ihrer neuen Aufgabe sicherlich überwiegen. Zudem haben Sie in Ihrer bisherigen Amtszeit ein grosses Talent erkennen lassen, Krisen kleinzureden. Aber ich finde, dass es nun höchste Zeit ist, dass Sie Ihren Worten Taten folgen lassen.

Schon lange haben Sie dem Klubumfeld einen Sportchef versprochen. Und ein solches sportliches Gewissen hat der FC St.Gallen meines Erachtens auch bitter nötig. Sie könnten bei Transfer-Gesprächen ja auch fortan mit dabei sein. Aber wenn Sie in diesem Zweig nicht auch noch den Lead hätten, bliebe Ihnen mehr Zeit für die Sponsorenpflege – ein Bereich, der sicherlich noch verbesserungsfähig ist.

An der Generalversammlung der FC St.Gallen AG vertraten Sie den Standpunkt, dass der Verwaltungsrat auch aus Leuten bestehen soll, die nicht im Sold des Klubs stehen und stattdessen unabhängig sind. Das macht absolut Sinn. Einerseits gewinnt der Klub dadurch an Know-how, sofern er die richtigen Köpfe nominiert. Und es bringt die Kritiker zum Verstummen, die da sagen, dass der Verwaltungsrat als Kontrollorgan versage, weil er sich selbst kontrolliere. Ich hoffe, Sie werden auch dieses Versprechen bald einlösen.

«Das Chaos hat Einfluss auf die Mannschaft»

Zu guter Letzt haben Sie sportliche Ambitionen erkennen lassen: Der FC St.Gallen gehöre in die Top fünf der Super League. Nur gewährleistet die Äusserung eines Wunschs noch lange nicht dessen Eintreffen. Und ich glaube, auch wenn dies die Spieler gebetsmühlenartig verneinen: Das gegenwärtige Chaos in der Teppich-Etage hat durchaus Einfluss auf die Leistungen der Mannschaft.

Abschliessend bin ich überzeugt davon, dass der FC St.Gallen erst dann wieder erfolgreich sein kann, wenn Sie Ihre Versprechen einlösen, wenn Ruhe ein- und die Zuschauer ins Stadion zurückkehren.

Schliesslich ist es doch ein Teufelskreis: Wer Erfolg hat, hat immer recht. Und das gilt in der Hartchrom-Branche genauso wie im Fussball.

Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen!

Herzlichst,

Dominic Ledergerber

veröffentlicht: 24. November 2017 11:55
aktualisiert: 24. November 2017 14:35

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