Angeklagter in Zugunfall in der Waadt bestreitet Vorwürfe

24.10.2017, 15:41 Uhr
· Online seit 24.10.2017, 10:12 Uhr
Wegen der Zugkollision von Granges-Marnand VD steht seit Dienstag ein Lokführer vor Gericht. Er bestritt zum Prozessauftakt, ein Haltesignal missachtet zu haben. Beim Zusammenstoss mit einem anderen Zug starb eine Person.
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Die Gerichtsverhandlung in Yverdon-les-Bains ist der zweite Anlauf - ein erster Prozess war Ende Mai vertagt worden, weil der angeklagte Lokführer nicht vor Gericht erscheinen konnte. Grund dafür war sein psychischer Zustand.

Diesmal erschien der 58-jährige Angeklagte vor Gericht. «Ich habe nach vorne geschaut und ein grünes Rund gesehen», sagte der Lokführer vor Gericht. «Das ist unmöglich, sie sind bei Rot abgefahren und sie sind nicht farbenblind», entgegnete der Präsident des Regionalgerichtes des nördlichen Kantonsteils der Waadt.

«Wenn ich ein rotes Signal gesehen hätte, wäre ich nicht abgefahren», bekräftigte der erfahrene Lokführer. Er erklärte zudem, dass sein Zug mit einer Verspätung von zwei Minuten verkehrt sei. «Meine oberste Priorität war es, diese Verspätung zu verringern oder zumindest nicht grösser werden zu lassen», sagte er.

Zu dem verhängnisvollen Unfall war es am 29. Juli 2013 gekommen. Der Regionalzug Payerne-Lausanne kollidierte nach 332 Metern Fahrt nach dem Halt im Kreuzungsbahnhof von Granges-Marnand mit dem entgegenkommenden RegioExpress Lausanne-Payerne.

Dabei wurde der Lokomotivführer des RegioExpress getötet. 26 der 45 Passagiere in beiden Zügen wurden verletzt, sechs davon schwer. Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) hielt in ihrem Schlussbericht im Juli 2014 fest, dass der Zug im Bahnhof abfuhr, obwohl das Signal auf «Halt» gestellt war.

Die Waadtländer Staatsanwaltschat erhob im November 2016 Anklage gegen den Lokführer, der das Haltesignal missachtet hatte. Er muss sich wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verantworten.

Nach dem Unfall geriet auch die SBB in die Kritik, weil der Bahnhof Granges-Marnand nicht mit einem Zugbeeinflussungssystem (ZUB) ausgerüstet war. Nach dem Unfall wurde zunächst das Vier-Augen-Prinzip eingeführt und der Fahrdienstleiter musste die Abfahrterlaubnis erteilen. Seit April 2016 ist das ZUB in Betrieb.

Die Eltern des verstorbenen Lokführers verlangten, dass auch eine Mitschuld der SBB vor Gericht geprüft wird, nachdem die Staatsanwaltschaft zunächst nicht auf eine entsprechende Klage eingetreten war.

Nachdem das Waadtländer Kantonsgericht einen Rekurs gegen den Entscheid gutgeheissen hatte, musste die Staatsanwaltschaft dennoch gegen die SBB ermitteln. Sie teilte letztes Jahr mit, dass die SBB keine strafrechtliche Verantwortung trage. Es steht deshalb einzig der Lokführer vor Gericht.

Das wurde am Montag von mehreren Lokführern kritisiert, welche als Zeugen vor Gericht aussagten. Einer von ihnen stellte kurz vor der Mittagspause die Frage: «Warum gibt es nur einen Angeklagten heute?» Die Lokführer kritisierten auch der Druck wegen der Pünktlichkeit.

Schwer wiege auch der Wegfall der doppelten Kontrolle, weshalb die Lokführer die ganze Verantwortung schultern müssten. «Früher hatte es sechs Augen, heute nur noch deren zwei», sagte einer. Jeder habe bereits einmal ein Haltesignal überfahren, auch wenn das der Alptraum eines jeden Lokführers sei, sagte ein Zeuge.

veröffentlicht: 24. Oktober 2017 10:12
aktualisiert: 24. Oktober 2017 15:41
Quelle: SDA

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