Rentner bringt Disco in Scuol zurück

· Online seit 05.07.2017, 16:57 Uhr
In der Bündner Gemeinde Scuol hat die Jugend nichts zu feiern. Seit Mitte April gibt es in der grössten Schweizer Gemeinde nämlich keine einzige Disco mehr. Dies macht nicht nur die Jugendlichen hässig, sondern auch den pensionierten Rechtsanwalt Not Carl. Deshalb hat er gemeinsam mit den Jungen Druck auf die Gemeinde ausgeübt. Mit Erfolg: Eine Disco wird im Herbst wieder eröffnet.
Lara Abderhalden
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Es ist Samstagabend in Scuol. Vereinzelt tummeln sich ein paar Jugendliche auf der Strasse herum. Die meisten sind jedoch ausgeflogen. Nach Samnaun oder ins angrenzende Südtirol. Dies sind nämlich die einzigen beiden Möglichkeiten, von Scuol aus eine Disco zu besuchen. Für die Fahrt an einen dieser beiden Orte müssen die Jugendlichen rund eine Stunde ins Auto sitzen. «Die Situation ist für die Jugendlichen eine Katastrophe. Es kann nicht sein, dass Jugendliche aus der grössten Schweizer Gemeinde ins Ausland in den Ausgang müssen. Im Winter ist die Fahrt dorthin zudem sehr gefährlich», sagt Not Carl.

Facebook-Gruppe übte Druck auf Gemeinde aus

Not Carl war früher Gemeindepräsident von Scuol und Rechtsanwalt. Heute ist der 68-Jährige pensioniert. Dennoch lassen ihn solche Dinge nicht kalt. «Ich bin zwar nicht mehr im Alter, um eine Disco zu besuchen. Dennoch war ich von der Tatsache schockiert und dachte mir, da muss ich etwas machen.» Mitte April hat sich Not Carl deshalb dazu entschlossen, eine Facebook-Gruppe zu gründen. In der Gruppe mit dem Namen «Nova Disco A Scuol» forderte er die Jugendlichen dazu auf, aktiv zu werden und die Schliessungen nicht einfach auf sich ruhen zu lassen.

«Am Anfang hatte ich schnell ein paar hundert Mitglieder, am Schluss waren es fast tausend. Die Jugendlichen waren begeistert.» So begeistert, dass sie auf den Vorschlag von Not Carl, eine Petition zu lancieren, eingingen. Schnell hatten die Jungen über 1000 Unterschriften zusammen und gelangten damit zum Gemeindevorstand. «In der Petition forderten die Jugendlichen den Gemeindevorstand dazu auf, eine geschlossene Disco wieder zu eröffnen. Ausserdem soll ein Neubau einer Disco geprüft werden.»

«Ich werde die Disco besuchen»

Auf die Forderung der Wiedereröffnung ging der Gemeindevorstand ein. «Die Gemeinde hat auf Druck der Jugendlichen vor ein paar Tagen beschlossen, die Disco Trü, die der Gemeinde gehört, wieder zu eröffnen», erzählt der 68-Jährige. Für ihn eine grosse Erleichterung: «Dieser Entscheid zeigt, dass man etwas erreichen kann, wenn man sich einsetzt. Es war eine Art demokratische Schulung für die Jugendlichen.»

Auch diese lassen ihrer Freude freien Lauf: «Auf der Facebookseite, die immer noch aktiv ist, reagieren die Jugendlichen begeistert.» Und davon lässt sich auch Not Carl anstecken: «Ich hatte so eine grosse Freude, dass ich mir vorgenommen habe, bei der Wiedereröffnung persönlich dabei zu sein.»

Weitere Discos sollen folgen

Eine Disco ist laut Not Carl ein Bestandteil eines funktionierenden Tourismusortes: «In jedem touristischen Ort spielt das Nachtleben eine grosse Rolle. Wenn Eltern mit ihren Jugendlichen in die Ferien gehen, ist das Nachtleben ein Teil des Urlaubs. Gefällt es den Jugendlichen dort nicht, dann kommen sie auch nicht wieder.» Ohne Disco in Scuol könnten daher schnell einmal die Gäste ausbleiben.

Einen Teilerfolg habe man jedoch geschafft: «Die Gemeinde sucht jetzt einen Betreiber für die Disco in Trü. Klappt alles nach Plan, soll sie im Oktober eröffnet werden.» Ganz fertig ist Not Carls Mission aber noch nicht: «Ich bleibe dran. Die Wiedereröffnung ist nur eine Übergangslösung. Mittelfristig soll es eine neue Disco mit einem Neubau geben. Wir haben bis jetzt mit der Facebook-Gruppe einiges erreicht und das Interesse geweckt. Wir sind uns sicher, dass Scuol bald wieder über mehrere Discotheken verfügen wird.»

veröffentlicht: 5. Juli 2017 16:57
aktualisiert: 5. Juli 2017 16:57
Quelle: abl

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