SBB bauen nicht für Rollstuhlfahrer

30.01.2018, 12:05 Uhr
· Online seit 30.01.2018, 12:02 Uhr
Fiasko bei den SBB: Die neuen Bombardier-Doppelstockzüge, die seit über vier Jahren fahrtüchtig sein sollten, sind nicht behindertenfreundlich. Der Behindertendachverband «Inclusion Handicap» reicht darum Beschwerde gegen die SBB ein.
Sarah Lippuner
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«Wenn Sie neue Eisenbahnwagen im Jahr 2018 kaufen, die nicht selbstständig von Rollstuhlfahrer benutzbar sind, ist der Begriff Fiasko der richtige», sagt Markus Scheffer, Professor für Staatsrecht, gegenüber der SRF-Sendung «10 vor 10».

Die Recherchen der Sendung decken die böse Überraschung auf. «Die neuen Züge verstossen gegen das Behindertengleichstellungsgesetz», sagt Caroline Herr-Klein, Chefjuristin beim Schweizerischen Behindertendachverband «Inclusion Handicap». Seit 2004 ist dieses Gesetz in Kraft. Es bestimmt, dass Menschen mit einer Einschränkung grundsätzlich selbständig öffentliche Verkehrsmittel benützen können - ohne Hilfe des SBB-Personals oder anderer Personen.

Auch Seh- und Hörbehinderte kriegen Probleme

In der «10 vor 10»-Sendung von Montagabend sieht man, wie ein Mann im Rollstuhl aus dem Zug fahren möchte. Da die Rampe beim Ausstieg zu steil ist, schafft er es nicht alleine aus dem Zug.  Eine Verschlimmbesserung: Die Doppelstockzüge, die seit fast 20 Jahren im Einsatz sind, haben einen flachen Einstieg.

Nebst Rollstuhlfahrer bekommen auch Hör- und Sehbehinderte Schwierigkeiten. Das Licht blendet so stark in den Zugbildschirmen, dass Hörbehinderte die Stationen nicht gut lesen können. Für sehbehinderte Fahrgäste lauert eine gefährliche Stolperfalle. Der Handläufer, welcher laut Plan durchgängig sein soll, endet vor der untersten Treppenstufe. Auch der Schweizerische Zentralverein für das Blindenwesen (SZBLIND) schliesst sich der Beschwerde an. In einer Medienmitteilung beteuert der Verein, die neuen Züge würden auch bei ihm «durchfallen».

Umbau wäre zu teuer

In seiner Beschwerde fordert der Behindertendachverband nun, dass die SBB und der Zughersteller Bombardier die sechs bereits gebauten Doppelstockzüge umbauen und bei den weiteren 56 Zügen, die noch im Bau sind, Änderungen vornehmen. Die SBB lehnen einen Umbau jedoch ab. Mitte Januar 2018 schreiben sie in einem vertraulichen Dokument, das «10 vor 10» vorliegt: «Eine Anhebung der Zustiegs-Plattform ist mit hohen terminlichen und finanziellen Risiken verbunden. Der Vorschlag kann bei diesem Projekt nicht umgesetzt werden.»

Das Bundesgericht St.Gallen muss nun entscheiden, ob die neuen Züge dem Behindertengleichstellungsgesetz entsprechen. Die Bombardier-Doppelstockzüge sollen auf den Hauptachsen der SBB wie Zürich-Bern und Lausanne-Genf verkehren und die nächsten rund 40 Jahre im Einsatz sein.

veröffentlicht: 30. Januar 2018 12:02
aktualisiert: 30. Januar 2018 12:05
Quelle: red.

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