Schweizer Organisation, Stolz und Klasse

10.10.2017, 07:38 Uhr
· Online seit 10.10.2017, 05:11 Uhr
In Portugal benötigt die SFV-Auswahl einen letzten starken Auftritt, um das WM-Ticket zu lösen. Ein Remis gegen den Europameister genügt, um die Vorhersage von Captain Lichtsteiner wahr zu machen.
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Die Überzeugung, den EM-Titelträger auszuschalten, ist in den Reihen der Schweizer tief verankert. Die totale Bereitschaft ist in jedem Statement der Protagonisten spürbar, die Dimension der Herausforderung löst kein Unbehagen aus. Im Gegenteil, von der Lust an der Challenge ist die Rede, vom Endspiel als Chance, die jahrelange Aufbauarbeit mit einem europäischen Coup zu bestätigen.

«Interessant, aber machbar. Wenn wir ein wirklich gutes Spiel zeigen, sind die Portugiesen verwundbar.» So äusserte sich Stephan Lichtsteiner im Juli vor zwei Jahren zur Auslosung der WM-Ausscheidung. Die couragierte Prognose des SFV-Capitanos hat sich vollumfänglich bewahrheitet; die Schweizer sind auch nach neun Spieltagen vor dem südeuropäischen Star-Ensemble klassiert.

Der seit 2011 bei Juventus engagierte Verteidiger orientiert sich seit Jahren nur an den Weltbesten. In seinem Klub-Alltag verkehrt er mit internationalen Ikonen. Er bestritt als Stammspieler einen Champions-League-Final. Aus der Ruhe bringt den 33-Jährigen wenig. Er lebt der talentierten SFV-Auswahl vor, was mit glühendem Ehrgeiz und hundertprozentiger Identifikation zu schaffen ist. Die Winnermentalität des sechsfachen Serie-A-Champions ist beispiellos.

«Qualität setzt sich durch», pflegt Petkovics unerbittlicher Vorarbeiter zu sagen. Seine Haltung tut allen gut. Der Antreiber und Wortführer, der interne Kritiker, der Mann, der sich keine Auszeiten gönnt und Komfortzonen meidet, hält die Spannung hoch. Ihn zum Captain zu machen war neben Granit Xhakas Neupositionierung im zentralen Mittelfeld mit der beste Entscheid des Nationaltrainers.

Im letzten Oktober, wenige Wochen nach dem 2:0 im Hinspiel gegen Portugal, nahm Lichtsteiner gegenüber der Nachrichtenagentur sda eine exakte Einschätzung vor, die kein Prozent von ihrer Aussagekraft verloren hat: «Die Balance stimmt. Es gelingt uns, gut organisiert und mutig aufzutreten. Die Automatismen sitzen, die Basis steht. Ich bin stolz, diese Mannschaft anführen zu dürfen.»

Der Stolz, das Bekenntnis zur Einheit, die ausgesprochene Solidarität, ein paar Attribute tauchen im Vokabular der Schweizer vermehrt auf. Petkovic und sein Captain haben das Terrain vorbereitet. Keiner soll den Auftritt in Lissabon als Belastung empfinden, sondern als würdige Bühne, in einem Sport mit der global grössten Leistungsdichte womöglich die siebte Endrunden-Teilnahme (EM und WM) innerhalb von 13 Jahren zu zelebrieren.

«Der Final in unserer Gruppe sollte ein interessantes, schönes Spiel sein, das wir geniessen müssen», hofft der Schweizer Selektionär. Nach zehn Siegen in Serie seit dem EM-Out gegen Polen besitzt der Leader das nachvollziehbare Selbstverständnis, allfällige geringe Zweifel auszublenden - und er beschäftigt sich primär mit seiner weitgehend komfortablen Situation.

Einen je nach Verlauf dramatischen Abend haben die Schweizer noch zu überstehen. Gegen einen Kontrahenten, der anders als beim ersten Treffen in Basel auf Cristiano Ronaldo zählen kann. Er ist die Überfigur, wie sie Lionel Messi im WM-Achtelfinal 2014 war. Der Argentinier entzog sich dem Zugriff der Schweizer in der 118. Minute ein einziges Mal - das negative Ende der Story ist hinlänglich bekannt.

«Zum Glück dauert das Spiel in Lissabon nur 90 Minuten», entgegnete Petkovic am ersten Camptag in Feusisberg der Frage, wie ein ähnliches Szenario im Duell mit «CR7» abzuwenden wäre. «Er hat den gleichen Stellenwert wie Messi, ist aber ein unterschiedlicher Spielertyp. Wir können ihn nur gemeinsam stoppen.»

«Portugal ist Ronaldo», sagt nicht nur Xhaka. Sein Wert für die Selecção ist unermesslich. 50 Prozent der letzten 30 Qualifikations-Treffer Portugals hat der Real-Superstar geschossen. Nur gegen Ungarn (1:0) traf er nicht. In 146 Länderspielen markierte der vierfache Weltfussballer sagenhafte 79 Tore - zwei mehr als der Jahrhundertfussballer Pelé.

Der Stürmer steht für die Dynamik, mit ihm ist das Nationalteam seit einem blamablen 0:1 gegen Albanien vor eigener Kulisse nahezu unschlagbar. Von den letzten 28 Pflichtspielen hat Portugal ein einziges Mal verloren: am 6. September 2016 im St.-Jakob-Park.

Portugal - Schweiz. - Estadio da Luz, Lissabon. - Dienstag, 20.45 Uhr. - SR Cakir (TUR).

Portugal: Rui Patricio (Sporting Lissabon); Cédric (Southampton), Pepe (Besiktas Istanbul), Bruno Alves (Glasgow Rangers), Eliseu (Benfica Lissabon); William Carvalho (Sporting Lissabon); Bernardo Silva (Manchester City), João Moutinho (Monaco), João Mario (Inter Mailand); André Silva (Milan), Cristiano Ronaldo (Real Madrid).

Schweiz: Sommer (Borussia Mönchengladbach); Lichtsteiner (Juventus Turin), Schär (La Coruña), Djourou (Antalyaspor), Rodriguez (Milan); Freuler (Atalanta Bergamo), Xhaka (Arsenal); Shaqiri (Stoke City), Dzemaili (Montreal Impact), Mehmedi (Bayer Leverkusen); Seferovic (Benfica Lissabon).

Bemerkung: Schweiz ohne Behrami, Gelson Fernandes und Edimilson Fernandes (alle verletzt).

veröffentlicht: 10. Oktober 2017 05:11
aktualisiert: 10. Oktober 2017 07:38
Quelle: SDA

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