Sia Abrasives baut 260 Arbeitsplätze ab

10.11.2015, 17:55 Uhr
· Online seit 10.11.2015, 14:31 Uhr
Kahlschlag in Frauenfeld: Die zur Bosch-Gruppe gehörende Sia Abrasives Industries AG verlagert die Schleifmittel-Konfektionierung nach Osteuropa. Betroffen sind 260 Arbeitsplätze. Die Gewerkschaften reagieren entsetzt.
David Scarano
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Die Aufwertung des Schweizer Frankens fordert weitere Opfer unter den Ostschweizer Arbeitnehmern: Die Sia Abrasives Industries AG hat heute bekannt gegeben, dass sie die Schleifmittel-Konfektionierung und das Halbfertigwarenlager von Frauenfeld an einen billigeren Standort in Osteuropa verlagern will. Zudem will sie das Fertigwarenlager in das europäische Zentrallager des Bosch-Geschäftsbereichs Power Tools im deutschen Worms integrieren.

Betroffen sind laut Medienmitteilung 260 der insgesamt 720 Arbeitsplätze in Frauenfeld. Die Verlagerung beginnt Mitte 2016 und soll Ende 2017 abgeschlossen sein. Die Vertriebssteuerung der Schleifmittel sowie Marketing und Produktentwicklung sollen indes in Frauenfeld bleiben. Ausserdem würden am Standort weiterhin Schleifmittel gefertigt.

«Schwierige wirtschaftliche Situation»

Wie es in der Mitteilung heisst, befindet sich das Schleifmittel-Geschäft der Bosch-Tochter «in einer äusserst schwierigen wirtschaftlichen Situation». Die Lage sei im Wesentlichen der Verschärfung des internationalen Wettbewerbs im Industriegeschäft sowie der massiven Aufwertung des Schweizer Frankens geschuldet. Der Exportanteil liegt bei mehr als 90 Prozent. «Daher hat die weitere Aufwertung des Schweizer Franken durch die Freigabe des Wechselkurses Anfang 2015 die Situation nochmals drastisch verschärft», heisst es im Communiqué. Darin wird auch Martin Küper, Geschäftsleiter der Sia in Frauenfeld, zitiert: «Die geplanten Massnahmen fallen uns nicht leicht, sie sind aber notwendig, um die Zukunft der Sia und des Standortes Frauenfeld zu sichern.»

Das Unternehmen hat heute das Konsultationsverfahren eröffnet. Nach eigenen Angaben führt es Gespräche mit der Angestelltenkommission «über alle Möglichkeiten zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und potenzielle Alternativen zur Verlagerung».

Heftige Reaktionen der Gewerkschaften

Der Verband «Angestellte Schweiz» und die Gewerkschaft Syna reagieren entsetzt, schockiert und erzürnt. Für die Syna hat das Verhalten System. «Bei der Übernahme generiert die Bosch-Gruppe fette Gewinne, und wenn das Geschäft nicht mehr rund läuft, werden die Stellen in ein Billiglohnland ausgelagert. Obwohl die Belegschaft, um ihre Arbeitsplätze zu retten, seit geraumer Zeit ohne Bezahlung zwei Stunden länger arbeitet, verliert ein grosser Teil der Angestellten bis Ende 2017 die Existenzgrundlage», schreibt die Gewerkschaft in einer Mittelung. 

Syna fordert Sia Abrasives und die Bosch-Gruppe auf, das angestrebte Konsultationsverfahren aktiv zu unterstützen und soziale Verantwortung zu übernehmen. «So trifft es einmal mehr Arbeitsplätze in der Produktion. Die besserverdienende Teppichetage, die Verwaltung, der Vertrieb sowie die Forschung und Entwicklung dürfen grösstenteils bleiben», so die Syna.

Die Konsultationsfrist von 18 Tagen gemäss dem Gesamtarbeitsvertrag der Schweizerischen Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie werde aber kaum ausreichen, um Ideen und Vorschläge einzubringen, wie Arbeitsplätze gerettet werden können

Belegschaft schockiert

Der Schock bei den Mitarbeitenden und ihren Familien sitzt laut der Gewerkschaft tief. Obwohl seit längerem Gerüchte über geplante Abbaumassnahmen im Umlauf waren, seien alle Beteiligten über das Ausmass des geplanten Stellenabbaus schockiert. Syna fordert die Thurgauer Regierung auf, ein starkes Zeichen zugunsten des Industriestandorts Thurgau zu setzen. «Die 260 Stellen dürfen nicht sang- und klanglos verschwinden.»

Der Verband Schweizerischer Angestelltenvereine haut in die ähnliche Kerbe. Der Schock sei gross: Viele verdiente langjährige Mitarbeiter mit bis zu 40 Dienstjahren würden ihre Stelle verlieren. Ein grosser Teil von ihnen sei ungelernt und werde es sehr schwer haben, eine neue Stelle zu finden, da in der Region kaum vergleichbare Arbeitsplätze existieren.

«Angestellte Schweiz» kritisiert das Management heftig, die Angestellten würden auch für dessen für Fehler büssen. Unter anderem sei eine Wachstumsvorgabe von neun Prozent pro Jahr auf einem stagnierenden Weltmarkt und bei einem massiv überbewerteten Schweizer Franken «schlicht realitätsfern». Zudem würde eine 2012 eingeweihte Produktionsanlage bis heute nicht wie gewünscht funktionieren.

Laut des Verbands könnte die Massenentlassung in diesem Ausmass für Frauenfeld ebenfalls schmerzliche Folgen haben. «Angestellte Schweiz» fordert das Management von Sia Abrasives auf, die Massnahmen zusammen mit der Arbeitnehmervertretung und den Sozialpartnern nochmals sorgfältig zu prüfen. «Oberstes Ziel muss sein, für alle, die von der Entlassung bedroht sind, eine Lösung zu finden - im Betrieb oder ausserhalb. Niemand darf am Schluss auf der Strasse stehen.»

veröffentlicht: 10. November 2015 14:31
aktualisiert: 10. November 2015 17:55
Quelle: red

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