So tickte der Münchner Amoktäter

23.07.2016, 17:14 Uhr
· Online seit 23.07.2016, 17:10 Uhr
Wie konnte aus einem netten und fröhlichen Schüler aus München ein Amoktäter werden? Ein Mix aus einer psychischen Erkrankung und Schulproblemen könnte den Amoklauf mit zehn Toten von David Ali S. ausgelöst haben.
David Scarano
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David Ali S. lebte bis zuletzt bei seinen aus dem Iran stammenden Eltern. Der Vater ist Taxifahrer, die Mutter arbeitete nach den Worten einer Nachbarin als Verkäuferin bei einer Warenhauskette. Zur Familie gehört noch ein weiterer Sohn. Die Wohnung der Familie befindet sich an der Dachauer Strasse, eine der wichtigen Hauptstrassen mitten in München. Eine Nachbarin beschreibt David Ali S. als «gute Person» und er habe «gelacht wie ein normaler Mensch».

Zum Leben der Familie konnten die Ermittler zunächst wenig sagen. Polizeipräsident Hubertus Andrä beschrieb die Eltern als viel zu schockiert, um weiter gehende Aussagen zu treffen. Die Polizei erhielt Hinweise, dass der Heranwachsende psychische Probleme hatte, es soll sich um Depressionen handeln.

Ausserdem fanden die Ermittler in dem Zimmer des Jungen viele Hinweise darauf, was in seinem Kopf vorging. Es seien Unterlagen gefunden worden aus dem Bereich Amok, sagte Andrä. «Mit dem Thema hat sich der Täter offensichtlich intensiv beschäftigt.»

Parallelen zu Breivik

Die Polizisten entdeckten Zeitungsberichte zu Amokläufen und auch ein Buch mit dem Titel «Amok im Kopf - Warum Schüler töten». Besonders auffällig nannte der Polizeichef, dass die Tat von München genau am fünften Jahrestag der Tat des rechtsextremen Attentäters Anders Behring Breivik stattfand. Insofern liege eine «Verbindung auf der Hand».

Andrä zog diese Verbindung deshalb, weil es sich bei beiden Fällen um Amokläufe gehandelt habe. Aber womöglich gibt es auch eine andere Parallele. Der Norweger Breivik tötete 2011 aus rechtsextremen Motiven. Und auch bei S. wird über Fremdenhass spekuliert.

Trotz seiner iranischen Wurzeln sah sich der Attentäter nicht als Ausländer. «Ich bin Deutscher» ist von ihm auf einem während der Tat entstandenen Video zu hören, das die Polizei als authentisch einstuft. Die «Bild»-Zeitung berichtet, er habe sich an seiner Schule von Türken und Arabern gemobbt gefühlt.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft will dieses konkrete Mobbing zunächst nicht bestätigen. Er spricht aber davon, dass es «Anhaltspunkte» für solche Schulprobleme gebe. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann spricht von Problemen im Bildungsweg.

Falle gestellt

Unter den neun zum grossen Teil jugendlichen Opfern waren auffällig viele mit ausländischer Herkunft. Alle lebten zwar in München oder Umgebung. Drei waren Kosovo-Albaner, drei waren Türken und einer Grieche. Unklar ist, ob sie zum Teil in eine perfide geplante Falle des Amokschützen liefen.

Der offensichtlich mit guten Computerkenntnissen ausgestattete 18-Jährige hackte nämlich nach den Erkenntnissen der Polizei den Facebook-Account eines Mädchens mit einem türkischen Namen. «Kommt heute um 16 Uhr Meggi am OEZ», schrieb er dort - Meggi ist Jugenddeutsch für McDonald's. Die vermeintliche Einladung verstärkte er mit der Ankündigung, etwas zu spendieren.

S. scheint die Tat also länger geplant zu haben. So besorgte er sich auch auf ungeklärtem Weg illegal eine 9mm Glock-Pistole. Die Seriennummer war aus der Waffe ausgefeilt. Ausserdem hatte er 300 Schuss Munition in einem Rucksack bei sich. Zu dem Zeitpunkt, als er sich selbst das Leben nahm, befanden sich noch weitere Schuss Munition im Lauf der Waffe.

veröffentlicht: 23. Juli 2016 17:10
aktualisiert: 23. Juli 2016 17:14
Quelle: SDA

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