So verarscht RTL seine Kandidaten

20.05.2016, 18:54 Uhr
· Online seit 13.05.2016, 13:40 Uhr
Die Abgründe des deutschen Privatfernsehens konnten wir lange nur erahnen. Nun zeigt der deutsche Satiriker Jan Böhmermann, wie RTL wirklich mit seinen Kandidaten umgeht. Sein Team hat zwei Schauspieler in die RTL-Sendung «Schwiegertochter gesucht» eingeschleust.
Felix Unholz
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Mit einem Knall meldet sich Jan Böhmermann nach seiner Fernsehpause mit dem «Neo Magazin Royale» auf ZDFneo zurück. Er deckt in seiner Sendung vom Donnerstagabend auf, wie RTL die Kandidaten von «Schwiegertochter gesucht» für die Quote missbraucht. So lief der neueste Geniestreich von Böhmermann ab:

Die Kurzzusammenfassung

Das Fernsehteam von Böhmermann meldet zwei Schauspieler als Vater und Sohn für die RTL-Sendung «Schwiegertochter gesucht» an. In der Sendung bringt RTL hoffnungslose Single-Männer mit unbekannten Frauen zusammen. Einer der beiden Schauspieler, der sich bei RTL für die Sendung anmeldet, gibt sich als Robin aus.

Der «einsame Eisenbahnfreund» und «schüchterne Schildkrötensammler» passt mit seinen speziellen Hobbys genau ins Beuteschema der Macher von «Schwiegertochter gesucht». Die Figur von Robin wurde ausgedacht, um aufzudecken, wie RTL hilflose Kandidaten für die Sendung benutzt. Das schräge Aussehen von Robin mit seiner Mütze und sein komisches Grinsen sind Konzept, damit der Plan aufgeht.

Das Team um Böhmermann stattet gar extra eine «Assi»-Wohnung mit 33 Schildkrötenfiguren aus Keramik und ein paar Bierflaschen aus. RTL bemerkt den Fake nicht, und die Castingredaktorin vereinbart einen Besuch: «Robin, wir sind total begeistert...» Böhmermann filmt den Dreh für «Schwiegertochter gesucht» mit versteckten Kameras und deckt damit die RTL-Methoden auf.

So werden die Kandidaten vorgeführt und ausgenutzt

1. Die Kandidaten verdienen fünf Euro pro Tag

Die Kandidaten von «Schwiegertochter gesucht» erhalten im vorliegenden Fall 150 Euro Aufwandsentschädigung für bis zu 30 Drehtage. Macht fünf Euro Lohn pro Tag für Protagonisten, die sowieso schon aus der sozialen Unterschicht stammen.

2. Sie müssen einen Vertrag unterschreiben, obwohl sie ihn nicht lesen können

Der zweite Schauspieler, der vermeintliche Vater von Simon, sagt, er habe seine Lesebrille nicht da. Doch die Sendungsredaktorin von «Schwiegertochter gesucht» entgegnet: «Ja, ich hab' aber eigentlich alles vorgelesen.» Die Schauspieler unterschreiben. Dass die beiden Schauspieler keinen Ausweis vorzeigen können, ist auch kein Problem.

3. Mit Behinderung oder Krankheit nimmt es RTL nicht so genau

Obwohl der Vater von Simon angibt, täglich acht Bier zu trinken, darf er bei der Sendung mitmachen. Die Kandidaten müssen zudem eine eidesstattliche Versicherung unterschreiben, dass sie nicht geistig beeinträchtigt sind. Doch Jan Böhmermann fragt sich zurecht: «Was, wenn sie trotzdem unterschreiben?»

4. Die Sätze werden vorgesagt

Das RTL-Team denkt sich offenbar für den sowieso schon schrulligen Kandidaten Simon eine gute Geschichte aus. Das Klischee vom Keramik-Schildkrötensammler wird noch mehr ins Lächerliche gezogen. Während des Drehs meint die Redaktorin zu Simon: «Sag' doch bitte mal: Manchmal gehe ich dann auch in die Zoohandlung und gucke mir die Schildkröten an.» Genau so kommt das Zitat später im Fernsehen.

5. Alles ist bis ins letzte Detail inszeniert

Obwohl in der Wohnung des Kandidaten bereits Schildkrötenfiguren und Bierflaschen herumliegen, verteilt RTL für «Schwiegertochter gesucht» noch zusätzliche Schildkröten selbst in der Wohnung. Als Höhepunkt muss Simon ein pinkes Puzzle machen.

Das Fazit von Böhmermann

Satiriker Jan Böhmermann findet deutliche Worte für die RTL-Sendung: «Man kann so eine Sendung wie ‹Schwiegertochter gesucht› schon machen, ist halt dann ziemlich scheisse.» Sein Fazit: Die Kandidaten, wüssten nicht, worauf sie sich einliessen. Dabei würden sie «als die allerletzten Trottel» inszeniert.

Die Reaktion von RTL

Böhmermann lanciert den Hashtag #Verafake und schiesst damit vor allem gegen Vera Int-Veen, die Moderatorin von «Schwiegertochter gesucht». Doch nicht nur die «humorvolle Humanistin», sondern vor allem auch die Sendungsredaktion kriegt ihr Fett weg. Das Video vom #Verafake wurde bis Freitagmittag auf Youtube 440'000 Mal angeklickt.

RTL reagiert derweil wortkarg:

Man darf gespannt sein, ob der Fernsehsender noch mehr verlauten lässt oder sich im Schweigen übt. Jan Böhmermann verspricht mit einem Augenzwinkern bereits mehr: «Wer weiss, in welche Sendungen wir sonst noch irgendwelche Kandidaten eingeschleust haben.»

Update 14:15 Uhr

In einer Mitteilung gesteht RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger «Fehler im Bereich der redaktionellen Sorgfaltspflicht» ein. Die Produktion der aktuellen Staffel würde bei der Produktionsfirma Warner «von einem neuen Team realisiert».

veröffentlicht: 13. Mai 2016 13:40
aktualisiert: 20. Mai 2016 18:54

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