Ständerat will Meldepflicht an Kindesschutzbehörden ausweiten

29.09.2016, 11:10 Uhr
· Online seit 29.09.2016, 06:31 Uhr
Wer beruflich regelmässig Kontakt zu Kindern hat, soll bei Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls die Behörden informieren müssen. Der Ständerat hat sich für eine Ausweitung der Meldepflicht ausgesprochen. Betroffen sind beispielsweise Angestellte von Kinderkrippen.
Anzeige

Der Ständerat hiess die Gesetzesänderungen am Donnerstag mit 33 zu 5 Stimmen bei 4 Enthaltungen gut. Nun ist wieder der Nationalrat am Zug, der gar nicht auf die Vorlage eingetreten war. Sagt er ein zweites Mal Nein, ist diese vom Tisch. Im Ständerat stellten sich nur die Vertreter der SVP dagegen.

Hannes Germann (SVP/SH) warnte vor Denunziantentum: «Wenn ein Kind mal blaue Flecken hat, wird es vorsorglich gemeldet.» Was «Kindeswohl» bedeute, sei nicht definiert. Daher sei es eine Frage der subjektiven Wahrnehmung, wann dieses gefährdet sei. Die Beurteilung sei gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen.

Peter Föhn (SVP/SZ) versicherte, auch er sei gegen Missbrauch. Aber er sei geschlagen worden als Kind, und es habe ihm nicht geschadet. Im Muotathal sei das eben anders als in Zürich. «Man kann die Kinder gleich in die Wiege des Staates legen. Ich glaube nicht, dass es besser herauskommt», sagte Föhn.

Justizministerin Simonetta Sommaruga sprach von einem Irrtum auf Seiten der Gegner. Schon heute habe jede Person das Recht, den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) etwas zu melden. Nicht jede Meldung führe zu einem Eingreifen. Es gehe um das Hinschauen. Das Parlament habe in den letzten Jahren bei den Tätern angesetzt. Das sei wichtig. Um Straftaten zu verhindern, müsse aber sichergestellt werden, dass jemand hinschaue.

Sommaruga erinnerte an die grosse Zahl von Misshandlungen. 2014 hätten die Kinderkliniken 1400 Fälle gemeldet. Fast die Hälfte der betroffenen Kinder sei unter sechs Jahre alt gewesen, ein Viertel unter zwei Jahre. Das seien Misshandlungen, die Spitalbehandlungen nötig machten, betonte die Justizministerin. Es gehe nicht um einen «Chlapf».

Daniel Jositsch (SP/ZH) räumte ein, dass die Fragen heikel seien. Mit der Ausweitung der Meldepflicht steige aber die Wahrscheinlichkeit, dass Behörden von Missbrauchsfällen Kenntnis erhielten und hinschauen könnten. Das grosse Problem seien nämlich die Fälle, die im Dunkeln blieben. Sage der Rat Nein, lasse er die Kinder allein mit ihrem Schicksal.

Auch Stefan Egler (CVP/GR) befand, jede Bemühung, den Kindesschutz zu verbessern, sei gerechtfertigt. Fabio Abate (FDP/TI) erinnerte im Namen der Kommission daran, dass das Parlament dem Bundesrat den Auftrag für die Gesetzesänderung erteilt habe. Die unterschiedlichen kantonalen Regeln seien ein Hindernis, um die Kinder wirksam schützen zu können.

Von den neuen Regeln betroffen wären Personen, die beruflich regelmässig Kontakt zu Kindern haben - beispielsweise professionelle Sporttrainer, Musiklehrer, Angestellte von Kinderkrippen und Tagesmütter. Sie sollen bei den Kindesschutzbehörden Meldung erstatten müssen, wenn sie den Verdacht haben, dass das Wohl eines Kindes gefährdet ist.

Heute müssen nur Personen in amtlicher Tätigkeit - beispielsweise Lehrer oder Sozialarbeiter - den Behörden grundsätzlich mitteilen, wenn ein Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls besteht. Neu soll diese Pflicht auch für Fachpersonen aus Betreuung, Bildung, Religion oder Sport gelten. Die Änderung würde aus Sicht der Befürworter zu einer Sensibilisierung beitragen.

Untersteht eine Person dem Berufsgeheimnis, soll sie nach dem Vorschlag des Bundesrates nicht verpflichtet, aber berechtigt sein, sich an die Kindesschutzbehörde zu wenden. Das betrifft etwa Ärztinnen, Psychologen und Anwälte. Heute dürfen diese nur Meldung erstatten, wenn eine strafbare Handlung vorliegt. Künftig sollen sie vorher einschreiten können.

Eine Meldung soll jedoch nur dann erfolgen, wenn die Fachperson nach Abwägung der Interessen zum Schluss kommt, dass das dem Wohl des Kindes dient. Personen, die dem Berufsgeheimnis unterstehen, sollen der Kindesschutzbehörde auch bei der Abklärung des Sachverhalts helfen, wenn die vorgesetzte Behörde oder die Aufsichtsbehörde sie auf Gesuch der Kindesschutzbehörde vom Berufsgeheimnis entbunden hat. Nach dem Willen des Ständerates soll das allerdings für Anwälte nicht gelten. Hier soll das Berufsgeheimnis vorgehen.

veröffentlicht: 29. September 2016 06:31
aktualisiert: 29. September 2016 11:10
Quelle: SDA

Anzeige
Anzeige