St.Galler Bauernpräsident am Gülle-Pranger

03.05.2016, 18:41 Uhr
· Online seit 03.05.2016, 15:45 Uhr
Aufregung ennet der Grenze: Österreichische Medien wittern einen Umweltskandal, weil ein Schweizer Bauer angeblich illegal ins Vorarlberg liefert. Als säumiger Bauer wird der Präsident des St.Galler Bauernverbandes präsentiert. Doch dieser wäscht seine Hände in Unschuld.
Marco Latzer
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Dieser Fall sorgt im Vorarlberg derzeit für Schlagzeilen: Ein Schweizer Bauer aus dem Rheintal liefere traktorweise illegal Gülle über die Grenze. «Schweizer Güllemüll auf Vorarlberger Wiesen?», titeln die "Vorarlberger Nachrichten". Im Blatt spricht der Hohenemser Vize-Bürgermeister, Bernhard Amann, Klartext: «Offenbar werden illegal Biogasabfälle aus der Schweizer Lebensmittelindustrie nach Vorarlberg eingeführt!» Auch die Homepage des ORF ist aufgesprungen: «Gülle aus der Schweiz: Ermittlungen laufen.»

Und das Online-Portal «vol.at» legt nach, schreibt gar von einem möglichen Umweltskandal. Im Artikel ist zudem ein Video abrufbar, das die Machenschaften dokumentieren will. Zu sehen sind die Biogas-Anlage und der Hof des vermeintlichen Übeltäters, der die Abfälle über die Grenze liefert. In Widnau sei dieser zu finden. Auch ein Traktor samt grossem Anhänger ist zu sehen, der bei Schmitter über den Zoll gefahren sein soll und Kurs in Richtung Dornbirn eingeschlagen habe.

«Beweisvideo» soll Gülle-Skandal belegen

Politiker Amann setzt zum verbalen Rundumschlag an: Die Vorgänge liessen auf «grobe Fahrlässigkeit» schliessen, schliesslich fänden laut seinen Recherchen weder Kontrollen noch Entnahmen von Proben statt. Generell stelle sich die Frage, ob es überhaupt Einfuhrgenehmigungen gebe.

Recherchen von TVO und FM1Today zeigen: Beim Hof handelt es sich um denjenigen von Peter Nüesch, dem Präsidenten des St.Galler Bauernverbandes. Bei einem Augenschein vor Ort bestätigt er, dass er regelmässig Gülle an Bauern im Vorarlberg liefere. Allerdings völlig legal - auf Nachfrage kann er problemlos Dokumente für seine Vorarlberg-Lieferungen vorlegen. Im Ausfuhrschein sind sowohl Ab- und Annehmer klar ausgewiesen; ebenso wie die Zusammensetzung der Gülle, die aus Reststoffen der Biogas-Anlage besteht. Zweimal monatlich würden Proben genommen, um genau angeben zu können, was er über die Grenze fährt.

Amt wurde stets ordnungsgemäss informiert

«Für uns sind die Anschuldigungen deshalb haltlos. Wir haben diese Abklärungen mit den zuständigen Ämtern schon vor drei Jahren getroffen», sagt Peter Nüesch. Tatsächlich bestätigt das St.Galler Amt für Umwelt,  dass der Bauer seine «Güllen-Exporte» nach Österreich stets korrekt gemeldet habe. Auf dem Amt hat man sämtliche Informationen über den angeblichen Umweltskandal beisammen. Die Behörden aus dem Vorarlberg könnten jederzeit nachprüfen, was, wann und wo über die Grenze kam. Bloss: Bislang habe sich von österreichischer Seite noch nie jemand danach erkundigt.

Umso überraschender kommt es für den Bauern, dass von ennet der Grenze medial auf ihn geschossen wird. «Ich glaube, die kennen die Fakten gar nicht. Mit uns hat auf jeden Fall nie jemand gesprochen», so Nüesch.

Vorarlberger tappen im Dunkeln

Wir konfrontieren den Politiker Bernhard Amann mit den Antworten des Gülle-Bauern. Er hatte mit seinen Äusserungen den Fall medial überhaupt ins Rollen gebracht. Die Dokumente von Bauer Nüesch sieht der Lokalpolitiker dabei zum ersten Mal, bittet sogleich um eine Kopie. Eine Entschuldigung gibt es von ihm nicht zu hören - viel mehr stört es ihn, dass Nüesch seiner Meinung nach einen rechtlichen Graubereich auszunützen weiss. «Ich sage: Es ist verwerflich, weil auch dieser Bauer die Pflicht hätte, seinen Abfall pflichtgemäss zu entsorgen, statt über die Grenze zu schieben und damit Kosten zu sparen!»

Viel mehr stört sich Amann aber am Vorgehen der vorarlbergischen Behörden. Diese befinden sich in diesem Fall offenbar seit über einer Woche in Abklärungen. Das Online-Portal «vol.at» schreibt am Dienstag dazu: «Landesrat Erich Schwärzler betont, er habe bereits umgehende Erhebungen der zusammenarbeitenden Behörden in Vorarlberg und der Schweiz veranlasst, um festzustellen, ob ein widerrechtliches Vorgehen vorliegt.» Die Informationen hatten FM1Today und TVO innert kürzester Zeit beisammen - ennet der Grenze tappt man anscheinend aber auch jetzt noch im Dunkeln.

veröffentlicht: 3. Mai 2016 15:45
aktualisiert: 3. Mai 2016 18:41

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