Überraschungen bei den Oscar-Nominierungen

23.01.2018, 17:15 Uhr
· Online seit 23.01.2018, 15:01 Uhr
Dass «Facing Mecca» des Schweizer Regisseurs Jan-Eric Mack kaum Chancen auf eine Nomination hat, wurde erwartet. Etwas unerwartet sind jedoch die Nominierten auf den besten Film.
René Rödiger
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Aus europäischer Sicht enttäuschend: Der deutsche Beitrag «Aus dem Nichts» von Fatih Akin, bei den Golden Globes noch gut dabei, geht bei den Oscars leer aus. Die meisten Chancen auf einen Oscar hat «The Shape of Water» mit 13 Nominierungen.

Sieben Nominierungen bekam «Three Billboards Outside Ebbing, Missouri», der als härtester Konkurrent für «Shape of Water» gehandelt wird. Gar acht Nominierungen erhielt «Dunkirk».

Leer ausgegangen

Bei den Nominationen für den besten Film sind doch einige hoch gehandelte Streifen leer ausgegangen. Trotz riesiger Werbekampagnen und guter Kritiken fehlen zum Beispiel «Wonder Woman», «Detroit», «Wind River» oder «All the Money in the World».

Gleich mehrere nominierte Filme machen dagegen Werbung damit, wie aktuell sie gerade seien. Bei «Get Out» betonen die Studios, wie sehr der Film Machtmissbrauch behandle, er sei also auch eine Art #MeToo-Film. Selbstverstänlich geht es aber auch um «cultural appropriation», das aneignen und für sich beanspruchen einer fremden Kultur, und um Rassismus.

Bei «Three Billboards» wird damit Werbung gemacht, dass sich eine Frau gegen einen Sexualstraftäter wehrt und es geht um sogenannten «Red State Anger», die Wut der Republikaner-Wähler. Auch bei «The Post» wird damit Werbung gemacht, dass sich eine starke Frau auflehnt.

Noch immer #OscarsSoWhite?

2015 stand die Oscar-Jury in der Kritik, kaum schwarze Darsteller und Minderheiten zu berücksichtigen. Darauf kündigte die Academy an, die Anzahl der weiblichen Mitglieder und Minderheiten in der Jury zu verdoppeln.

Wie sieht das 2018 aus? Noch nicht viel besser. Noch immer sind in der Jury 72 Prozent Männer und 87 Prozent weiss.

Der Film «Get Out», der sich um ein ethnisch gemischtes Paar dreht, wurde vier Mal nominiert. Immerhin auch als bester Film, beste Regie (Jordan Peele) und für den besten Hauptdarsteller Daniel Kaluuya). Ebenfalls Nominationen erhielten Octavia Spencer («The Shape of Water»), Denzel Washington («Roman J. Israel, Esq.») und Mary J. Blige («Mudbound»).

Besonders vielfältig präsentieren sich die Nominationen in der Kategorie beste Regie. Wie bereits erwähnt, ist hier Jordan Peele dabei. Eine Frau ist mit Greta Gerwig («Lady Bird») nominiert, mit Guillermo del Toro ein Mexikaner.

Oldman in der Pole-Position

Wohl auch als Statement dürfte die Nomination Christopher Plummers zu verstehen sein. Nach den Missbrauch-Vorwürfen gegen Kevin Spacey wurde Plummer für «All the Money in the World» verpflichtet, obwohl der Film mit Spacey bereits abgedreht war.

Die Chancen Plummers auf einen Oscar sind hingegen eher gering. Klarer Favorit ist Gary Oldman für seine Rolle als Winston Churchill in «Darkest Hour». Bemerkenswert ist in dieser Kategorie noch, dass James Franco («The Disaster Artist») leer ausgegangen ist. Als die Stimmen für die Nominationen eingegangen sind, standen die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen Franco noch nicht im Raum.

Jetzt können sich die Jurymitglieder um eine Diskussion, ob man den Künstler von seinem Werk trennen kann, nochmals drücken. Allerdings zeigten sie schon im vergangenen Jahr, dass sie sich von solchen Vorwürfen nicht beeindrucken lassen. Sie wählten Casey Affleck zum besten Hauptdarsteller, obwohl er sich eben erst mit mehreren Frauen, die ihm sexuelle Belästigung vorwarfen, aussergerichtlich einigte.

Schon wieder Meryl Streep

Bereits zum 21. Mal ist Meryl Streep («The Post») für einen Oscar nominiert. Damit hat sie ihren eigenen Rekord gebrochen. Sie hat ihn schon drei Mal gewonnen (den Rekord in dieser Kategorie hält Katherine Hepburn mit vier).

Die grössten Chancen auf einen Sieg hat jedoch Frances McDormand («Three Billboards»). McDormand hat schon für «Fargo» einen Oscar gewonnen und war insgesamt vier Mal nominiert. Für ihre Rolle in «Three Billboards» hat sie in der bisherigen Award-Saison den Golden Globe und den Screen-Actors-Guild-Award bekommen.

Zum ersten Mal eine Kamera-Frau

Ein nennenswertes Novum gab es in der Kategorie «Beste Kamera». Rachel Morrison wurde als erste Frau nominiert. Sie war für die Kamera in der Netflix-Produktion «Mudbound» verantwortlich. Morrison gewann mit diesem Film bereits den Preis der American Society of Cinematographers - ebenfalls als erste Frau. Ihre Arbeit kann schon bald erneut im Kino bestaunt werden: Beim Marvel-Film «Black Panther» machte sie die Kamera.

In der Kamera-Kategorie hat Morrison harte Konkurrenz: Roger Deakins («Blade Runner 2049»), Bruno Delbonnel («Darkest Hour»), Hoyte Van Hytema («Dunkirk») und Dan Laustsen («The Shape of Water»).

Libanon ist bei den Oscars

Eine weitere Premiere gibt es in der Kategorie «Bester ausländischer Film». Mit Ziad Doueris «The Insult» ist erstmals der Libanon bei den Oscars vertreten. Kamel El Basha räumte mit seiner Rolle im Gerichts-Thriller «The Insult» bereits in Venedig als bester Hauptdarsteller ab.

«The Insult» ist im Libanon nicht unumstritten. Es gab sogar eine Boykott-Kampagne gegen den Film, da Doueri seinen Vorgänger «The Attack» teilweise in Israel gedreht hatte.

Die 90. Oscar-Verleihung findet am 26. Februar statt. Gastgeber wird Late-Night-Talker Jimmy Kimmel sein.

Das sind die Nominierten in den wichtigsten Kategorien:

Die weiteren Nominierungen

Adapted Screenplay:
Call Me by Your Name (James Ivory)
The Disaster Artist (Scott Neustadter & Michael H. Weber)
Logan
Molly's Game (Aaron Sorkin)

Mudbound (Dee Rees & Virgil Williams)

Original Screenplay:
The Big Sick (Emily V. Gordon & Kumail Nanjiani)
Get Out (Jordan Peele)
Lady Bird (Greta Gerwig)
The Shape of Water (Guillermo del Toro & Vanessa Taylor)

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (Martin McDonagh)

Animated Feature Film:
The Boss Baby
The Breadwinner
Coco
Ferdinand

Loving Vincent

Production Design:
Beauty and the Beast
Blade Runner 2049
Darkest Hour
Dunkirk

The Shape of Water

Cinematography:
Blade Runner 2049 (Roger Deakins)
Darkest Hour (Bruno Delbonnel)
Dunkirk (Hoyte van Hoytema)
Mudbound (Rachel Morrison)

The Shape of Water (Dan Laustsen)

Costume Design:
Beauty and the Beast (Jacqueline Durran)
Darkest Hour (Jacqueline Durran)
Phantom Thread (Mark Bridges)
The Shape of Water (Luis Sequeira)

Victoria & Abdul (Consolata Boyle)

Sound Editing:
Baby Driver
Blade Runner 2049
Dunkirk
The Shape of Water

Star Wars: The Last Jedi

Sound Mixing:
Baby Driver
Blade Runner 2049
Dunkirk
The Shape of Water

Star Wars: The Last Jedi

Animated Short Film:
Dear Basketball
Garden Party
Lou
Negative Space

Revolting Rhymes

Live Action Short Film:
DeKalb Elementary
The Eleven O’Clock
My Nephew Emmett
The Silent Child

Watu Wote/All of Us

Original Score:
Dunkirk (Hans Zimmer)
Phantom Thread (Jonny Greenwood)
The Shape of Water (Alexandre Desplat)
Star Wars: The Last Jedi (John Williams)

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (Carter Burwell)

Original Song:
«Mighty River» (Mudbound)
«The Mystery of Love» (Call Me by Your Name)
«Remember Me» (Coco)
«Stand Up for Something» (Marshall)

«This Is Me» (The Greatest Showman)

Visual Effects:
Blade Runner 2049
Guardians of the Galaxy Vol. 2
Kong: Skull Island
Star Wars: The Last Jedi

War for the Planet of the Apes

Film Editing:
Baby Driver (Jonathan Amos & Paul Machliss)
Dunkirk (Lee Smith)
I, Tonya (Tatiana S. Riegel)
The Shape of Water (Sidney Wolinsky)

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (Jon Gregory)

Makeup and Hairstyling:
Darkest Hour
Victoria & Abdul

Wonder

Foreign Language Film
A Fantastic Woman
The Insult
Loveless
On Body and Soul

The Square

Documentary Short Subject
Edith+Eddie
Heaven Is a Traffic Jam on the 405
Heroin(e)
Knife Skills

Traffic Stop

Documentary Feature:
Abacus: Small Enough to Jail
Faces Places
Icarus
Last Men in Aleppo

Strong Island

veröffentlicht: 23. Januar 2018 15:01
aktualisiert: 23. Januar 2018 17:15
Quelle: rr

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