Kümmertshausen: Kronzeuge im Gericht verhaftet

22.01.2018, 11:20 Uhr
· Online seit 22.01.2018, 10:28 Uhr
Im Mammutprozess um die Tötung eines IV-Rentners in Kümmertshausen hat das Bezirksgericht Kreuzlingen am Montag seine Urteile gesprochen. Ein Beschuldigter wurde noch im Gerichtssaal festgenommen. Auf das Strafmass hingegen müssen die Verurteilten noch eine Weile warten.
Angela Mueller
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von Ida Sandl und Tim Naef/Tagblatt

Wer ist schuld am Tod eines Mannes im Weiler Löwenhaus bei Kümmertshausen im November 2010? Diese Frage hatte das Bezirksgericht Kreuzlingen in den vergangenen Wochen und Monaten zu klären. Der Mann war mit der Kapuze seiner eigenen Jacke erstickt worden. Bei den Ermittlungen kamen die Behörden einer Bande von kurdischen Türken auf die Spur, denen Erpressung, Drogengeschäfte und Menschenschmuggel vorgeworfen werden. Ein Freund des IV-Rentners soll als Schleuser tätig gewesen sein.

Im Mammutprozess um den Fall Kümmertshausen wurde während über 40 Tagen verhandelt. In unserer Übersicht sehen Sie, was den zentralen Figuren in diesem Fall vorgeworfen wurde und welche Urteile das Bezirksgericht am Montag gesprochen hat.

«Der Kronzeuge» (39 Jahre alt, kurdischer Türke)

Vorwürfe: Gehilfenschaft zur vorsätzlichen Tötung

Er wurde bereits in einem abgetrennten Verfahren zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Bundesgericht sah die Abtrennung als nicht rechtmässig, das Urteil wurde deshalb aufgehoben, und er musste sich nochmals mit den anderen Beschuldigten im Prozess verantworten. Die Anklage im Tötungsdelikt stützt sich zum grossen Teil auf seine Aussagen, was ihm den Titel des Kronzeugen eingebracht hat.

Verdikt des Gerichts:

Schuldig der eventualvorsätzlichen Tötung durch Unterlassung. Zudem wurde er wegen Raubes und qualifizierten Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz für schuldig befunden.

Der Beschuldigte wurde noch im Gerichtssaal festgenommen.

«Der Boss» (48 Jahre alt, Iraker)

Vorwürfe: Mittäterschaft zur vorsätzlichen Tötung.. Menschenschleusung, Erpressung, Drogendelikte.

Er soll den Auftrag zur Tötung des IV-Rentners gegeben haben. Sitzt im vorzeitigen Strafvollzug.

Verdikt des Gerichts:

Freispruch der vorsätzlichen Tötung.

Schuldig der Anstiftung zum Raub in Zusammenhang des Tötungsdelikts.

Schuldig des Menschenschmuggels, der mehrfachen versuchten qualifizierten Erpressung sowie Nötigung.

«Der Schweigsame» (54 Jahre alt, kurdischer Türke)

Vorwürfe: Mittäterschaft zur vorsätzlichen Tötung, mehrfache qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Er wurde vom Kronzeugen schwer belastet. Hat psychische Probleme und soll mit Heroin gehandelt haben.

Verdikt des Gerichts:

Freispruch der vorsätzlichen Tötung.

Schuldig der Gehilfenschaft des Raubes in Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt. Zudem wurde er für schuldig der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetzes.

«Der Spieler »(47 Jahre alt, Türke)

Vorwürfe: Mittäterschaft zur vorsätzlichen Tötung, versuchte schwere Körperverletzung, mehrfache qualifizierte Erpressung, mehrfache qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Sitzt im vorzeitigen Strafvollzug. Er soll mit dem Bandenboss den Auftrag zur Tötung des IV-Rentners gegeben haben. Vor seiner Verhaftung organisierte er vor allem Glücksspiele in den einschlägigen Lokalen.

Verdikt des Gerichts:

Freispruch der vorsätzlichen Tötung.

Schuldig der Nötigung, der mehrfachen versuchten qualifizierten Erpressung sowie der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetzes.

Indizienprozess mit vielen Widersprüchen

Nach der Urteilsverkündung hielt der Richter fest, dass es ein äusserst schwieriger Fall gewesen sei. Es habe wenige Geständnisse gegeben, die Beschuldigten hätten sich gegenseitig beschuldigt. Da zudem einige Beweise nicht rechtsgültig erhoben wurden, durften diese im Prozess nicht verwendet werden.

veröffentlicht: 22. Januar 2018 10:28
aktualisiert: 22. Januar 2018 11:20

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