Wäre die Welt eine bessere ohne Religionen?

23.01.2017, 09:36 Uhr
· Online seit 15.01.2017, 09:03 Uhr
Terror im Namen des Allahs, Kreuzzüge im Mittelalter oder gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Buddhisten. Überall auf der Welt kämpfen Menschen unter dem Deckmantel ihrer Religion. Trotzdem brauchen die Menschen Religionen, findet ein Rorschacher Seelsorger.
Fabienne Engbers
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Manche richten ihren ganzen Tagesablauf nach ihrer Religion aus und beten mehrmals am Tag zu ihrem Gott, andere schaffen es nicht einmal an Weihnachten oder Ostern in ihre Kirche. Religion ist heutzutage ein Thema, das die Gesellschaft spaltet. Für die einen bietet sie Halt und Zuflucht, für die anderen ist sie schuld an Krieg und Elend. Damit der Austausch zwischen den verschiedenen Religionen gefördert wird und sie sich damit besser verstehen können, gibt es Menschen wie Wieland Frei, ein Seelsorger, der für Migration und interreligiösen Dialog in der Region Rorschach zuständig ist.

«Das wäre eine dunkle Welt»

Auch er hat sich die Frage schon gestellt, ob die Welt ohne Religion nicht eine bessere wäre. «Vor allem wenn man in den Nachrichten hört, welche Terrorakte im Namen einer Religion verübt werden oder wie Extremisten im Namen Gottes handeln, dann fragt man sich, ob der Schaden, den Religion anrichtet, nicht grösser ist als der Nutzen», sagt der Seelsorger. Über die Jahrhunderte ist das Ziehen einer Bilanz schier unmöglich. Für Wieland Frei ist aber klar: «Religion gibt den Menschen sehr viel, egal in welchem Alter sie sind. Eine Welt ohne Religionen wäre eine düstere und dunkle, in der Menschen orientierungslos und heimatlos wären. Denken Sie auch an die vielen Rückzugsorte der Menschen, Kirchen, Kapellen, Moscheen, Pagoden, einsame Pilgerorte, wo die Menschen Ruhe und Einkehr finden.»

Andere Religionen sind eine Bereicherung

Wieland Frei ist offen gegenüber anderen Religionen. «Sie sind eine Bereicherung, machen das ganze Bild farbig und bunt», meint er. «Die Mystik der drei Buchreligionen ist zum Beispiel ähnlich und doch nimmt jede Religion einen anderen Blickwinkel ein und drückt es in ihrer eigenen kulturellen Sprache aus.» Was den Dialog unter den christlichen Kirchen betrifft, sei die Schweiz fortschrittlich, man pflege ein freundschaftliches Verhältnis unter den meisten Kirchen.

Der Austausch bringt neue Erfahrungen mit

In der Gruppe Migration und Begegnung der Region Rorschach, in der Wieland Frei tätig ist, werden regelmässig Anlässe organisiert, die den Austausch zwischen den Religionen fördern sollen. «Schön ist es auch, wenn wir uns untereinander treffen. Da wird mal türkisch, mal mazedonisch gekocht oder es kommt ein Topf mit Älplermagronen auf den Tisch», lacht er. Das gäbe tolle Abende, an denen man sich austauscht. Durch den Dialog entstehe auch Integration. «Wenn wir mehr über einander wissen, werden auch die Feindseligkeiten gegenüber Fremden kleiner und man kann sich gegenseitig besser verstehen», sagt der Seelsorger.

Im Grundsatz sind alle gleich

Auch wenn in der Schweiz unterschiedliche Religionen ausgeübt werden, dahinter stünden immer Menschen mit einer eigenen Geschichte, meint Wieland Frei. «Dazu fällt mir ein Beispiel ein. Ich war bei einer türkischen Mutter zu Hause, als ihr Sohn sich auf die Rekrutenschule vorbereitet hat. Im Gespräch mit der Mutter habe ich gemerkt, dass sie die genau gleichen Sorgen um ihren Sohn hatte, wie auch Schweizer Mütter. Das war mir sehr vertraut», sagt Wieland Frei.

Für Muslime ist ein Terroranschlag schlimm

In der heutigen Zeit, in der oft über Anschläge berichtet wird, die von Terroristen ausgeübt werden, steckt man schnell alle in den gleichen Topf. «Dabei leiden Muslime oft mehr unter einem solchen Terroranschlag als wir Christen», sagt Wieland Frei. Ihre eigene Religion werde bei solchen Verbrechen missbraucht, das belaste die Muslime hier in der Schweiz sehr. «Deshalb ist es umso wichtiger, dass man über die Religionsgrenzen hinaus miteinander reden kann», sagt Wieland Frei.

Das Interview mit Wieland Frei fand im Rahmen der FM1-Sendung «Gott und d'Wält» statt. Der Seelsorger sprach mit FM1-Pfarrerin Charlotte Küng und FM1-Moderator Beni Hofstetter. Die Radio-Beiträge kann man hier nachhören:
16. Juli 2019 - 17:02

Weltreligionstag 1


16. Juli 2019 - 17:02

Weltreligionstag 2

16. Juli 2019 - 17:02

Weltreligionstag 3

veröffentlicht: 15. Januar 2017 09:03
aktualisiert: 23. Januar 2017 09:36
Quelle: enf

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