Spannungen steigen nach Abstimmung der Kurden im Nordirak

26.09.2017, 17:41 Uhr
· Online seit 26.09.2017, 00:27 Uhr
Während die Kurden im Nordirak am Dienstag noch die Stimmzettel ihrer umstrittenen Unabhängigkeitsabstimmung ausgezählt haben, sind in der Region die Spannungen gestiegen: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warnte die Kurden vor einem «ethnischen Krieg».
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Die Kurden im Nordirak hatten am Montag trotz der Ablehnung der irakischen Zentralregierung sowie der Nachbarn Türkei und Iran eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit der kurdischen Autonomieregion abgehalten.

Laut der kurdischen Wahlkommission gaben 72 Prozent der 4,58 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. An einer Mehrheit für die Unabhängigkeit besteht kein Zweifel, doch ist offen, welche Folgen der Volksentscheid haben wird.

Kurden-Präsident Massud Barsani hat angekündigt, mit Bagdad «ernsthafte Gespräche» über ausstehende Streitfragen führen zu wollen. Iraks Regierungschef Haidar al-Abadi kritisierte aber eine «einseitige Entscheidung gegen die Einheit des Irak». Der schiitische Abgeordnete Ali al-Alak sagte, al-Abadi werde am Mittwoch im Parlament über die zu ergreifenden Massnahmen sprechen.

Der türkische Präsident Erdogan warf Barsani «Verrat an unserem Land» vor. Wenn Barsani diesen «Fehler» nicht umgehend korrigiere, werde er «mit der Schande in die Geschichte eingehen, die Region in einen ethnischen und konfessionellen Krieg gestürzt zu haben».

Erdogan drohte den Kurden auch mit wirtschaftlichen Sanktionen, sollten sie nicht einlenken. «Wenn wir den Hahn (der Ölpipeline) zudrehen, wird ihr gesamtes Einkommen wegfallen», warnte Erdogan.

Die kurdische Autonomieregion ist zum Export ihres Erdöls auf eine Pipeline durch die Türkei angewiesen. Bisher unterhielt Ankara freundschaftliche Beziehungen zu Barsani, doch fürchtet die Türkei, dass eine Abspaltung der Kurdenregion die eigene kurdische Minderheit in ihrem Unabhängigkeitsstreben bestärkt.

Dasselbe befürchtet der Iran, der ebenfalls an die nordirakische Kurdenregion grenzt. Der Iran will das Ergebnis denn auch nicht anerkennen. «Alles, was zu einer Desintegration der Region führen könnte, werden wir (im Parlament) nicht anerkennen», sagte Parlamentspräsident Ali Laridschani.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur Tasnim am Dienstag wollen die iranischen Revolutionsgarden die Sicherheitsvorkehrungen weiter verschärfen. An den westlichen Grenzen zum Nordirak sollen neue Raketensysteme stationiert werden um das Land vor «Aggressionen» zu schützen.

Das irakische Parlament hatte die Regierung am Montag aufgefordert, Truppen in die zwischen Bagdad und den Kurden umstrittenen Gebiete zu schicken. Bisher ist die Regierung der Aufforderung des Parlaments zur Entsendung von Truppen nicht nachgekommen. Sollte sie dies tun, käme es einer Kriegserklärung gleich. Schiitische Milizen haben ebenfalls gedroht, eine Abspaltung der Kurdenregion nicht hinzunehmen.

Kurz nach der Abstimmung am Montag begannen die türkische und die irakische Armee ein gemeinsames Militärmanöver. Die Übung finde in der Gegend des Grenzübergangs Habur statt, dem Übergang zwischen der Türkei und der Kurden-Region im Nordirak, teilte der irakische Generalstabschef Uthman al-Ghanami mit.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres äusserte sich besorgt über die «potenziell destabilisierenden Konsequenzen» der Volksabstimmung. Er respektiere die Souveränität, territoriale Integrität und Einheit des Irak, und alle Streitfragen zwischen Erbil und Bagdad sollten «durch Dialog und konstruktive Kompromisse gelöst werden», sagte sein Sprecher.

Syriens Aussenminister Walid Muallim nannte die Abstimmung «völlig inakzeptabel», zeigte sich aber offen für Gespräche mit den syrischen Kurden über Autonomie.

Russland äusserte sich ebenfalls skeptisch. Die Wahrung der territorialen und politischen Einheit des Iraks sei extrem wichtig für Stabilität und Sicherheit in der Region, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag in Moskau.

veröffentlicht: 26. September 2017 00:27
aktualisiert: 26. September 2017 17:41
Quelle: SDA

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