Zinnbauer bleibt ein dickes Fragezeichen

25.10.2016, 09:40 Uhr
· Online seit 25.10.2016, 05:52 Uhr
Die Trainerfrage wurde an der Generalversammlung des FC St.Gallen nicht gestellt. Nicht einmal in einem Wort wurde Trainer Joe Zinnbauer erwähnt. Und dies obwohl seine Mannschaft seit Monaten einen kümmerlichen Fussball zusammenspielt. Aus dem Schneider ist der Deutsche damit freilich nicht.
Marco Latzer
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Damit hatte niemand gerechnet: Kein einziger der mehrheitlich männlichen Aktionäre ergreift gegen Joe Zinnbauer das Wort. 351 Kehlen blieben still, als Präsident Dölf Früh an der Generalversammlung eröffnete - «Allgemeine Umfrage». Kein Mucks, kein Anflug von Kritik. Weil sich niemand traute, oder weil es Früh dank geschickter Dramaturgie gelang, die Anwesenden milde zu stimmen. Dabei hatten die Verantwortlichen gar die erste Mannschaft kurzfristig vor der GV ausgeladen, weil sie befürchteten, es könnte hitzig zu und her gehen.

Ein ruhiger Abend für den Trainer

Während die zuletzt enttäuschenden Kicker der Versammlung fern blieben, verfolgte Trainer Joe Zinnbauer das Geschehen aus einer der vorderen Reihen. Den ganzen Abend ging er - wie auch der zuletzt ebenfalls kritisierte Sportchef Christian Stübi - jeglichen Interviews aus dem Weg. Der Deutsche, der vor etwas mehr als einem Jahr vollmundig offensiven und erfolgreichen Fussball versprochen hatte und auch sonst kaum an träfen Worten sparte, blieb für einmal still. Hielt sich aus der Diskussion. Glänzte mit seiner ruhigen Anwesenheit, die der eine oder andere GV-Besucher gar nicht mehr erwartet hatte.

Das Warten auf den «richtigen» Entscheid

Die Message ist nach der Generalversammlung klar: Joe Zinnbauer bleibt weiterhin Trainer des FC St.Gallen. Zumindest vorerst. Denn mit dem Cup-Spiel gegen Zürich am Donnerstag und dem Krisenkick gegen Thun stehen kapitale Spiele an. Kritik seitens des Verwaltungsrats wurde zwar nicht explizit geübt; vielmehr beklagte sich die Club-Spitze ganz grundsätzlich über die sportliche Situation. Und doch gab es diesen einen Moment, als Präsident Dölf Früh folgende Worte zu Protokoll gab: «Wir sind uns bewusst, dass die Situation sehr ernst ist. Ich glaube aber, es ist wichtig, dass wir Ruhe bewahren und Vertrauen in den Verwaltungsrat haben, der die richtigen Entscheide fällen wird.»

Dieses Zitat deutet zumindest im Ansatz an, dass Joe Zinnbauer nicht unentlassbar ist. Dessen Vertrag läuft allerdings noch bis Sommer 2018. Dieser Kontrakt soll - wie zumindest im Umfeld der Versammlung getuschelt wurde -  finanziell gut dotiert sein. Was das Zögern der FCSG-Führung bezüglich einer Entlassung zwar erklären, aber nicht rechtfertigen würde.

Die Fragezeichen bleiben

Denn die aktuellen Entwicklungen sollten die Alarmglocken läuter denn je klingeln lassen: Von einem fussballerischen Konzept ist auch nach 13 Monaten Zinnbauer nicht viel zu sehen. Der Zuschauerschnitt ist rückläufig, die Mannschaft hockt im Tabellenkeller, Selbstvertrauen wird schmerzlich vermisst. Viele Spieler bringen kaum mehr einen Fuss vor den anderen. Und wer den FCSG am Sonntag in Luzern gesehen hat, würde sich kaum wundern, wenn er in diesem Spiel den Absteiger der laufenden Saison live auf dem Rasen gesehen hätte.

Der Sparsinn in der Arä Früh war jahrelang lobenswert; in vielerlei Hinsicht ist er es auch heute noch. Nun gilt es zu hoffen, dass die frisch wiedergewählte Führungscrew den FCSG nicht in die Zweitklassigkeit schlittern lässt. Denn das wäre wohl ein noch teureres Unterfangen als eine Zinnbauer-Entlassung. Und so wundern sich geneigte Zuschauer weiterhin, wie viel Geschirr Zinnbauer noch zerbrechen darf, ehe auch in der Teppichetage diese Einsicht Einzug hält.

veröffentlicht: 25. Oktober 2016 05:52
aktualisiert: 25. Oktober 2016 09:40

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