Verschärfter Inländervorrang mit Nebenwirkungen

17.11.2016, 16:10 Uhr
· Online seit 17.11.2016, 03:34 Uhr
Das Konzept der Ständeratskommission zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative gerät unter Druck. Nach Ansicht des Chefs der Zürcher Arbeitsmarktbehörde ist dieses zu aufwendig für Arbeitgeber. Die Lösung könnte noch andere Nebenwirkungen haben.
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Von den geplanten Massnahmen würden unter Umständen auch Stellensuchende aus der EU sowie Grenzgängerinnen und Grenzgänger profitieren. Das berichtete die Zeitung «Corriere del Ticino». Grund dafür ist, dass sich der vorgeschlagene Gesetzestext auf alle bezieht, die beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) gemeldet sind.

Die Staatspolitische Kommission des Ständerats möchte Firmen verpflichten, offene Stellen zunächst den RAV zu melden. Dort gemeldete Stellensuchende hätten während einer bestimmten Zeit exklusiven Zugriff auf die Inserate. Weiter sollen Arbeitgeber verpflichtet werden können, Bewerbungsgespräche mit Stellensuchenden durchzuführen, die beim RAV gemeldet sind.

Von den Massnahmen würden also nicht nur jene Arbeitskräfte profitieren, die ohnehin in der Schweiz anwesend sind. Nach Auskunft des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) vom Donnerstag dürfen sich nämlich auch Grenzgängerinnen und Grenzgänger bei RAV anmelden, sofern sie in der Schweiz arbeitslos geworden sind.

Zudem verpflichtet das Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih die Arbeitsämter, auch ausländische Stellensuchende zu vermitteln. EU-Bürgerinnen und EU-Bürger dürfen sich bis zu sechs Monate zur Stellensuche in der Schweiz aufhalten.

Zur Frage, ob die Aussicht auf exklusiven Zugang zu Stelleninseraten und vermittelte Vorstellungsgespräche den Zuzug von Stellensuchenden nicht ankurbeln könnte, wollte das SECO nicht Stellung nehmen. Das wäre reine Spekulation, heisst es in einer Stellungnahme.

Der Vorschlag der Ständeratskommission wird auch deshalb kritisiert, weil sie für die Arbeitgeber zusätzlichen Aufwand bedeutet. Für diese sei die Lösung «brutal», sagte Bruno Sauter, der Chef des Zürcher Amtes für Wirtschaft und Arbeit, im Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung».

Nur schon fünf Vorstellungsgespräche zu führen, sei ein grosser Aufwand für Unternehmen. Begründeten sie sodann eine Absage nicht korrekt, drohe eine Busse bis 40'000 Franken. «Für kleinere Betriebe wäre das existenzbedrohend», sagte er.

Zudem geht Sauter, der auch Präsident der Schweizer Arbeitsmarktbehörden ist, davon aus, dass es zu Klagen von Personen käme, die sich diskriminiert fühlen. Es entstünde «ein gutes neues Tätigkeitsfeld für Juristen», und es drohe eine Flut von Rechtsfällen, sagte er.

Die vom Nationalrat beschlossene Meldepflicht hält Sauter für sinnvoll. «Neben der Kenntnis von einzelnen Stellen würden wir so vor allem mehr Kontakte zu den Arbeitgebern erhalten», sagte er. Es sei ein «Mehrwert» für Stellensuchende und Arbeitgeber, wenn die RAV die Firmen besser kennenlernten.

Sauter zeigt sich überzeugt, dass die erfolgreichen Vermittlungen in Berufen ohne Fachkräftemängel dank der Meldepflicht «substanziell erhöht» werden könnten. Im vergangenen Jahre habe es alleine im Kanton Zürich 3000 Vermittlungen gegeben. Mit der Meldepflicht könnten es 5000 bis 6000 sein, schätzt er.

veröffentlicht: 17. November 2016 03:34
aktualisiert: 17. November 2016 16:10
Quelle: SDA

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